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Plattenspieler statt Livemusik: DJ-Pioniere der „Thunder Beats“ erinnern sich an Anfänge der Disko-Ära

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Von: Jan-Christoph Eisenberg

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Erinnern sich an ihre Jahre als Disko-Pioniere: (von links) Walter Katzwedel, Eckard Zoll und Detlef Daschke
Erinnern sich an ihre Jahre als Disko-Pioniere: (von links) Walter Katzwedel, Eckard Zoll und Detlef Daschke. © Jan-Christoph Eisenberg

Erst waren sie unter dem Namen „Thunder Beats“ als Band unterwegs, dann legten sie Platten in den Tanztempeln der Region auf.

Röhrigshof – Es ist ein Wiedersehen am Ort des Geschehens: Die heutige Gaststätte „eXtra“ in der alten Molkerei in Röhrigshof war einst die Glastanzdiele Lotz – einer der Orte, an dem Walter Katzwedel und Detlef Daschke regelmäßig Platten aufgelegt haben.

Die beiden gebürtigen Röhrigshofer, die sich zwischenzeitlich aus den Augen verloren hatten, zählen zu den Disko-Pionieren der Region. Eckard Zoll, der wohl dienstälteste noch aktive DJ im Kreis, hat beide wieder zusammengebracht, um – inspiriert von der Serie Nachtfieber unserer Zeitung – gemeinsam auf die Anfänge der Disko-Ära zurückzublicken.

1966 oder 1967 muss es gewesen sein – festlegen wollen sich die DJ-Urgesteine nach dieser langen Zeit nicht. Tanzlokale gab es freilich schon vorher – allerdings wurde dort meist live musiziert. Auch Detlef Daschke und Walter Katzwedel haben gemeinsam mit Günther Zimmermann und Hartwig (Ben) Eibert sowie Walter Möller und Günter Heurich, die bereits verstorben sind, in der Tanzband „The Thunder Beats“ gespielt.

Erst mit, dann ohne Instrumente: „Thunder Beats“ aus dem Werratal wurden Ende der 1960er Jahre von der Live-Band zum ersten Discoteam der Region und legten in zahlreichen Diskotheken auf.
Erst mit, dann ohne Instrumente: „Thunder Beats“ aus dem Werratal wurden Ende der 1960er Jahre von der Live-Band zum ersten Discoteam der Region und legten in zahlreichen Diskotheken auf. ©  Walter Katzwedel

Im damaligen Zonenrandgebiet seien Auftrittsmöglichkeiten jedoch rar gesät gewesen, erinnert sich der 71-jährige Walter Katzwedel. Nicht jeder Gastwirt habe zudem eine ganze Kapelle bezahlen können oder wollen. Die rettende Idee: Musik aus der Konserve. Aus der Band wurde kurzerhand das gleichnamige Disco-Team, ein Teil der vorhandenen Beschallungstechnik bildete dafür den Grundstock.

Erst mit, dann ohne Instrumente: „Thunder Beats“ aus dem Werratal wurden Ende der 1960er Jahre von der Live-Band zum ersten Discoteam der Region und legten in zahlreichen Diskotheken auf.
Aus der Live-Band wurde ein Disco-Team. © Walter Katzwedel

Erster Auftrittsort war der Saal der Gaststätte Dänner im Philippsthaler Tiefenkeller, der unter dem Namen „Laramie“ zur Diskothek geworden war. „Innerhalb weniger Monate haben zahlreiche weitere eröffnet“, erinnert sich Detlef Daschke.

Neben dem Laramie – von Hans Petri als „Big Eden“ weitergeführt – zählten das Grüne Meer in Ronshausen, die Grotte in Heringen und die Gaststätte Lotz in Röhrigshof zu den Tanztempeln, in denen die Werrataler zwischen Freitagabend und Sonntagnachmittag auflegten. Hinzu kamen Einsätze als mobiles Discoteam. Mit der Manpower als ehemalige Band waren die Thunder Beats in der Lage, bis zu sechs Veranstaltungen zeitgleich zu bestreiten. Dann mussten allerdings die Schallplatten nach der Hälfte des Abends per Auto zwischen den Auftrittsorten ausgetauscht werden. Wer wann wo auflegte, wurde donnerstags in der alten Gaststätte Rhönblick an der Philippsthaler Schillerstraße besprochen.

„Jeder Titel wurde an- und abmoderiert“, blickt Walter Katzwedel zurück. Bei den DJs war deshalb eine trainierte Stimme gefragt, denn die Beschallungstechnik sei damals längst nicht ausgereift gewesen, ergänzt Eckhard Zoll. Der heute 67-Jährige war 1972 bei dem Discoteam eingestiegen und hat die Wege zu seinen ersten Auftritten noch mit Plattenkiste und Technik auf dem Moped zurückgelegt. Das Equipment war überwiegend Marke Eigenbau. „Jedes Röhrenradio wurde ausgeschlachtet“, erzählt der gelernte Radio- und Fernsehtechniker.

Um musikalisch auf dem aktuellen Stand zu sein, nahmen DJs teils weite Wege auf sich. Zwar gab es in der Kreisstadt vier Plattenläden, für angesagte Scheiben ist Detlef Daschke aber auch bis nach Kassel gefahren. „Bei Schnee und Eis mit meiner Honda“, erinnert sich der 72-Jährige lachend. Oder die neuesten Hits wurden aus dem Radio mitgeschnitten.

Jeder DJ und jede Rubrik hatten eine eigene Erkennungsmelodie – etwa die Hitparade mit Verlosung, bei der es Schallplatten oder Flüssiges zu gewinnen gab. Die Discjockeys mussten beim Trinken hingegen Disziplin üben: „Vom DJ-Pult haben wir entstehende Tumulte als erstes gesehen und mussten schnell reagieren: Musik aus, Licht an“, verdeutlicht Eckhard Zoll. Los ging es schon um 19 oder 20 Uhr. „Da standen die Leute vor der Tür schon Schlange“, erklärt Walter Katzwedel. Um 1 Uhr war meist Schluss.

Eckhard Zoll stieg 1974 bei den Thunder Beats aus, stand aber noch bis 1989 regelmäßig im Ausbacher Red Apple an den Plattentellern und wird bis heute für Veranstaltungen wie Oldie-Discosoder die Après-Ski-Party der Brillenschmiede gebucht. Walter Katzwedel und Detlef Daschke haben dem DJ-Pult Ende der 1970er Jahre aus familiären und beruflichen Gründen den Rücken gekehrt. An die Pionierzeit der Tanztempel in der Region denken alle drei aber gerne zurück. (Jan-Christoph Eisenberg)

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