Jugendliche informieren sich online über neueste Buchtrends

Am Sonntag ist internationaler Kinderbuchtag. Wir haben nachgefragt, was Kinder im Kreis Hersfeld-Rotenburg gerne lesen und ob Diversität Eingang in Kinderbücher gefunden hat.
Hersfeld-Rotenburg – Wer auf die Buchhits im Landkreis schaut, der wird auf viele alte Bekannte treffen. Wie kommt es also, dass die Gesellschaft immer diverser wird, aber bei den Kinderbüchern die Klassiker dominieren? – ‘Weihnachtsbriefe für Felix’, ‘Wie Findus zu Petterson kam’, ‘Der kleine Rabe Socke’ und ‘Die Olchis“, werden in der Stadtbücherei Bad Hersfeld immer noch am liebsten gelesen, erklärt die stellvertretende Leiterin, Sandra Rudolph.
„Lotta kann fast alles“, von Astrid Lindgren, lesen Kinder schon seit den 1970er Jahren.
Nicht einmal der Trend unter Jugendlichen, sich online über Bücher zu informieren und in der Buchhandlung einzukaufen, steigert die Beliebtheit der Bücher mit Diversitätsanspruch.
„Speziell auf Vielfalt spezialisierte Kinderbücher werden hier in Bebra nur sehr selten angefragt“, erklärt Daniela Raasch. Die Buchhändlerin arbeitet seit 32 Jahren in der Hoehlschen Buchhandlung und weiß, dass auch die Auswahl solcher Kinderbücher gering ist.
Sandra Rudolph, von der Stadtbücherei in Bad Hersfeld, erklärt noch einmal, was Diversität in Büchern bedeutet: „Zuwanderung, unterschiedliche Rollenbilder, verschiedene Sprachen, Hautfarben, unterschiedliche Altersgruppen, körperliche Einschränkungen oder auch die sexuelle Orientierung und vieles mehr.“ Die Vielfalt sei längst im Landkreis und auch in den Büchern der Bibliothek angekommen, sagt Rudolph. „Wir überprüfen unseren Bestand auch auf den Aspekt der Vielfalt“, erklärt die stellvertretende Leiterin.
Noch kein Hit auf dem Buchmarkt, dafür aber brandneu, sind laut Rudolph gerade die zweisprachigen Kinderbücher. Die Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste und ihre Kolleginnen haben auch gleich ein paar Beispiele parat, die sie aus den Regalen holen. Das Kinderbuch „Der Regenbogenfisch“ ist so eine Neuauflage. Die Erzählung über selbstloses Teilen ist erst auf Deutsch und gleich darunter auf Arabisch abgedruckt. Das ist neu. „Zweisprachige Bücher leben jetzt erst auf“, erklärt Rudolph.
Bibliotheksmitarbeiterin Annika Daube hält ein Buch in der Hand, dass Kinder unterschiedlicher Hautfarben beim Spielen zeigt, auf einer anderen Buchseite stillt eine Mutter ihr Kind, daneben gibt ein Vater die Flasche, zwei Jungen unterhalten sich in Gebärdensprache – „Du und ich sind gleich und anders“, heißt das Buch.
Auch wenn die vielfältigen Kinderbücher in den Regalen noch keine Spitzenleserzahlen erreichen, vor den Bücherreihen ist es schon deutlich internationaler geworden, erzählt Sandra Rudolph. „Viele geflüchtete Ukrainer kommen mittlerweile zu uns und lernen mit den Büchern Deutsch.“ Dass auch Jugendliche in die Bücherei kommen, freut Rudolph besonders.
Denn gerade Teenager seien nicht leicht vom Lesen zu begeistern, weiß auch Buchhändlerin Daniela Raasch aus Bebra. „Vor ca fünf bis sechs Jahren war es schwer, die Jugendlichen mit Büchern zu erreichen, das ist heute besser.“ Denn seit sich die Teenager online über die neuesten Buchtrends informierten und dann Mangas (japanische Comics) und Bücher von Internetberühmtheiten kaufen, sind die Jugendlichen auch in die Buchhandlungen zurückgekehrt.
Der Buchhype aus dem Netz hat jedoch auch einen Haken, denn jetzt müssen die Buchhandlungen blitzschnell sein, um die Trendbücher auszumachen und überhaupt noch Exemplare zu bekommen, erzählt Raasch. Denn die sind schnell vergriffen.
Um bei den rasend schnell wechselnden Buchvorschlägen aus dem Netz mitzukommen, gehen Buchhändlerinnen wie Raasch ungewöhnliche Wege. Sie schauen sich auf Videoportalen wie Tiktok nach den neuesten Trends um.
Dass Buchbesprechungen zu einem Ansturm auf bestimmte Titel führen, sei jedoch kein neues Phänomen, erklärt sie. „Früher kamen die Trends hauptsächlich aus Talkshows, heute von Plattformen wie Tiktok.“
Auch bei den Kinderbüchern habe sich in den vergangenen Jahren einiges geändert. „Mittlerweile wollen die älteren Kinder lieber Bücher mit weniger Text. Früher waren solche Ausgaben für Leseanfänger, heute ist das anders“, sagt Raasch. Ob Kurzversionen der Buchklassiker oder Autoren aus dem Netz in Zukunft die Spitzenplätze belegen werden, bleibt also offen. (Kim Hornickel)