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Gildentag in Northeim: Handwerk verlangt Gleichstellung mit akademischen Berufen

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Von: Frank Bertram

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Handwerkskammerpräsident Delfino Roman (links) und Kreishandwerksmeister Ulrich Schonlau (rechts) ehrten Horst Schwarzer, der vor 70 Jahren seinen Meister gemacht hat.
Handwerkskammerpräsident Delfino Roman (links) und Kreishandwerksmeister Ulrich Schonlau (rechts) ehrten Horst Schwarzer, der vor 70 Jahren seinen Meister gemacht hat. © Privat

Zum ersten Mal seit drei Jahren konnte die Kreishandwerkerschaft Northeim-Einbeck wieder ihren Gildentag feiern.

Northeim – Die Herausforderungen des Fachkräftemangels im Handwerk und fehlender Lehrlinge – diese Themen haben den Gildentag der Kreishandwerkerschaft Northeim-Einbeck geprägt. Das Treffen konnte nach drei Jahren Pandemiepause mit rund 250 Teilnehmern am Montag wieder in der Stadthalle Northeim stattfinden.

„Das Handwerk verlangt eine ernst gemeinte Anerkennung und die Gleichstellung von beruflicher und akademischer Ausbildung“, erklärte der Präsident der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen, Delfino Roman. Die Meister von morgen sollten von den Kosten der Meisterschule befreit werden. In den Grundschulen müsse es wieder verpflichtenden Werkunterricht geben, später in den Gymnasien eine Berufsorientierung mit Beteiligung des Handwerks. Das Handwerk ist Daseinsvorsorge im ländlichen Raum“, betonte der Handwerkskammer-Präsident. Essen und Trinken, ein Dach über dem Kopf, geheizte eigene vier Wände – dafür seien die verschiedenen Bereiche des Handwerks unverzichtbar.

„Ohne das Handwerk wären wir alle nichts“, sagte Landrätin Astrid Klinkert-Kittel in ihrem Grußwort. Es seien nun einmal Menschen notwendig, die den designeten Traum durch Handarbeit Wirklichkeit werden ließen.

Als im Interesse der gesamten Gesellschaft bezeichnete Uslars Bürgermeister Torsten Bauer, das Handwerk dabei zu unterstützen, junge Menschen als Nachwuchs zu gewinnen. „Wir alle brauchen fast täglich das Handwerk“, sagte er. Bei aller Digitalisierung sei nicht jeder nach einer Videoanleitung im Internet ein Handwerker. Der auch politisch unterstützte Ansturm auf akademische Abschlüsse sei falsch gewesen, das sei inzwischen erkannt worden.

Der stellvertretende Kreishandwerksmeister, Götz Girmann, warb dafür, grundlegenden Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen in den Schulen wieder eine höhere Bedeutung beizumessen. Viele Lehrlinge hätten große Defizite, weiß der Elektromeister: „Wir dürfen uns nicht damit abfinden.“

„Nur mit Akademikern werden wir in Deutschland unsere Zukunftsthemen nicht stemmen können“, sagte Ramona Richardt. Die Northeimer CDU-Vorsitzende war als Festrednerin kurzfristig für den erkrankten Signal-Iduna-Gebietsdirektor Markus Roßmann eingesprungen. In dem von Handwerkern vor 115 Jahren gegründeten Versicherungsunternehmen hatte Richardt ihre Ausbildung gemacht.

Sie werde ihre beiden Töchter jedenfalls unterstützen, wenn diese später einmal „Häuser bauen“ oder Friseurin und Visagistin werden wollen, wie diese heute sagten. Richardt kritisierte die Erhöhung der Erbschaftssteuer durch Neubewertung von Immobilienbesitz: „Viele Handwerker wollen ihre Betriebe an ihre Nachkommen weitergeben, der Betrieb ist ihre Lebensleistung, die zu Eigentum geworden ist.“ Die Erhöhung sei Gift für das Handwerk, weil vererbtes Vermögen zu weiten Teilen betriebliches Vermögen sei.

„Zu viel Bürokratie“

Kreishandwerksmeister Ulrich Schonlau kritisierte den Bürokratismus, der zunehmend schlimmer werde und das Handwerk beispielsweise als Umsetzer der Klimaziele immer wieder ausbremse. „Es knirscht und knistert im Gebälk“, diagnostizierte der Maurermeister. Bauvorschriften würden ständig verschärft, trotz Wohnungsmangel werde die Förderung gestoppt, die Unterstützung von Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen werde eingeschränkt oder abgeschafft.

Schonlau wünschte sich eine wieder stärkere Anerkennung der „guten Sitten und Gebräuche“, die hochzuhalten er bei jeder Freisprechung von Gesellen einfordere. Heute werde aber noch nachgetreten, wenn der andere am Boden liege. Und diejenigen mit dem geringsten Einblick und Wissen zu einem bestimmten Thema würden am lautesten schreien – verstärkt durch die sogenannten Sozialen Medien, die weder sozial noch fürsorglich seien.

Generationen ausgezeichneter Handwerker

Geehrte langjährige Meister: Sie haben vor 60 Jahren ihre Meisterprüfungen bestanden.
Geehrte langjährige Meister: Sie haben vor 60 Jahren ihre Meisterprüfungen bestanden. © Frank Bertram

Beim Gildentag gab es wieder zahlreiche Ehrungen. So wurden folgende langjährige Handwerksmeister geehrt:

70 Jahre Meister: Elektromaschinenbauermeister Horst Schwarzer (Northeim).

60 Jahre Meister: Zentralheizungs- und Lüftungsbauermeister Willi Schörling (Northeim), Gas- und Wasserinstallateurmeister Hans-Albert Fuchs (Einbeck), Dachdeckermeister Manfred Hain (Northeim), Zimmermeister Heinrich Langheim (Kreiensen), Kraftfahrzeugmechanikermeister Klaus Riebold (Northeim), Schmiedemeister Erhard Rohlf (Einbeck).

50 Jahre Meister: Kraftfahrzeugmechanikermeister Günther Bartels (Dassel), Maler- und Lackierermeister Helmut Fischer (Dassel), Kraftfahrzeugelektrikermeister Jürgen Himstedt (Northeim), Gas- und Wasserinstallateurmeister Hans-Jürgen Kaufhold (Nörten-Hardenberg), Schlossermeister Udo Krüger (Dassel), Kraftfahrzeugmechanikermeister Leo Lautenbach (Duderstadt), Friseurmeister Heinz Riemann (Einbeck), Bäckermeister Rudolf Schamuhn (Dassel), Bäcker- und Konditormeister Dirk Tuchtfeld (Northeim), Fleischermeister Berthold Meyer (Dassel), Maler- und Lackierermeister Helmut Mickan (Dassel), Maler- und Lackierermeister Rolf Ringeisen (Northeim), Fleischermeister Karl Schwerdtfeger (Dassel), Friseurmeister Jürgen Schreiter (Northeim), Zentralheizungs- und Lüftungsbauermeister Frank Ziegenbein (Eschershausen).

40 Jahre Meister: Bäckermeister Heiko Binnewies (Northeim), Elektroinstallateurmeister Götz Girmann (Northeim), Schlossermeister Lutz Lixfeld (Katlenburg-Lindau), Landmaschinenmechanikermeister Karl-Hugo Pförtner (Bad Gandersheim), Konditormeister Henning Rolf (Northeim), Kraftfahrzeugmechanikermeister Severin Zylla (Großenrode), Fleischermeister Bernd Bonhagen (Northeim), Kraftfahrzeugmechanikermeister Aloys Otto (Duderstadt), Maler- und Lackierermeister Arno Rosien (Dassel).

25 Jahre Meister: Elektrotechnikermeister Eckhard Armbrecht (Northeim), Rolladen- und Jalousiebauermeister Karl Oliver Jäger (Northeim), Kraftfahrzeugmechanikermeister Michael Kaluza (Eimen), Kraftfahrzeugmechanikermeister Alexander Kyriazis (Lagershausen), Fleischermeister Dirk Sakel (Hohnstedt), Kraftfahrzeugmechatronikermeister Frank Sakel (Uslar), Bäckermeister Jürgen Schulze (Berka), Gas- und Wasserinstallateurmeister Lukas Tamme (Einbeck), Maler- und Lackierermeister Toni Detlef Bayer (Hillerse), Kraftfahrzeugmechanikermeister Michael Bröhl (Northeim), Tischlermeister Lars Dietrich (Göttingen), Elektroinstallateurmeister Dirk Erdmann (Dassel), Kraftfahrzeugmechanikermeister Andreas Exner (Uslar), Kraftfahrzeugmechanikermeister Bernd Panzer (Einbeck), Maler- und Lackierermeister Detlef Rudolph (Imbshausen), Kraftfahrzeugmechanikermeister Markus Schmidt (Lagershausen), Kraftfahrzeugmechanikermeister Joachim Schultze (Northeim), Elektroinstallateurmeister Guido Wippermann (Hilwartshausen).

Sie sind die besten Nachwuchs-Handwerker

Die für gute Ergebnisse in den Leistungswettbewerben ausgezeichneten Nachwuchs-handwerker mit ihren Ausbildern.
Die für gute Ergebnisse in den Leistungswettbewerben ausgezeichneten Nachwuchs-handwerker mit ihren Ausbildern. © Privat

Leistungswettbewerbe: Außerdem erhielten Nachwuchs-Handwerker, die bei den Leistungswettbewerben erfolgreich waren, Auszeichnungen. Es sind: Lina Akkurt aus Einbeck (3. Kammersiegerin Kauffrau im Büromanagement, Ausbildungsbetrieb: Diercks GmbH, Einbeck), Melissa Elsner aus Osterode (1. Kammersiegerin Friseurin, Ausbildungsbetrieb Fabienne Weber und Christine Fricke, Kalefeld), Nick Logojda aus Uslar (1. Kammersieger Kaufmann im Büromanagement, Ausbildungsbetrieb: Fliesenlegermeister Udo Krause, Uslar).

Langjährige Betriebszugehörigkeit

Zahlreiche Beschäftigte von Handwerksbetrieben wurden für langjährige Betriebszugehörigkeit geehrt. Hier die Geehrten für 50 und 40 Jahre in einem Unternehmen:

50 Jahre Betriebszugehörigkeit: Heinz Bös, Nörten-Hardenberg (Automobilgruppe Harz-Leine GmbH Autohaus Raith, Nörten-Hardenberg).

40 Jahre Betriebszughörigkeit: Wolfgang Kiene, Kalefeld (Installateur- und Heizungsbauermeister Manuel von der Straten, Kalefeld), Peter Scholz, Einbeck (Maler- und Lackierermeister Frank Godlinski, Einbeck). (Frank Bertram)

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