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Die Emanzipation von Jazz und Rock

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Von: Axel Janßen

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Die Tänzerinnen des Tanzstudios Baufeldt brachten nicht nur Farbe auf die Bühne.
Die Tänzerinnen des Tanzstudios Baufeldt brachten nicht nur Farbe auf die Bühne. © Axel Janßen

120 Minuten voller Musik, Tanz und Artistik: Die Premiere des 124. Musikalischen Abends des Corvinianums war dank Vielfalt, Spaß und Können aller Beteiligten ein großer Erfolg. Ganz ohne Pause waren selbst die Jüngsten von den verschiedenen Darbietungen fasziniert und begeistert.

Northeim – Wenn früher alles streng auf das Hochamt der Klassik mit der Capella Corviensis durchkomponiert war und Rhythmusgruppe, Blockflöten, Chor, Folk und solistische Jazzband im ersten Teil sozusagen Appetithappen waren, hat sich nun der Musikalische Abend den Zeitläufen angepasst. Tanz und Artistik, choreografierter Gesang, Rock und erst zum Schluss ein Hauch Klassik – wunderbar das „CC“ mit zwei Stücken aus Edvard Griegs Holberg-Suite – präsentieren heute die Vielfalt der außerschulischen Aktivitäten.

Wo früher solistische Einlagen und stampfender Jazz dem Individualismus huldigten, spielt die Jazzband im 43. Jahr nach ihrer Gründung sanften Swing im Big Band-Stil: Klassiker wie Take the „A“-Train oder Opus One werden diszipliniert und sauber intoniert, kleine Soli lassen das Können der Musiker und Musikanten aufblitzen. Die Zirkus-AG präsentierte mit Tüchern, Bändern, Hochrad und zu Coldplays Dauerbrenner „A Sky Full of Stars“ eine tolle Farb-Choreografie auf der dunklen Bühne und erntete dafür verdient viel Applaus.

Zum ersten Mal beim musikalischen Abend dabei war die Rockband „The Box“, die Klassiker der 90er-Jahre präsentierte: Red Hot Chili Pepers, The Neighbourhood und Green Day wurden musikalisch wuchtig, aber zurückhaltend im Auftritt interpretiert. Überraschend dabei Leven Hädrich, der den schwierigen Schlagzeugeinsatz von Green-Day-Drum-Ikone Tré Cool bei „Basket Case“ souverän meisterte. Als Zwischenakt fungierten Franca Rokohl und Jonas Bertram, die von Günter Stöfer begleitet sehr einfühlsam „City of the Stars“ des Oskar-gekrönten Musicals „LaLaLand“ sangen.

Ein paar Tränen waren sicherlich in den Augen der Zuhörer, als der Schulchor in passendem Outfit mit Stücken aus „Mary Poppins Returns“ auf der Bühne stand. 2018 ganz im Stil des mittlerweile 60 Jahre alten Klassikers gedreht, ging etwa „The place where lost things go“ sehr zu Herzen. Ein tolles Sopranregister, der vor allem beim Schlussstück „Trip a little light fantastic“ brillierte, und dazu eine tolle Begleitung von Musiklehrer Thomas Koch und Gregor Wunderlich mit Schülern des Corvinianums – schon seit langem ist der Schulchor ein Aushängeschild der Schule. Wieder viel Schwung brachte dann das Tanzstudio Kerstin Baufeldt auf die Bühne. Die jungen Tänzerinnen begeisterten mit viel Farbe und Esprit auf der Stadthallen-Bühne.

Nach der bereits erwähnten Holberg-Suite begab sich die Capella Corviniensis mit dem „Lied von vergangenen Sommertagen“ des ehemaligen Schülers Dominik Haase auf neue Pfade: Speziell für sein ehemaliges Orchester hatte Dominik Haase das elegische Stück komponiert. Im Stil schottischer Tänze oder mit Anklängen an Renaissance-Musik, aber auch mit dramatischer Filmmusik hat Haase ein unterhaltsames Werk geschaffen, das zu Recht viel Applaus erhielt.

Begeisterte mit „Mary Poppins Returns“: der Schulchor Ars Musica Vocalis.
Begeisterte mit „Mary Poppins Returns“: der Schulchor Ars Musica Vocalis. © Axel Janßen

Zum Ausgang eines unterhaltsamen Abends nahm sich Dirigent Thomas Constien eine Reihe von Jazz-Klassikern vor: Mit dem Medley „Tribute to Louis Armstrong“ wurde der rebellische und individualistische Armstrong-Trompetensound von Streichern und Holzbläsern quasi umflauscht.

Mit voller Berechtigung: Hat der Altmeister doch in späten Jahren mit „What a Wonderful World“ selber eine zuckersüße Schnulze hingelegt, bei dessen Interpretation das Orchester mit Streichern und Querflöten das Original vergessen ließ. Nur beim abschließenden „Hello Dolly“ hätte man sich mehr Jazz-Feeling gewünscht: Kundige Zuschauer hatten keine Chance, zum Groove des Stückes zu klatschen – der Swing der Deutschen bleibt wohl auf ewig der Marschtakt auf 1 und 3.

Vielleicht gerade deshalb eine überzeugende Leistung aller Musizierenden, die ein schweres Programm leicht erscheinen ließ.

Das Publikum dankte heftig und erhielt noch einmal „When The Saints go Marching In“ als Zugabe.

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