Nachtfieber: Die Tanz- und Cocktailbar „Bei Hermann“ in Bad Hersfeld vereinte Generationen

In der Serie „Nachtfieber“ erinnern wir an ehemalige Diskotheken in der Region. Heute geht es um die legendäre Tanz- und Cocktailbar „Bei Hermann“ in Bad Hersfeld.
Bad Hersfeld – Für Tanzbegeisterte in der Region war „Bei Hermann“ in Bad Hersfeld 27 Jahre lang eine Institution. Doch wenngleich dort ein Discjockey die passende Musik auflegte – als Diskothek im klassischen Sinn wollte Betreiber Hermann Burghardt seinen Gastronomiebetrieb an der Kleinen Industriestraße nicht verstanden wissen.
„Er legte immer sehr viel Wert auf die Bezeichnung Tanz- und Cocktailbar“, berichtet unser Leser Horst Sauer aus Rotenburg. Der gebürtige Bad Hersfelder erinnert sich gerne an das Tanzlokal, in dem er im Jahr 1981 seine heutige Frau kennengelernt hat. „Vor allen Dingen die große Tanzfläche hatte es mir angetan, dazu die von einem Discjockey aufgelegte und ausgesuchte Tanzmusik“, erzählt der heute 80-Jährige. Die lang gezogene Theke mit Barhockern sei Anziehungspunkt vieler Alleinstehender gewesen, während sich an den Tischen verliebte Pärchen und Ehepaare aller Altersklassen die Zeit am Abend bis spät in die Nacht vertrieben hätten.
1969 hatte Hermann Burghardt die Bar eröffnet – „in einer wilden Zeit“, wie es in einem Zeitungsbericht aus dem Jahr 1996 zur bevorstehenden Schließung heißt. Als „renommierter Barkeeper mit einem Hang zum Besonderen“ wird der Gastronom darin charakterisiert. Tatsächlich war Burghardt Aktivmitglied der deutschen Barkeeper-Union und hatte ein eigenes Getränk namens „Fly United“ kreiert. Seine Profession spiegelte sich auch in der Getränkeauswahl wider: „66 verschiedene Cocktails, 98 Whiskys, 21 verschiedene Sorten Rum, neun Weinbrände, 13 Cognacs, 41 Liköre und 40 Schnäpse bot er neben Bier, Wein, Champagner, Sekt und Limo an“, heißt es im Abschiedsartikel der Hersfelder Zeitung. Als höflich und zugewandt, unaufdringlich und stets stilvoll gekleidet mit längs gestreiften Weste, schwarzer Hose und „unvermeidlicher Fliege“ wird der Gastronom in den damaligen Berichten beschrieben.

„Hermann Burghardts Arbeitsgebiet war natürlich hinter der Theke. Dort wurden von ihm vorzügliche Getränke mit den besten Spirituosen gemixt“, blickt Horst Sauer zurück.

Abgesehen von der Dekoration hat sich das an einen irischen Pub angelehnte Ambiente des Tanzlokals im Laufe seines 27-jährigen Bestehens kaum verändert. „Bei Hermann“ war mal mehr, mal weniger angesagt, hatte aber immer sein festes Stammpublikum – und vereinte offenbar wie keine andere Bar in der Region die Generationen. 50-Jährige gehörten ebenso wie 18-Jährige zu den Gästen, die Musikauswahl reichte von Abba bis ACDC.
In Erinnerung geblieben sind vielen Gästen die legendären Lumpenbälle zum Karneval, bei denen es ebenso hoch hergegangen sein soll, wie zu Hermanns Veranstaltungen anlässlich des Lullusfests.

Sein Tanzlokal hätte Hermann Burghardt gerne bis zur Rente geführt, heißt es im Abschiedsbericht der Hersfelder Zeitung. Dieser Wunsch blieb jedoch unerfüllt: „Im Januar 1995 überflutete die Fulda das Bad Hersfelder Industriegebiet. Das Anwesen mit Bar und Tanzraum stand einen Meter unter Wasser. Von dieser Katastrophe hat sich Hermann aufgrund der hohen Sachschäden nicht mehr erholen können“, verdeutlicht Horst Sauer. Am 15. Juni 1996 öffnete der Gastronom deshalb letztmals, um sich von seinen Gästen, Freunden und Bekannten zu verabschieden. Beim anschließenden Räumungsverkauf wurde am 21. und 22. Juni 1996 das Inventar unters Volk gebracht – mancher Stammgast nutzte die Gelegenheit, sich sein persönliches Erinnerungsstück an eine Institution der Bad Hersfelder Gastronomiekultur zu sichern.

Im August 2019 ist Hermann Burghardt im Alter von 78 Jahren verstorben. Die Erinnerung an den passionierten Barkeeper und seine Tanz- und Cocktailbar aber bleibt bei vielen Stammgästen und Tanzbegeisterten lebendig.