Nach Sprengstoff-Anschlag auf Antifa-Aktivistin: Zwei Männer in Untersuchungshaft
Bei den Ermittlungen zum Sprengstoff-Anschlag auf eine Antifa-Aktivistin in Einbeck bei Göttingen (Niedersachsen) gibt es neue Ergebnisse zur Art des Sprengstoffes. Zwei mutmaßliche Täter wurden verhaftet.
- Ein Sprengsatz explodiert im Haus einer Antifa-Aktivistin in Einbeck bei Göttingen
- Der mutmaßliche Täter ist ein polizeibekannter Rechtsextremer
- Zentralstelle Terrorismusbekämpfung nimmt Ermittlungen auf
- Eine Blutspur führt die Polizei in eine Nazi-WG in Niedersachsen
Update vom Donnerstag, 18.06.2020, 18.01 Uhr: Nach dem Sprengstoffanschlag von mutmaßlich rechtsextremistischen Tätern, bei dem vor gut einer Woche der Briefkasten in einem Wohnhaus in Einbeck (Niedersachsen) zerstört wurde, hat die Zentralstelle Terrorismusbekämpfung der Generalstaatsanwaltschaft in Celle die Leitung der Ermittlungen übernommen.
Beim Zentralen Kriminaldienst der Polizeiinspektion Göttingen wurde hierfür eine Ermittlungsgruppe eingerichtet. Das hat ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Celle mitgeteilt.
Von dem Anschlag betroffen war eine Frau, die sich gegen Nazi-Aktivitäten im Raum Einbeck und im Rahmen der Flüchtlingshilfe für die Organisation „Seebrücke“ engagiert, was auf eine politische Motivation der drei Beschuldigten hindeute, heißt es in der Mitteilung.
Göttingen: Nazi-Anschlag auf Antifa-Aktivistin mit Sprengstoff ausgeführt
Die kriminaltechnischen Untersuchungen der sichergestellten Reste des Sprengkörpers durch das Landeskriminalamt Niedersachsen hätten ergeben, so die Generalstaatsanwaltschaft, dass die Substanz dem Sprengstoffgesetz unterliege.
Gegen die Beschuldigten werde jetzt wegen des Verdachts der versuchten schweren Brandstiftung, des versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion, des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz und Sachbeschädigung ermittelt.
Auf dieser Grundlage habe die Generalstaatsanwaltschaft Haftbefehle gegen zwei der Beschuldigten beim Amtsgericht in Celle erwirkt, weil diese nicht über einen festen Wohnsitz verfügen und daher von Fluchtgefahr auszugehen sei.
Die 23 und 26 Jahre alten Männer aus Einbeck befinden sich inzwischen in Untersuchungshaft.
Göttingen: Demos nach Nazi-Anschlag auf Antifa-Aktivistin in Einbeck (Niedersachsen)
Update vom Freitag, 12.06.2020, 18.34 Uhr: Friedlich verlief am Freitagnachmittag eine Demonstration gegen Nazi-Gewalt und -Gedankengut in der Innenstadt von Einbeck (Niedersachsen).

Rund 250 Teilnehmer waren dem Aufruf der "Seebrücke" Einbeck und des DGB gefolgt. Anlass war der Sprengstoff-Anschlag mit einem "Polen-Böller" auf das Haus einer Einbecker Antifa-Aktivistin am Mittwoch, der laut Polizei auf das Konto eines Neo-Nazis gehen soll.
Göttingen: Nazi-Anschlag auf Antifa-Aktivstin in Niedersachsen: Briefkasten explodiert
Erstmeldung vom Freitag, 12.06.2020, 14.34 Uhr: Göttingen - Nazis haben in Niedersachsen einen Sprengstoff-Anschlag auf das Haus und womöglich auch auf das Leben einer Antifa-Aktivistin verübt. Darüber berichtet hna.de*.
Göttingen: Nazis verüben Anschlag auf Antifa-Aktivistin in Niedersachsen
Was war geschehen? Dienstagnacht, 3.50 Uhr. Ein lauter Knall schreckt die Bewohner der 30.000-Einwohner-Stadt Einbeck bei Göttingen auf. Darunter einen Zeugen, der zwei Männer davon laufen sieht. Sofort verständigt er die Polizei. Die fährt an den Tatort und stellt - neben dem zerstörten Briefkasten der Antifa-Aktivistin - Bluttropfen fest.

Die Blutspur führen die Beamten direkt zu der Wohnung eines stadtbekannten Rechtsextremen in unmittelbarer Nähe. Den Mann treffen die Ordnungshüter prompt vor dessen Haus an - mit zwei anderen Männern, von denen einer die Hand frisch verbunden hat. Das Trio wohnt gemeinsam unter einem Dach, eine Nazi-WG mitten in Niedersachsen.
Göttingen: Anschlag auf Antifa-Aktivistin in Niedersachsen - Nazi ist polizeibekannt
Die Verletzung an der Hand des mutmaßlichen Sprengstoff-Attentäters ist so schwer, dass er in eine Klinik eingeliefert wird. Gegen ihn und einen 23-Jährigen ermitteln nun Polizei und Staatsanwaltschaft.
Zwei Paragrafen kommen bei den Ermittlungen in Betracht, wie Oberstaatsanwalt Andreas Buick aus Göttingen auf Nachfrage von hna.de* sagte. Man prüfe, ob gegen das Herbeiführen einer Sprengstoff-Explosion verstoßen worden sei (Paragraf 308 Strafgesetzbuch). Sollte dabei sogar das Leben der Antifa-Aktivistin gefährdet worden sein, muss der Tatverdächtige mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechnen.
Sollte es sich um einen herkömmlichen Böller gehandelt haben, so muss sich der Nazi lediglich wegen Sachbeschädigung verantworten (Paragraf 303 Strafgesetzbuch). Diese werden in der Regel mit einer Geldstrafe abgegolten.
Göttingen: Polizei findet Waffen in Nazi-WG in Einbeck (Niedersachsen)
Spezialisten prüfen nun, was die Explosion herbeigeführt hat. Der Nazi ist auf freiem Fuß. Der 26-Jährige ist hinlänglich polizeibekannt. Gegen ihn läuft aktuell ein Verfahren wegen Volksverhetzung. Er soll mit antisemitischer Kleidung vor der KZ-Gedenkstätte Moringen* (nahe Göttingen) posiert und das Bild anschließend im Netz verbreitet haben.

In der Wohnung des Dritten, wohl nicht an der Tat beteiligten Nazi fand die Polizei bei einer anschließenden Hausdurchsuchung folgende Gegenstände:
- einen Karabiner; das ist ein kurzläufiges Gewehr
- zwei Schreckschuss-Pistolen
- 15 Patronen unterschiedlichen Kalibers
- eine Mörsergranate
Die Gegenstände liegen inzwischen beim Landeskriminalamt Niedersachsen. Das LKA prüft, inwieweit mit den Waffen Schaden zugefügt werden könnte. Stand jetzt handelt es sich bei der Mörsergranate um eine Attrappe, die in einer Vitrine gestanden haben soll. Der Karabiner soll am Lauf verschweißt sein. Möglicherweise sind beide Devotionalien aus der Nazi-Zeit.
Göttingen: Antifa-Demo nach Nazi-Anschlag in Einbeck (Niedersachsen)
Der Rechtsanwalt Rasmus Kahlen schrieb unmittelbar nach dem Sprengstoff-Anschlag auf die Antifa-Aktivistin* eine Pressemitteilung. Darin heißt es, dass Teile des Briefkastens mehrere Meter durch den Wohnbereich geflogen seien. Die 41 Jahre alte Frau aus Einbeck (nahe Göttingen) sei in der Vergangenheit bereits mehrfach durch niedersächsische Nazis bedroht worden.
Brisant: Am Freitag, dem 12. Juni 2020, ist eine Kundgebung des Offenen Antifaschistischen Treffens Einbeck (OATE) geplant. Die Demo läuft unter dem Motto "Menschenrechte statt rechte Menschen". Die Polizei hat bereits angekündigt, die "sichtbare und spürbare Präsenz" zu erhöhen. Ob sich Nazis aus Niedersachsen zusammenrotten, um eine Gegenveranstaltung zu auf die Beine zu stellen, ist nicht bekannt.
Lesen Sie auch: Schnell und meist kampflos: Vor 75 Jahren endete der Krieg in Niedersachsen*.
Von Matthias Hoffmann, Kathrin Plikat und Axel Gödecke
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