Interview mit Elke Witt vom Kinderschutzbund Northeim über Probleme von Eltern und Kindern in der Pandemie

Die Pandemie und die damit einhergehenden Reglementierungen betreffen auch die Familien. Der Spagat zwischen Homeoffice, Homeschooling und fehlenden Angeboten für die Freizeit hat seine Spuren hinterlassen, wie Elke Witt pädagogische Leiterin vom Northeimer Kinderschutzbund berichtet.

Landkreis Northeim – Elke Witt beantwortet Fragen zu den Veränderungen in den Familien, aber auch zu Hilfsangeboten.
Welche Probleme Kinder in der Pandemie?
Insbesondere ältere Kinder haben Angst, dass Corona nie wieder weggeht. Grundschulkinder kennen kaum noch einen normalen Schulalltag. Kinder haben zum Teil auch Angst sich anzustecken. Die kleineren Kinder, die in die Pandemie hineingeboren wurden, kennen nichts anderes. Sie kennen Erwachsene fast nur mit Maske. Aber es ist zugleich für sie auch befremdlich, wenn die Mutter eine Maske aufsetzt.
Was belastet die Eltern besonders?
Für Eltern ist die Organisation des Alltags ein Problem. Alles bedeutet mehr Aufwand, da werden viel Zeit und Nerven beansprucht. Auch die Enge und das ständige Aufeinanderhocken macht Eltern zu schaffen. Zudem sind sie traurig, dass sie den Kindern vieles vorenthalten müssen und Feste nicht mehr ungezwungen gefeiert werden können.
Haben sich die Probleme mit Länge der Pandemie verschärft oder verlagert?
Je länger die Pandemie besteht, desto mehr spielen Kinder und Jugendliche am Handy oder Computer. Ihnen fehlt Bewegung, sie werden dicker. Und auch Spielsucht wird dadurch begünstigt. Im Laufe der Zeit entwickelt sich auch eine Art Abstumpfung und Gewöhnung. Man verliert den Bezug zum normalen Umgangsverhalten mit Menschen.
Gibt es jetzt andere Probleme oder Fragen als vor Corona?
Die Lernrückstände der Kinder werden größer. Gerade Familien mit Migrationshintergrund, die sich für die Schulprobleme ihrer Kinder einsetzen wollen, haben nur noch schwer Zugang zur Schule, da die Flurgespräche mit den Lehrenden, bei denen man sich auch über Gestik verständigen konnte, nun fehlen. Diese Kinder hatten auch vor Corona Lernschwierigkeiten, da konnten die Eltern aber einfacher beteiligt und angesprochen werden. Kinder aus Familien mit einem guten finanziellen und Bildungshintergrund, können zumindest im Lernstoff aufgefangen werden, aber auch hier sind Eltern mehr belastet, dünnhäutiger und reagieren aggressiv aufgrund der Belastung.
Gibt es bei den Beratungsangeboten einen größeren Zulauf?
In der Beratungsstelle gegen Gewalt an Kindern und Jugendlichen gab es das erste Mal seit deren Bestehen Wartezeiten für eine Beratung und die weiteren Termine mit den Kindern.
Welche Tipps kann man Eltern geben?
Es ist wichtig, dass sich Familien eine Struktur aufbauen, die Woche planen, um Freizeit mit den Kindern auch als Termin festzulegen. Kinder müssen sich auf das Wort der Eltern verlassen können. Das war schon immer so, jetzt aber in der Verunsicherung der Pandemie ist es noch viel wichtiger. Regelmäßige Treffen mit ein bis zwei Freundinnen oder Freunden sind wichtig. Man kann auch viel draußen unternehmen, in den Wald, zum Freizeitsee oder in die Wallanlagen gehen. Es reicht bei kleinen Kindern oft, einfach Zeit zu haben und auf das einzugehen, was das Kind gerade möchte. Und wenn es lange stehen bleibt, um sich ein Blatt anzusehen, bleiben Sie auch stehen und schauen sich das Blatt gemeinsam an, vielleicht möchte das Kind 30-mal über einen Baumstamm balancieren, weil es das gerade entdeckt hat, dann genießen Sie das und die Ruhe, die davon ausgeht.
Gibt es aktuell Treffen für Eltern und Kinder beim Familienschutzbund?
Einige Angebote konnten unter 2Gplus-Regelung für Eltern wieder angeboten werden. Dazu gehört der Mini-Club, das Café Kinderwagen, das Familienfrühstück und die Hausaufgabenhilfe. Auch die Eltern-Kind-Gruppe unter Leitung der neuen Mitarbeiterin Marie Kohrs soll bald wieder im Familientreff Haerztor starten.
Welche Hilfen gibt es?
Es ist wichtig, dass Eltern nicht davor zurückschrecken sich Hilfe zu holen, wenn die Nerven blank liegen. Es ist keine Schande Hilfe anzunehmen. Vielleicht findet man nachbarschaftliche Hilfe. Es können sich alle Eltern an die verschiedenen Stellen beim Kinderschutzbund wenden, hier wird gemeinsam nach Lösungen gesucht. (Rosemarie Gerhardy)
Beratungsmöglichkeiten für Eltern
Kinderschutzbund: 0 55 51/98 88 15 oder 0151/44 23 27 24
Beratungsstelle gegen Gewalt an Kindern und Jugendlichen: 05551/1888, Anlaufstelle Frühe Hilfen: 0 55 51/9 08 26 42
Familientreff Haerztor: 0 55 51/9 17 90 36
Familienberatungsstelle des Landkreises: 0 55 51/7 08 82 40
Wenn es schnell gehen soll, können Eltern das Elterntelefon unter 0800/111 0 550 oder die Nummer gegen Kummer 116 111 anrufen. (rom)