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Abo-Theater in der Stadthalle Bad Hersfeld: Das Stück „Spatz und Engel“ feiert zwei Diven

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Susanne Rader und Heleen Joor (von links) in „Spatz und Engel“ in der Stadthalle Bad Hersfeld.
Susanne Rader und Heleen Joor (von links) in „Spatz und Engel“ in der Stadthalle Bad Hersfeld. © Vera Hettenhausen

Marlene Dietrich und Édith Piaf singen im Duett, das hat es in Wirklichkeit nie gegeben. Die zwei großen Stars des 20. Jahrhunderts sind nie zusammen aufgetreten, aber es hätte sein können, denn sie waren tatsächlich über viele Jahre eng befreundet.

Bad Hersfeld – Daniel Große Boymann, Thomas Kahry und David Winterberg griffen diese Idee auf und schrieben ein Musikstück über die zwei schillernden Ikonen des Showbusiness. So wurde es möglich, dass am Dienstagabend in der Stadthalle im Rahmen der städtischen Abo-Veranstaltungen die beiden Frauen zusammen „When the world was young“ sangen. Es sollten noch einige Duette folgen.

Es ist das Jahr 1960, Marlene stand in Baden-Baden und Édith stand in Straßburg auf der Bühne. So begann die in sich stimmige Geschichte über eine langjährige, innige Freundschaft zweier Frauen, die über den Tod hinaus nicht endete, obwohl es zwischendurch zum Zerwürfnis kam.

„Du bist mein Spatz“, sagte Marlene zu Édith, die ihr antwortete: „Und du mein Engel“. Auf den „Spatz von Paris“ und den „Blauen Engel“ traf zu, dass Gegensätze sich anziehen. Marlene, die langbeinige, schöne Blonde, wirkte vornehm und diszipliniert. Die andere, 1,47 Meter große Französin verkörperte Herz mit Schnauze, indem sie alles unverblümt in einem derben Straßenjargon und mit markantem Lachen heraussprudeln ließ.

Es waren sympathisch gezeichnete Figuren, man mochte sie von Beginn an. 1948 lernten sich Marlene und Édith in New York kennen und wahrscheinlich auch lieben. Viele Fotos auf der Leinwand im Hintergrund zeigten die beiden zusammen lachend. Marlene, die weltgewandte, erfahrene, wurde Édiths Mentor, denn die quirlige Französin wurde oft von Selbstzweifeln gequält und musste tragische Schicksalsschläge wie den Tod ihrer Tochter und des Geliebten sowie ihre rheumatische Erkrankung, ihre Alkohol- und Medikamentensucht hinnehmen. Heleen Joor spielte diese Rolle erstklassig, ihr Lachen wird manchen im Ohr geblieben sein.

Susanne Rader war als Marlene ebenso eine Idealbesetzung. Das berührende Schauspiel der beiden Darstellerinnen sowie ihre Gesangskünste erweckten die Diven täuschend echt zum Leben. Arzu Ermen und Steffen Wilhelm schlüpften dazu in mehrere Rollen, um als Stichwortgeber das Spiel zu bereichern.

Neunzehn weltberühmte Chansons und Hits, die geschickt in die Handlung eingefügt waren, sorgten auch dank Cordula Hacke am Klavier und Vassily Dück am Akkordeon für ein besonderes Konzerterlebnis.

Es gab originelle Regieeinfälle, zum Beispiel, dass sich Marlene und Édith bei laufender Toilettenspülung in New York kennenlernten. Lachen musste man bei vielen geistreichen Sprüchen und beim ungewohnten Anblick der mit Küchenkittel bekleideten, den Boden schrubbenden Marlene.

Als Marlene ihre Freundin am Krankenbett besuchte, stand diese noch einmal auf und schmetterte fulminant „Non, je ne regrette rien“ in den Saal. Die nächste Szene zeigte die 90-jährige Marlene viele Jahre später im Sterbebett, als ihr die längst verstorbene Édith noch einmal erscheint. Marlene sang „I wish you love“ und sagte „Adieu, meine Kleine“. Da wurden manche Zuschaueraugen feucht.

„Das war richtig gutes Theater“, stellte eine Besucherin später fest. Das Publikum feierte das Ensemble ausgiebig am Ende mit tosendem Applaus. Zwei Solos verlängerten das Vergnügen nochmals. Eine solche Aufführung hätte eigentlich einen voll besetzten Saal verdient.

(Vera Hettenhausen)

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