Vito und Loreta Velo sagen „Ciao Northeim“

Vito und Loreta Velo haben ihr Eiscafé Agnoli in der Northeimer Fußgängerzone nach fast 40 Jahren an ihre Mitarbeiter abgegeben.
Northeim – Man merkt Vito und Loreta Velo an, dass sie ihre Entscheidung schweren Herzens getroffen haben: Nach fast 40 Jahren haben sie ihr Eiscafé Agnoli in der Northeimer Fußgängerzone an ihre Nachfolger übergeben. Das sind Luca und Sandra Diaz, die seit über 20 Jahren zum Team des Eiscafés gehören.
Vito und Loreta erzählen an diesem sonnigen Februar-Morgen von ihren Anfängen in Northeim und von ihrer Zukunft in Italien, und ab und zu blitzt es verdächtig in ihren Augen. Aber sie schaffen es fast immer, ihre Tränen zurückzuhalten.
Denn obwohl sie ihre Wurzeln in Italien haben, in einer kleinen Stadt zwischen Venedig und den Dolomiten, ist Northeim zu ihrer Heimat geworden. Sie haben Freunde hier, außerdem seit vielen Jahren am Sollingtor einen Kleingarten. So ein bisschen „typisch deutsch“ eben. Und das ist das, was die beiden gerade beschäftigt: „Unsere Mentalität ist mehr deutsch als italienisch“, sagt Loreta. „An die italienische Mentalität müssen wir uns wohl erst wieder gewöhnen.“
Kein Wunder, haben sie in den fast 40 Jahren in Northeim ihrer italienischen Heimat jedes Jahr nur für ein paar Wochen einen Besuch abgestattet. Vor 20 Jahren hat das Ehepaar sogar ein großes, wunderschönes Haus gebaut. „Richtig gewohnt haben wir da aber bisher nie“, sagt Vito.
Bis Mitte März werden der 69-Jährige und seine 64-jährige Frau noch in Northeim sein, dann ihre Zelte in Deutschland abbrechen und zurück nach Italien gehen. „Dann habe ich für ein paar Monate zu tun“, sagt Loreta, denn schließlich muss das kaum bewohnte Haus erst mal modernisiert und renoviert werden. Doch was dann kommt, wissen beide nicht. „Wir müssen uns erst mal akklimatisieren“, sagt Vito schulterzuckend. Er will auf jeden Fall viele Angelausflüge ans nur rund eine Stunde entfernte Meer unternehmen.
Beide haben noch Familie in Italien, das wird es vielleicht etwas einfacher machen, hoffen sie. Doch man merkt, dass beide vor allem emotional tief in Northeim verwurzelt sind. Das merkt man umso mehr, wenn Loreta mit Begeisterung davon erzählt, dass sie vor einiger Zeit damit begonnen hat, die Umgebung Northeims mit dem Fahrrad zu erkunden. „Ich wusste gar nicht, wie wunderschön es hier überall ist“, sagt sie. Denn viele Jahre hatte sie gar nicht die Zeit für Radtouren oder Kurzurlaube, die sie übrigens inzwischen sehr gern an der deutschen Nordseeküste verbringt.
Als das Ehepaar Velo 1984 nach Northeim kam, hatten sie schon ein paar Jahre Deutschland hinter sich, zuerst in Köln, dann direkt in einem Eiscafé auf dem Kurfürstendamm in Berlin. „Doch das war gar nicht schön, viel Hektik, viele Menschen“, erinnert sich Loreta.
Nach einem Jahr Berlin kam das Angebot, das Eiscafé Agnoli in Northeim – übrigens das „älteste“ Eiscafé in der Kreisstadt – zu übernehmen. „Wir haben gleich zugesagt“, erinnert sich Loreta, und so zogen die beiden mit Sack und Pack nach Northeim. Bis heute bewohnen sie eine kleine Wohnung über dem Eiscafé.
Und obwohl es damals noch keine Fußgängerzone gab und jeden Tag der Verkehr direkt vor dem Café vorbei donnerte, genossen beide die Ruhe. Aber: Wenn irgendwo rund um Northeim mal wieder ein großes Manöver stattfand, fuhren auch schon mal Panzer direkt vorm Café vorbei. „Da hat hier alles vibriert“, erinnern sie sich.
Dann kam irgendwann der Bau der Fußgängerzone, der Verkehr wurde aus der Innenstadt verbannt. „Das war natürlich toll“, sagt Vito Velo. Endlich Ruhe, endlich durfte er seine Terrasse vorm Café bauen, damit seine Kunden Eis und Cappuccino auch im Freien genießen konnten. Im Jahr 2000 kamen die jetzigen Betreiber Luca (51) und Sandra (50) Diaz zum ersten Mal als saisonale Mitarbeiter nach Northeim. Allerdings hatten sie eine etwas weitere Anreise, denn sie stammen aus Argentinien. Doch auch sie lebten sich schnell in Northeim ein, kamen jedes Jahr wieder, Sandra brachte vor 17 Jahren Sohn Maurizio in Northeim zur Welt. Der lebt allerdings in Argentinien und wird dort bald sein Medizin-Studium beginnen.
Und Vito und Loreta sind überglücklich, dass sie „ihr Kind“, das Eiscafé, jetzt an die beiden übergeben konnten. „Sie kennen die Kunden und die Kunden sie, das ist schon sehr viel wert“, sagt Loreta. Für alle wichtig: Natürlich wird Luca, wie vorher Vito, in der eigenen Eis-Werkstatt samt Labor im hinteren Teil des Hauses auch zukünftig seine Eisspezialitäten selbst herstellen. (kat)