Interview: Anke Hofmann ist seit 100 Tagen Bürgermeisterin von Bad Hersfeld

Anke Hofmann ist am Ostermontag seit 100 Tagen Bürgermeisterin von Bad Hersfeld. Über die Herausforderungen des Amtes und ihre nächsten Ziele spricht sie im Interview.
Bad Hersfeld – Am Ostermontag ist Anke Hofmann seit 100 Tagen Bürgermeisterin von Bad Hersfeld. Für den Wahlkampf hatte sie sich auf dem Turm der Stadtkirche fotografieren lassen. Für das Foto des 100-Tage-Interviews sind wir erneut auf den Turm gestiegen.
Frau Hofmann, Sie wollten hoch hinaus. Auf dem Kirchturm, ganz oben eben, weht zuweilen ein stürmischer und kalter Wind. Haben Sie das in den ersten Monaten im Amt auch gespürt?
(lacht) Dass ich hoch hinaus möchte, ist Ihre Interpretation. Stürmischen Wind habe ich nicht erlebt, aber ich weiß natürlich, dass nicht immer alles „Friede, Freude, Eierkuchen“ ist. Im Moment kann ich aber nicht klagen: Natürlich macht man es nicht allen Recht, aber das sollte jedem, der so ein Amt anstrebt, bewusst sein.
Der Erwartungsdruck der Bürger ist aber sehr hoch?
Das merke ich. Und es gibt natürlich auch Leute, die im Januar gedacht haben, jetzt wird alles sofort anders. Aber das geht nicht. Die Mühlen in der Verwaltung mahlen anders als in der freien Wirtschaft. Wir müssen bestimmte Wege einhalten. Und es gilt ja auch, die Mitarbeitenden und die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen.
Sie sind als Bürgermeisterin sehr präsent und für alle ansprechbar. Darauf haben viele Bürger lange gewartet. Was hören sie so in den vielen Gesprächen?
Ich habe bislang über 340 Termine wahrgenommen. Ich erlebe die Menschen als sehr freundlich und fühle, dass sie sich wertgeschätzt fühlen. Das merke ich etwa bei Ehrungen, Jubiläen und Hochzeiten. Dies sind tolle Termine, bei denen man viel Dankbarkeit erfährt. Natürlich sprechen mich die Bürger auch auf Probleme an. Manches kann man auf dem kurzen Weg regeln, anderes dauert länger. Aber das wusste ich vorher, denn ich bin ja nicht nur während der Geschäftszeiten Bürgermeisterin, sondern 24 Stunden am Tag.
Die politischen Gremien machen es Ihnen zurzeit leicht. Fast alles wird einstimmig beschlossen, die Grabenkämpfe aus Zeiten Ihres Vorgängers scheinen überwunden. Was machen Sie anders als er?
Die Zusammenarbeit in den Gremien und im Magistrat funktioniert tatsächlich sehr gut und ist konstruktiv. Dafür bin ich dankbar. Dass wir in Zukunft sicherlich nicht immer einer Meinung sein werden, ist mir klar. Mir ist es wichtig, vor allem den Magistrat umfassend zu informieren. Dabei geht es auch um Themen, die nicht in die Öffentlichkeit gehören, weil sie noch nicht spruchreif sind. Aber ich habe festgestellt, wenn man offen ist und die Menschen mitnimmt, macht das alles viel einfacher.
Apropos Kirchturm: Die Menschen in den anderen Gemeinden des Kreises werfen den Hersfeldern zuweilen eine gewisse Abgehobenheit vor. Müsste Bad Hersfeld nicht viel enger mit den Nachbarn zusammenarbeiten?
Die Zusammenarbeit mit der Kollegin und den Kollegen sowie mit dem Landrat finde ich sehr gut. Wir telefonieren, tauschen uns aus, fragen um Rat. Das ist ein gutes Miteinander. Ich sehe uns aber auch nicht als Konkurrenten, sondern als eine Region, in der wir uns ergänzen müssen. Natürlich höre ich zuweilen, dass es in Rotenburg und Bebra „viel besser läuft“. Aber wir sind drei unterschiedliche Städte – mit Stärken und Schwächen. In vielen Bereichen, etwa im Tourismus, müssen wir noch viel enger zusammenrutschen. Auch Fulda empfinde ich übrigens nicht als Konkurrenz, sondern wir können gegenseitig für uns werben.
In Bad Hersfeld stehen viele Bauprojekte an: Klinikum, Hochbrücke, ICE-Trasse ... Ich habe das Gefühl, niemand will den Bürgern sagen, dass uns das ein ziemliches Verkehrschaos bevorsteht?
In Bezug auf den Verkehr kommt einiges auf die Stadt zu. Dass dies ein Chaos wird, hoffe ich natürlich nicht, aber es wird Einschränkungen geben. Gerade in Bezug auf das Klinikum möchte ich darauf hinweisen, dass Bauherr das Klinikum und Bauträger der Landkreis ist. Natürlich ist die Stadt dabei mit im Boot, aber wir können nicht über ein Projekt von anderen berichten. Im April wird es eine Informationsveranstaltung für die Anwohner geben, die man selbstverständlich frühzeitig informieren und mitnehmen muss, denn natürlich müssen die Baumaterialien auf den Berg. Ich bin deshalb dafür, diese Last etwas zu verteilen, und werbe dafür, dass Stadt und Kreis zeitnah nach einer alternativen Anbindung des Klinikums suchen. Diese wird aber nicht in der Bauphase fertig sein, denn daran müssen viele Akteure, unter anderem der Naturschutz, mitwirken.
...und die Hochbrücke?
Das Planfeststellungsverfahren läuft noch. Wir haben Einwände vorgebracht und werden die Interessen der Stadt vertreten. Vor allem der Durchgangs- und Schwerlastverkehr darf zumindest in der Bauzeit nicht auch noch durch die Stadt rollen. Dafür werde ich mich einsetzen. Auch langfristig geht es um den Schwerverkehr vor allem auf der B 324. Dabei geht es dann um den Bundesverkehrswegeplan, der allerdings nicht in den nächsten fünf bis zehn Jahren zu ändern sein wird. Derzeit erstellen wir auch für die längerfristige Verkehrsplanung einen ‘Masterplan Mobilität’, der demnächst vorgestellt wird. Ob all diese Pläne auch Aussicht auf Erfolg haben, weiß ich nicht. Aber wir wollen es zumindest versuchen.
Sie haben eine Diskussion über die Zukunft der Bad Hersfeld Innenstadt eröffnet, die viele gute Ideen, aber auch Erwartungen hervorbringt. Wie wollen Sie die zum Teil ja sehr unterschiedlichen Interessen bündeln und umsetzen?
Wir nehmen zunächst alles auf, sortieren es und werden die Ergebnisse öffentlich vorstellen, um auch weiter im Gespräch zu bleiben. Allerdings kann die Stadt allein gar nichts erreichen, sondern bestenfalls einen Beitrag leisten. Wir werden nicht jeden Leerstand füllen können – schon gar nicht ohne die Eigentümer der Immobilien. Die Stadt entscheidet ja nicht über deren zukünftige Mieter – also ob eine Laden- oder Restaurantidee realisiert wird.
Dabei soll dann auch eine neue Fachbereichsleiterin mitwirken ...
... die wir voraussichtlich im Mai vorstellen werden.
Bislang sind in dieser Funktion aber schon viele engagierte Leute aufgerieben worden ...
Die Gründe dafür waren sicher unterschiedlich. Das hatte mit persönlichen Lebensplanungen, aber auch mit den unterschiedlichen Akteuren zu tun. Wir sollten dieser neuen Mitarbeiterin auf jeden Fall eine Chance geben und nicht schon heute Zweifel hegen. Ich bin zuversichtlich, dass das klappen wird.
Auch die Bad Hersfelder Festspiele sollen unter der Oberaufsicht der neuen Fachbereichsleiterin stehen. Über das Festspielbudget wird seit jeher gestritten. Wie lautet Ihre Zielvorgabe für die Festspiele, wo wollen Sie hin?
Es ist selbstverständlich im Interesse der Stadt, dass wir hier die Festspiele haben. Viele Gäste komme allein wegen der Festspiele nach Bad Hersfeld. Deshalb müssen wir die Festspiele pflegen. Aber wir haben einen Haushalt – und zwar für die ganze Stadt. Da stehen viele weitere Aufgaben an. Wir sind es den Bürgerinnen und Bürgern auch schuldig, beispielsweise schlechte Straßen zu reparieren. Und auch das wird nicht über Nacht gelingen.
Aber wohin sollen sich die Festspiele unter Ihrer Amtsführung entwickeln?
Ich finde, dass wir anspruchsvolle Festspiele anbieten sollten. Aber Anspruch hat nicht unbedingt etwas mit der Höhe des Budgets zu tun. Die Festspiele sollten sich daher in dem Rahmen bewegen, den die Stadt vorgeben kann. Wenn große Aufführungen mit vielen Darstellern dann nicht zu bezahlen sind, muss man eben andere Stücke auswählen. Diese Auswahl ist allein Sache des Intendanten.
Verdi fordert über 10 Prozent mehr für den Öffentlichen Dienst. Da kommen bei rund 500 städtischen Beschäftigten schnell Millionenbeträge zusammen. Müssen wir uns auf Steuer- und Gebührenerhöhungen einstellen?
Nein, damit ist in diesem Jahr nicht zu rechnen. Finanziell tut uns dieser Abschluss natürlich weh. Deshalb werden wir jetzt schon berechnen, was auf uns zukommt und dann gegebenenfalls nachsteuern. Wo genau, das muss die Politik entscheiden, die Verwaltung wird entsprechende Vorschläge erarbeiten. Klar ist aber, dass laufende Bauprojekte und notwendige Investitionen, wie etwa die Straßenerneuerung oder die Feuerwehrhäuser, nicht betroffen sind.
Wie ist es mit Prestige-Projekten wie dem Festspielhaus und dem Archiv?
Beim Festspielhaus bleibe ich dabei, dass wir einen Neubau brauchen, weil wir das benötige Raumprogramm in dem alten Zollgebäude nicht abbilden können. Beim Archiv arbeiten wir an der Vereinbarung über einen gemeinsamen Bau mit dem Kreis. Das finde ich sehr positiv, und das funktioniert nur durch das gute Miteinander von Politik und Verwaltung. Im Wever-Gelände sind im ersten Bauabschnitt die ersten Abbrucharbeiten erfolgt. Dort werden bald Fortschritte sichtbar werden. Und auch für den zweiten Bauabschnitt bin ich zuversichtlich, dass es uns gelingt, die Hersfelder Kleiderwerke nun doch aus der Innenstadt an einen anderen Ort umzusiedeln.
Sie hatten zu Beginn Ihrer Amtszeit einen Unfall und sind daher noch etwas gehandicapt. Hinzu kommt das hohe Arbeitspensum. Ihre Familie, Freunde, der Sport und ihre zahlreichen Hobbys bleiben vermutlich auf der Strecke?
(lacht) Sport ist momentan leider gestrichen. Laufen und Fahrradfahren geht noch nicht wieder. Auch die anderen Hobbys bleiben auf der Strecke. Und meine Freunde sehe ich zurzeit nicht sehr oft. Andererseits empfinde ich vielen Termine aber nicht als Stress. Man muss das gerne machen und dieses Amt lieben. Man lernt dabei so viele interessante Menschen kennen – das macht mir Spaß. Aber wenn man diese Aufgabe nicht mit Herzblut erfüllt, dann hat man keine Chance. (Das Interview führte Kai A. Struthoff)
Zur Person
Anke Hofmann wurde 1967 in Eschwege geboren. Bei der Oberfinanzdirektion in Frankfurt/Main hat sie ein duales Studium zur Diplomfinanzwirtin absolviert. Seit 1995 arbeitet Hofmann in Bad Hersfeld. Seit März 2020 leitete sie den Doppelbereich Finanzen und Immobilien. Über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wurde sie als Organisatorin des Hesssentags 2019. Am 2. Oktober 2022 wurde sie in einer Stichwahl gegen Karsten Vollmar (SPD) als parteilose Bewerberin zur Bürgermeisterin gewählt. Hofmann hat zwei erwachsene Töchter. Ihre Hobbys sind Joggen, Schwimmen und Skifahren.