Vernichtungsverbot für Retouren: Grüne informieren sich bei Amazon in Bad Hersfeld

Vor dem Hintergrund der Vernichtung von noch brauchbaren Produkten im Online-Handel war die Grünen-Spitzenpolitikerin Katrin Göring-Eckardt bei Amazon in Bad Hersfeld zu Gast.
Mit dem Vorstoß, Onlinehändlern das Vernichten von noch nutz- beziehungsweise verwertbaren Waren zu verbieten, hat die Partei Bündnis 90/Die Grünen kürzlich auf die Diskussion rund um die Zerstörung von Retouren sowie falsch etikettierter oder überschüssiger Produkte reagiert.
Bei verschiedenen Unternehmen informieren sich die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, und ihre Parteikollegen nun über die dort gängige Praxis. Am Dienstag waren sie für drei Stunden bei Amazon in Bad Hersfeld im FRA 3 an der Amazonstraße zu Gast. Bad Hersfeld ist der einzige deutsche Standort des größten und wohl bekannten Onlinehändlers mit gleich zwei Logistikzentren, das FRA 1 am Eichhof war zudem Deutschlands erstes Amazon-Logistikzentrum.
Zu dem nicht-öffentlichen Treffen samt Führung durch die Hallen war eigens auch Amazon-Deutschlandchef Ralf Kleber angereist. „In bestimmten Fällen können wir Produkte nicht weiterverkaufen oder spenden, zum Beispiel aus Sicherheits- oder Hygienegründen“, erklärte Sprecher Stephan Eichenseher die unerwünschte Vernichtung von Waren. Man arbeite aber intensiv daran, die Anzahl dieser Produkte auf null zu senken.
Für Göring-Eckardt ist klar, dass es sich lohnen muss, neuwertige Ware nicht zu vernichten, sondern sie zum Beispiel zu spenden, oder dass zumindest nicht draufgezahlt wird. „Wir wollen ein Stückchen raus der Wegwerfgesellschaft“, so die Spitzenpolitikerin. Die Gesprächsatmosphäre bei Amazon sei durchaus offen gewesen, wenngleich nicht alle Fragen beantwortet worden seien – etwa weil es sich um Betriebsgeheimnisse gehandelt habe oder auf Fremdfirmen verwiesen worden sei.
Ein von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) angekündigter Vorschlag zur Gesetzesänderung lasse noch auf sich warten. Nun sei außerdem der Bundesfinanzminister am Zug, so Göring-Eckardt mit Blick auf die Umsatzsteuer.
Wenn Unternehmen Waren spenden, kostet sie das oft Geld. Denn Sachspenden an gemeinnützige Organisationen unterliegen der Mehrwert- beziehungsweise Umsatzsteuer. Die Vernichtung von neuwertigen Waren ist deshalb oft billiger. Das sagt auch Amazon-Sprecher Stephan Eichenseher: „Die Gesetze in Deutschland geben vor, dass Unternehmen die Mehrwertsteuer auf den Wert von gespendeten Waren entrichten. Daher ist es wirtschaftlich wenig sinnvoll, Waren zu spenden.“
Göring-Eckardt: Wir wollen dran bleiben
Wenn man etwas verändern will, geht das nur gemeinsam“, sagte die Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt nach ihrem Besuch bei Amazon in Bad Hersfeld. Gleichwohl habe man auch die Position und Bedeutung der Partei deutlich machen wollen.
Mit dabei waren am Dienstag unter anderem auch Dr. Bettina Hoffmann, Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Schwalm-Eder und Sprecherin für Umweltpolitik, sowie die Landtagsabgeordnete Kaya Kinkel, die für die Wahlkreise Rotenburg und Hersfeld zuständig ist. „Unsere Fragen sind Fragen, die auch die Kunden haben“, meinte Hoffmann auch mit Blick auf Verpackungsgrößen und unnötige Transportwege. Es gelte Lösungen zu finden, um die beiden Trends Nachhaltigkeit und Online-Shopping „zusammenzubekommen“.
„Die Vernichtung von Produkten ist ein Thema in der gesamten Wertschöpfungskette vom Hersteller bis zum Händler, egal, ob online oder offline“, so Dr. Juliane Kronen, Gründerin und Geschäftsführerin von Innatura, die ebenfalls vor Ort war. Die Innatura gGmbH, mit der auch Amazon seit 2013 als Gründungspartner zusammenarbeitet, ist eigenen Angaben nach Deutschlands erste Plattform, die fabrikneue Sachspenden bedarfsgerecht vermittelt. Innatura erhält die Produkte vom Hersteller oder Händler, lagert sie und gibt sie dann weiter.
„Bei Amazon wird der überwiegende Teil der retournierten Waren – je nach Zustand – an andere Kunden oder Restpostenhändler weiterverkauft, an die Hersteller zurückgegeben oder an gemeinnützige Organisationen gespendet“, heißt es in einem Statement von Amazon. Aus steuerlichen beziehungsweise Kostengründen sei es für Unternehmen in Deutschland wirtschaftlich allerdings wenig sinnvoll, Waren zu spenden. Das betreffe auch selbstständige Verkaufspartner, die ihre Produkte direkt an Amazon-Kunden verkaufen. „Wenn Amazon eigene Produkte spendet, kommt das Unternehmen gegenüber den deutschen Steuerbehörden für die Mehrwertsteuer auf“, so Sprecher Stephan Eichenseher. Über Innatura hätten bisher mehr als 1000 soziale Organisationen Amazon-Spenden erhalten und rund 450 000 bedürftige Menschen hätten davon profitiert.
Die Grünen wollen auf jeden Fall dranbleiben und das Thema Vernichtungsverbot weiter vorantreiben. „Wir lassen nicht locker“, betonte Katrin Göring-Eckardt. (nm)