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Diabetes-Kranke und Bloggerin Natalie: Ärzte haben zu wenig Zeit

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Von: Thomas Kopietz, Hans-Peter Niesen

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Podiumsdiskussion mit (von links) Bloggerin und Diabetes-Typ-1-Patientin Nathalie Bauer, Ministerin Dr. Carola Reimann, HNA-Moderator Thomas Kopietz, Pia Maier von Berlin-Chemie, Dr. Thomas Suermann (Gesundheitsregion) und Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandssprecher der Universitätsmedizin Göttingen. Foto: Hans-Peter Niesen

Lütgenrode – Die Gesundheitsregion Göttingen/Südniedersachsen lud zum Zukunftsforum Gesundheitsvorsorge 2030. Am Fall Diabetes wurde deutlich, dass viel zu tun ist, aber auch viel helfen kann. Zudem wurde der Vorsitzende verabschiedet.

Um die Versorgung von Diabetes-Patienten zu sichern und zu verbessern, müssen neue Wege gesucht werden. Die Ausbildung von mehr Ärzten und die Digitalisierung können dabei eine Hilfe sein, werden angesichts dieser sich galoppierend ausbreitenden Krankheit allein aber nicht ausreichen.

Wunsch: Mehr Zeit

Das wurde bei einer Podiumsdiskussion des Vereins Gesundheitsregion Göttingen-Südniedersachsen im Hotel Sachsenroß in Lütgenrode zur „Gesundheitsvorsorge 2030 – Neue Möglichkeiten für das Leben mit Diabetes“ deutlich. In der vom Göttinger Redaktionsleiter der HNA, Thomas Kopietz, geleiteten Runde machte ein einfacher Satz der Diabetes-Bloggerin Nathalie Bauer (24) ein Kardinalproblem deutlich: „Ich wünsche mir vor allem mehr Zeit, die ich vom Arzt geschenkt bekomme.“ Ärzte haben zu wenig Zeit für die Betreuung ihrer Patienten – im Schnitt drei Minuten.

Ministerin fordert Aufgaben für Fachberufe

Gesundheitsministerin Dr. Carola Reimann (SPD) sagte, allein mehr Studienplätze für Mediziner würden dieses Problem nicht lösen, angesichts dessen, dass Schätzungen bis zu zwölf Millionen Erkrankte vorhersagen. Man müsse auch mehr auf „kompetente Fachberufe“ setzen, die bei der medizinischen Betreuung unterstützen könnten und die Versorgungsstrukturen ändern. Mittel dafür könnten für sie dabei auch der Einsatz von Telemedizin, Online-Sprechstunden und Gesundheitsapps sein. Als mühsamsten Weg bezeichnete sie, über Kita und Schule „gesunde Gewohnheiten“ bei Kindern und Jugendlichen aufzubauen.

Smart-Uhr als Diagnosegerät

Der Vorstandssprecher der Uni-Medizin-Göttingen (UMG), Prof. Heyo K. Kroemer, unterstrich die Forderung nach neuen Wegen, auch um den Verlust von Ärzten auszugleichen. Denn außerordentlich viele würden in den kommenden Jahren in Ruhestand gehen. Da könne auch die Digitalisierung helfen. Mit Hinweis auf seine Smart-Armbanduhr, die ein einfaches EKG aufzeichnen kann, sagte er: „Sie kann zwei Arbeitsplätze ersetzen.“

Suermann: Kritik an Politik und Lob der Prävention

Der zweite Vorsitzende der Gesundheitsregion, Dr. Thomas Suermann, machte sich für Prävention stark „mit den Säulen Ernährung und Bewegung“. Sein Fingerzeig richtete sich auch an die Politik und Ministerin Reimann: Dass erfolgreiche Projekte wie das Schulsportprogramm „Fit für Pisa“ nicht konsequent weitergefördert würden, sei nicht zu verstehen.

Digitalisierung als Hilfe

Pia Maier von Berlin-Chemie machte dann in ihrem Vortrag deutlich, welche Möglichkeiten die Digitalisierung für die Medizin und die Patienten auch in der Betreuung und Behandlung – bei allen Risiken wie Datensicherheit – bieten wird. 

Emotionaler Vortrag

Natalie Bauer setzte den emotionalen Schlusspunkt, sie schilderte ihre noch junge Krankheitsgeschichte als Typ-1-Diabetes-Krenke und auch die erlebten Missstände im Medizinsystem, wo in einer Klinik beinahe die Hilfe zu spät gekommen wäre, was Heyo Kroemer als Verantwortlichen einer Universitätsklinik „sehr nachdenklich“ stimmte, dem an diesem spannenden Themen-Tag das Schlusswort gebührte.

Dankeschön an Kroemer

 Ein großes Dankeschön gab es für Kroemer auch noch: Thomas Suermann bedankte sich für die immer zielführende Vorstandsarbeit Kroemers, der zum 1. September als Vorstandschef an die Berliner Charité wechseln wird. "Am Ende unserer Sitzungen stand immer ein klares Ergebnis", sagte Suermann, der das als Verdienst Kroemers beziechnete. Die Ministerin schließlich bezeichnete den Weggang Kroemers als einen "herben Verlust für die Uni-Klinik, aber auch für das Land Niedersachsen". Reimann sagte auch, sie habe außerordentlich gerne mit Kroemer zusammengearbeitet und wünschte ihm alles Gute für die große Aufgabe in Berlin.

Große Sätze von Natalie Bauer

Natalie Bauer aber sagte die großen Sätze des Tages wie: "Der Diabetes und ich sind ein Team geworden." Und das, obwohl die Erkrankung, die die 24-Jährige erst vor einem Jahr ereilte, auch ihren großen Traum zerstört hat: Sie wollte Pilotin werden. Nun schreibt sie, hilft damit anderen Menschen und sich selbst. Sie beschreitet einen neuen Weg, den die Medizin erst noch finden muss. (zhp/tko)

Geld für Hedi-App

Unter Federführung der Gesundheitsregion Göttingen soll die App „Hedi - Hebammen digital“ mit einem Kostenaufwand von rund einer Million Euro im kommenden Jahr fertiggestellt werden. Mit ihr soll die Kommunikation der Hebammen im ländlichen Raum zwischen Schwangeren und Wöchnerinnen auf „sattelfeste“ Füße gestellt und dem größer werdenden Hebammen-Mangel, der sich in den kommenden Jahren noch verstärken wird, entgegengewirkt werden (HNA berichtete). Das Land Niedersachsen beteiligt sich mit rund 80 000 Euro an den Kosten. Einen entsprechenden Förderbescheid übergab Gesundheitsministerin Carola Reimann an den ersten Kreisrat aus Northeim, Jörg Richert. (zhp)

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