Kirchengemeinden im Kreis Northeim stoßen ihre Gebäude ab

Ist auch im Kreis Northeim bald jede 3. Kirchenimmobilie wegen Mitgliederschwund überflüssig?
Northeim – Der kontinuierliche Schwund der Kirchenmitglieder in Deutschland werde innerhalb der nächsten 30 bis 40 Jahre ein Drittel aller kirchlichen Immobilien überflüssig machen. So heißt es in einer Denkschrift, die zwei Vordenker in der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) und im Katholischen Verband Deutscher Diozösen (VDD) veröffentlicht haben.
Die schiere Zahl ist beeindruckend, denn von den 42 500 evangelischen und katholischen Kirchen plus 90 000 Gemeinde- und Pfarrhäusern dürften 40 000 überflüssig werden, wenn die Kirchen bis 2060 die Hälfte ihrer Mitglieder verloren haben werden, so die Autoren Adalbert Schmidt, Oberlandeskirchenrat im Landeskirchenamt der Ev. Landeskirche Hannover, und Karl Schmiemann, Justiziar des katholischen Erzbistums Hamburg.
Auch im Kreis Northeim ist man sich der Entwicklung bewusst und hat reagiert, insbesondere durch Verkäufe von Pfarrhäusern. Aber auch Kirchenverkäufe gab es vereinzelt: im katholischen Bereich zum Beispiel in Kalefeld und Katlenburg, auf evangelischer Seite die Kapelle in Relliehausen und die Marienkapelle in Markoldendorf.
Weitere Verkäufe oder gar Abrisse von Kirchen und Kapellen seien derzeit im Kirchenkreis Leine-Solling mit seien aktuell 53 000 Mitgliedern (2004 waren es noch fast 72 000) nicht geplant, beruhigt Superintendentin Stephanie von Lingen. „Dass es aber in Einzelfällen zu Verkäufen oder Umnutzungen in den nächsten 20 Jahren kommen könnte, wenn die Gemeinden dies dezidiert wünschen und geeignete Konzepte vorliegen, ist aber denkbar.“
Der Gebäudemanagementausschuss des Kirchenkreises mit seinem Vorsitzenden Dr. Christian Steigertahl plane, um Kosten zu reduzieren etwas anderes, nämlich ein kategorisiertes Instandhaltungsmanagement für alle 94 Kirchen und Kapellen. Dazu sei eine Liste mit Kategorisierungen zur reduzierten Instandhaltung mit Einteilung von A (vorrangige Berücksichtigung bei Bauvorhaben) bis D (nur Grundsicherung der Substanz) erarbeitet worden. Die Gemeinden könnten bis Herbst dazu Stellung nehmen.
Diese Gebäude wurden seit 2017 verkauft
Insgesamt wurden in den vergangenen fünf Jahren elf kirchliche Gebäude von den Gemeinden im evangelischen Kirchenkreis Leine-Solling veräußert. Hier ein Überblick: die Gemeindehäuser St- Jacobi und St. Marien Einbeck (2017), Ferienhaus Ex-Freizeitheim Wahmbeck, Jugendhaus Salzderhelden, Gemeindehaus Markoldendorf, Jugendgruppenhaus Sixti Northeim (2018), Kapelle Markoldendorf (2019), Vergabe Erbbaurecht Gillersheim, Ex-Kita Markoldendorf (2021), Pfarrhaus Katlenburg (2022), Abgabe Gemeindehaus Suterode (2023).
Laufende Verkäufe: Gemeindehaus Lessingstraße Einbeck, Gebäude Burgberg Katlenburg, Pfarrhaus Gillersheim.
1000 Mitglieder weniger pro Jahr im Kirchenkreis
Im evangelischen Kirchenkreis Leine-Solling läuft schon länger ein Sparprozess, was Immobilen betrifft. Dazu Fragen, die Superintendentin Stefanie von Lingen beantwortet.

Wie hoch ist denn Mitgliederschwund im Kirchenkreis in den vergangenen 20 Jahren?
Der Kirchenmitgliederschwund bedingt durch die demografische Entwicklung, nachlassende Taufbereitschaft und das Austrittsverhalten liegt seit Gründung des Kirchenkreises vor 20 Jahren konstant bei rund 1000 pro Jahr, Tendenz leicht steigend. Die Stellenplanung hatte diese Zahlen zugrunde gelegt: 2004: 71 811, 2011: 64 945, 2021: 53 373.
Gibt es eine Prognose für die Zukunft?
Die Stellenplanung geht von einer Hochrechnung für 2028 von circa 47 000 Mitgliedern aus.
Gab es schon Kirchenschließungen in den vergangenen 20 Jahren im Kirchenkreis?
Ja, aber wenige. Bislang wurden lediglich die Kapelle in Relliehausen und die Marienkapelle in Markoldendorf veräußert. In den drei Mittelzentren Northeim, Einbeck und Uslar sowie in den Kleinstädten und Dörfern gehören 35 Kirchengemeinden mit insgesamt. 61 Kirchen, 30 Kapellen und drei frei stehenden Kirchtürmen zum Kirchenkreis. 94 Kirchen und Kapellen werden vom Kirchenkreis und der Landeskirche finanziert.
Gibt es Listen über Schließungen, Verkäufe oder gar Abrisse von Kirchen?
Nein. Dass es in Einzelfällen zu Verkäufen oder Umnutzungen von Kirchgebäuden in den nächsten 20 Jahren kommen kann, wenn die Kirchengemeinden das wünschen, ist denkbar.
Was ist stattdessen geplant, um Unterhaltungskosten der zumeist unter Denkmalschutz stehenden Gotteshäuser zu sparen?
Bereits vorgestellt wurde den Gemeinden ein kategorisiertes Instandhaltungsmanagement für Kirchgebäude mit Einteilung in Kategorien A bis D. Die Gemeinden werden dabei anhand von vorgegebenen Kriterien in Entscheidungen eingebunden und können zurzeit Änderungswünsche mitteilen. Dabei soll deutlich werden, welche ihrer Kirchen und Kapellen welche Priorität in der Nutzung und Bauunterhaltung haben sollen. Eine endgültige Einstufung erfolgt im Herbst 2023 mit Beschluss in der Kirchenkreissynode.
Gibt es eine Liste darüber, was Pfarrhäuser betrifft?
Ja. Bereits seit 2012 wird ein Pfarrhauskonzept erstellt, das regelmäßig in Bezug auf die Stellenplanung aktualisiert wird. Wo eine Pfarrstelle wegfällt, entscheidet der Kirchenvorstand über die Zukunft des Pfarrhauses. In den vergangenen 20 Jahren sind regelmäßig Pfarrhäuser und Gemeinderäume verkauft oder von den Gemeinden für Mieter zur Verfügung gestellt worden. Für das Management und die Bauunterhaltung von Pfarr- und Gemeindehäusern ist eine Architektin im Kirchenkreis eingestellt.
Sind die Gemeinden aufgefordert worden, selbst Vorschläge zu machen?
Ja, sowohl bezogen auf das Kirchgebäudemanagement mit der Festlegung Instandhaltungskategorien als auch bezogen auf die Entscheidung, ob ein künftig nicht mehr als Pfarrsitz benötigtes Pfarrhaus verlauft werden soll oder ob es die Kirchengemeinde als Mietobjekt behalten möchte.
Wer koordiniert überhaupt die Unterhaltung der Kirchenimmobilien?
Es gibt drei dezentrale Bauausschüsse und einen zentralen im Kirchenkreis, die sich um Gebäude kümmern. Seit 2017 wurden auf Vorschlag dieser Gremien im Kirchenkreis 7,5 Millionen Euro in den Erhalt von Kirchen und Kapellen investiert. 6,5 Millionen Euro flossen in den Erhalt von Gemeinde- und Pfarrhäusern. Neben Kirchensteuern wurden dafür durchs Kirchenamt Drittmittel eingeworben. Zeitgleich wurde der Gebäudebestand reduziert.
Welche Gremien kümmern sich um die Zukunftsfragen in Sachen Immobilien?
Für die Zukunftsfragen gibt es die „Arbeitsgemeinschaft Gebäudemanagement“. Sie wurde von der Kirchenkreissynode 2014 eingesetzt und trifft sich drei- bis viermal jährlich. Schwerpunkte sind das schon erwähnte Pfarrhauskonzept, die Reduzierung nicht benötigter Gemeindehausflächen, ein Energie- und Heizungsmanagement für Profan- und Kirchgebäude und die Kategorisierung der Bauunterhaltung für Kirchen.