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Streit um Steinbruch in Bebra: Ortsvorsteher äußern scharfe Kritik an Politik

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Von: Clemens Herwig

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Unser Foto zeigt von links die Ortsvorsteher Gudrun Gundlach (Imshausen), Richard Berge (Asmushausen) und Jens Mohr (Braunhausen) vor den geschlossenen Toren des seit vielen Jahren ruhenden Steinbruchs der Firma Beisheim bei Gilfershausen.
Geht es nach ihnen bleiben die Tore des Kalksteinbruchs geschlossen. Unser Foto zeigt von links Gudrun Gundlach (Imshausen), Richard Berge (Asmushausen) und Braunhausens Ortsvorsteher Jens Mohr. Auch Gilfershausens stellvertretende Ortsvorsteherin Erika Becker unterstützt die Kritik. © Clemens Herwig

Bebras Politik hat den Weg für eine Erweiterung eines umstrittenen Steinbruchs frei gemacht. Für die Ortsvorsteher ist die Botschaft klar: Schotter ist wichtiger als Menschen.

Bebra – Die Diskussion um die geplante Erweiterung des Kalksteinbruchs bei Gilfershausen geht in die nächste Runde: Auch die Ortsvorsteher aus Braunhausen, Gilfershausen, Imshausen und Asmushausen unterstützen nun das angestrebte Bürgerbegehren der BI „Lange Hecke – Steinbruch Nein Danke“. Sie bezweifeln unter anderem, ob der Schotter aus dem seit Jahrzehnten ruhenden Bruch so dringend gebraucht wird, wie es die Bebraer Firma Beisheim darstellt, die ihn erweitern will.

„Wir fühlen uns ignoriert“, sagt Jens Mohr aus Braunhausen. „Dabei sprechen wir nicht als Einzelpersonen, sondern als verlängertes Sprachrohr der Dörfer und ihrer Einwohner.“ Die Beiräte der betroffenen Ortsteile hatten sich vor der Entscheidung im Parlament gegen die Erweiterung ausgesprochen. „Aus mehreren Fraktionen haben wir dann die Rückmeldung bekommen: Wir stimmen nicht gegen die Ortsbeiräte“, sagt Asmushausens Ortsvorsteher Richard Berge.

Ortsvorsteher: Abgelehnte Bürgerversammlung ist eine verpasste Chance

Viele Parlamentarier hatten bei der entscheidenden Sitzung betont, die Sorgen aus den Dörfern ernst zu nehmen. Mit einem Änderungsantrag wurden etwa die jährliche Abbaumenge reduziert sowie die Betriebszeiten für die Lkw festgeschrieben. Die Entscheidung fiel mit großer Mehrheit (31 Ja-Stimmen, vier Gegenstimmen) für eine Erweiterung.

Seit Jahren nicht in Betrieb: Der Steinbruch oberhalb von Braunhausen – auf dem Foto direkt über dem leuchtenden Baum im Vordergrund zu sehen – soll erheblich erweitert werden
Seit Jahren nicht in Betrieb: Der Steinbruch oberhalb von Braunhausen – auf dem Foto direkt über dem leuchtenden Baum im Vordergrund zu sehen – soll auf 21,3 Hektar Abbaufläche erweitert werden. © Silke Schäfer-Marg

Die Ortsbeiräte hätten wiederholt eine Bürgerversammlung gefordert, „auch um ein größeres Publikum zu erreichen und alle Einwohner zu informieren“, sagt Imshausens Ortsvorsteherin Gudrun Gundlach. Das sei abgelehnt worden – aus Sicht der Dorfsprecher eine verpasste Chance. Die Argumentation, eine Bürgerversammlung in Corona-Zeiten sei schwierig, wollen sie nicht gelten lassen. Auch die Ortsbeiräte hätten unter Zeitdruck und Corona-Bedingungen ihre Linie zum Steinbruch abstimmen müssen. Die Parlamentarier hatten ihre Entscheidung auch damit begründet, für das Wohl der Gesamtstadt abzuwägen. „Woher wollen die wissen, wie das restliche Bebra abstimmen würde? Die sind ja nie gefragt worden“, kritisiert Berge.

„Das Vertrauen in die Stadtverordnetenversammlung hat gelitten“

Bei Parlamentsentscheidungen haben die Ortsbeiräte lediglich eine beratende Funktion – das wissen auch die Ortsvorsteher. Von einem „Aushebeln der Demokratie“, wie es die Bürgerinitiative nennt, wollen sie daher nicht reden. Das Vertrauen in das Parlament habe dennoch gelitten: Es sei nun die Frage, wie eine Zusammenarbeit in Zukunft aussehen soll. Beschlüsse gegen das Votum der Ortsbeiräte und der gesamte Stil im Steinbruchstreit würden Ehrenamtler abschrecken, sich zu engagieren. Beim Einkaufen begegne er seit Ausbruch des Streits auch Leuten, „die eine geballte Faust in der Tasche haben“, sagt Mohr. „Da stellt sich die Frage: Warum tut man sich das an?“

Die Stadtverordnetenversammlung Bebra stimmt bei ihrer Sitzung im Lokschuppen für die Kalksteinbruch-Erweiterung bei Gilfershausen. 80 Beisheim-Mitarbeiter sind als Zuschauer dabei, viele müssen vor dem Gebäude warten.
Die Stadtverordnetenversammlung Bebra macht bei ihrer Sitzung im Juli im Lokschuppen den Weg für die Kalksteinbruch-Erweiterung bei Gilfershausen frei. 80 Beisheim-Mitarbeiter sind als Zuschauer dabei, viele müssen vor dem Gebäude warten. © Clemens Herwig

Die Ortsvorsteher ärgert auch, dass die Erweiterung als unvermeidbar dargestellt wird. „Ich bin das Märchen leid, dass der Schotter ohne den Steinbruch aus Thüringen herangekarrt werden muss“, sagt Jens Mohr. Zwischen Eschwege und Bad Hersfeld gebe es ein gutes Dutzend Brüche – etwa in Schwarzenhasel und Heinebach. „Nicht nur die Firma Beisheim hat Steinbrüche“, sagt Richard Berge.

Auch der Antrag der CDU, eine direkte Verbindung vom Steinbruch zur B 27 im Genehmigungsverfahren „wohlwollend“ prüfen zu lassen, wird kritisiert. „Es wurde ganz klar gesagt, dass diese Zufahrt kaum realisierbar ist“, sagt Richard Berge. „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt – im März 2021 sind Wahlen.“ Die Botschaft der Abstimmung, wie sie bei den Ortsvorstehern ankommt: „Schotter ist wichtiger als die Ortschaften und die Menschen, die dort leben.“ Das oft bemühte Totschlagargument des Sankt-Florian-Prinzips ließe sich auch umdrehen: „Die Entscheidung fällt leichter, wenn man so weit weg wohnt wie viele Parlamentarier“, sagt Jens Mohr.

Viele Parlamentarier wollen die Kritik so nicht stehen lassen

Hat sich Bebras Politik für Schotter und gegen seine Ortsteile und die dort lebenden Menschen entschieden? Viele Fraktionen im Parlament wollen diesen Vorwurf nicht stehen lassen – betonen aber auch, dass ein Bürgerbegehren legitim sei.

„Wir haben uns für einen Kompromiss entschieden. Es ist die Frage, ob ein Konsens überhaupt auf der Liste der Steinbruchgegner steht“, sagt Stefan Krug, Sprecher von Gemeinsam für Bebra. „Wir sind sehr offen mit der Entscheidungsfindung umgegangen und haben den Spagat zwischen den Interessen eines regionalen Unternehmers und den betroffenen Ortsteilen gesucht.“ Die Nachteile wie erhöhter Lkw-Verkehr seien nicht wegzudiskutieren – dass Schotter gebraucht werde allerdings auch nicht. Bei einem Ortstermin im Steinbruch in Schwarzenhasel sei der Eindruck entstanden, dass „die Belastung zumutbar ist. Parlament und Ortsteilvertreter seien nicht immer einer Meinung: „Wir müssen aber trotz dieser Entscheidung zusammenarbeiten können.“

Stadtverordnete, Ortsvorsteher, Ortsbeiräte und Magistratsmitglieder aus Bebra stehen bei einer Informationsveranstaltung vor einer Grobstücksiebmaschine im Kalksteinbruch der Firma Beisheim im Rotenburger Ortsteil Schwarzenhasel.
Infoveranstaltung an der Grobstücksiebmaschine: Die Anlage im Kalksteinbruch im Rotenburger Ortsteil Schwarzenhasel sortiert das abgebaute Rohmaterial. Auf unserem Foto informiert sich Bebras Politik über die Abläufe im Steinbruch. © Clemens Herwig

Die Freie Wählergemeinschaft sei bei der ersten Abstimmung, die mit einem erneuten Verweis in die Ausschüsse endete, das „Zünglein an der Waage gewesen“, sagt Fraktionsvorsitzender Steffen Ehlert. „Das ging uns zu schnell und wir wollten der BI und den Ortsbeiräten etwas Vorbereitungszeit geben.“ Eine Zusage, nicht gegen das Votum der Ortsbeiräte zu stimmen, habe es aber nie gegeben. „Wir haben nur zugesagt, dass wir den Steinbruch nicht einfach so durchwinken.“ Gerade weil die Freien Wähler gegen das Votum stimmten, habe es „schwere Diskussionen“ innerhalb der Fraktion gegeben. Allerdings habe sich die Firma Beisheim sehr viel bewegt. „Die Bürgerversammlung nicht zu machen, war taktisch unklug“, kritisiert auch Ehlert, „allein um zu verhindern, dass die Wogen so hochschlagen wie jetzt.“ Die Ortsbeiräte seien gerade zu Beginn der Diskussion nicht ausreichend eingebunden worden – das habe zu verhärteten Fronten und Frustration geführt.

SPD: Haben nicht die Fundamentalopposition versprochen

„Wir haben die Argumente der Ortsbeiräte immer berücksichtigt“, sagt SPD-Fraktionschef Gerhard Schneider-Rose. „Man kann die Bedenken allerdings auch unterschiedlich einschätzen.“ Das erhöhte Lkw-Aufkommen sei zweifelsfrei eine Belastung. „Je länger die Wege zum nächsten Steinbruch sind, desto mehr Menschen sind vom Lkw-Verkehr betroffen.“ In den Gesprächen mit den Vertretern der betroffenen Ortsteile habe die SPD deutlich gemacht, „dass sie nicht die Fundamentalopposition verspricht. Da wurden die Gesichter dann schnell böse“. Dass die Ortsbeiräte das Vertrauen in die Stadtverordneten verloren haben, löst bei Schneider-Rose „das Gefühl von Nachtreten aus und zeugt von Unverständnis dafür, dass die Stadtverordneten für Gesamt-Bebra entscheiden.“ Keine Abstimmung sei in den vergangenen Jahren so intensiv vorbereitet worden, wie die über die Steinbrucherweiterung.

Er habe Verständnis für die Ortsvorsteher und -Beiräte, die auf ihr Dorf gucken, sagt CDU-Fraktionschef Thorsten Strippel. „Das ist ihre Aufgabe.“ Aber: „Wir haben niemandem etwas vorgegaukelt, unsere Linie war klar erkennbar.“ Das Parlament müsse das Wohl aller im Auge behalten, auch eines heimischen Betriebs mit 100 Arbeitsplätzen. Die CDU-Fraktion habe die B 27-Anbindung mit ihrem Antrag als ganzjährige Zufahrt im Spiel halten wollen. „Die Genehmigungsbehörde muss dann beurteilen, was höher wiegt: der Naturschutz oder die Entlastung der Menschen.“ Beim Thema Ehrenamt säßen Stadtverordnete und Ortsbeiräte in einem Boot: „Auch wir stecken viel Arbeit und Freizeit in eine solche Entscheidung – und werden im Zweifel dafür kritisiert.“

„Ich kann die Enttäuschung völlig verstehen“, sagt Heiko Idziaszczyk, Fraktionsvorsitzender von FDP und Bürgerforum Bebra. Er sitzt im Asmushäuser Ortsbeirat und stimmte als einer von vier Stadtverordneten gegen die Erweiterung. „Wenn fünf Ortsteile abstimmen und fünf Ortsteile stimmen dagegen, kann ich mich als Parlament nicht darüber hinwegsetzen“, sagt Idziaszczyk. Das Theater um den Steinbruch sei eine Belastung für Bebra. „Es ist kein Krieg, aber in den betroffenen Ortsteilen hat es einen Knacks gegeben.“

Unternehmen Beisheim: Steinbruch in Braunhausen wird gebraucht

„Der Steinbruch in Braunhausen wird gebraucht“, sagt Beisheim-Geschäftsführer Marcus Weber auf Anfrage unserer Zeitung. Um vergleichbare Gesteinsqualität zu bekommen, müsste andernfalls durchaus bis nach Vacha und Etterwinden in Thüringen gefahren werden. „Durch den Transport kostet jede Tonne dann Minimum drei bis vier Euro mehr“, so Weber.

Beisheim sei die einzige Firma im Altkreis Rotenburg, die zertifizierten Frostschutz – eine Schotterschicht hoher Güte für den Straßenbau – herstellt. Der Kalkstein im derzeit ruhenden Bruch in Braunhausen sei von externen Laboren untersucht und für geeignet befunden worden. In den Steinbrüchen bei Solz, Nentershausen und Iba laufe dagegen derzeit die Rekultivierung und es finde kein Abbau mehr statt.

Werfen der Bürgerinitiative vor, Stimmung zu machen: Frank Theune (von links), Geschäftsführer Marcus Weber und Killian Sauerwein von der Firma Beisheim, hier vor einem Kettenbagger, der im Steinbruch zum Einsatz kommen soll.
Für vergleichbare Gesteinsqualität müssten Lkw aus Thüringen kommen: Laut Frank Theune (von links), Geschäftsführer Marcus Weber und Killian Sauerwein von der Firma Beisheim braucht Bebra die Kalksteinbruch-Erweiterung. © Sebastian Schaffner

Der Steinbruch im Rotenburger Ortsteil Schwarzenhasel reiche noch für fünf bis zehn Jahre – „aber auch nicht in den Mengen wie bisher“, sagt Weber. Braunhausen sei daher der Ersatzstandort, der Bebra kurzfristig versorgen müsse. Bleibe die Erweiterung aus, ginge das zulasten von Schwarzenhasel.

Und zulasten des Bebraer Unternehmens: Sinkende Abbaumengen bedeuteten auch weniger Schotterfahrten, letztendlich seien wohl nicht nur Beisheim-Personal, sondern auch der Vertrieb und damit weitere Unternehmen aus dem Kreis betroffen. „Ich habe es einfach satt“, sagt Weber. „Ich möchte nicht ständig im Gespräch sein, mich rechtfertigen und Schaden von meiner Firma abwenden müssen.“

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