Steinbruch-Erweiterung bei Gilfershausen: Bebraer Parlament macht weg frei

Die Stadtverordnetenversammlung in Bebra hat mit großer Mehrheit den Weg für eine Erweiterung des Kalksteinbruchs bei Gilfershausen frei gemacht.
Mit 31 Ja-Stimmen bei vier Gegenstimmen sprachen sich die Stadtverordneten für den geplanten regionalen Steinbruch aus und räumten der Bebraer Firma Beisheim Wegenutzungsrecht für eine Zufahrt und den Flächenankauf im Abbaugebiet ein. Voraussetzung ist eine positive Genehmigung für die Erweiterung im angestrebten Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz beim Regierungspräsidium (RP) Kassel. Wie angekündigt stellten SPD und CDU weitere Bedingungen. Beide Anträge fanden im Parlament Zustimmung. Die Ergänzung der Sozialdemokraten (32 Ja-Stimmen, zwei Nein-Stimmen, eine Enthaltung):
- Die tägliche Abbaumenge wird durch die Zahl der Maschinen im Bruch beschränkt (maximal 100 000 Tonnen pro Jahr).
- Die Betriebszeiten im Steinbruch und für die Lkw auf den Zufahrtswegen werden begrenzt: wochentags 6 bis 18, samstags 6 bis 14 Uhr.
- Die Lastwagen nutzen die im Verfahren noch festzulegende Zufahrt zum Steinbruch und keine Schleichwege durch die Ortsteile.
- Investor Beisheim trägt die Kosten für eine Verlegung oder Wiederherstellung des Quincunx-Wanderweges.
Ebenfalls beschlossen wurde ein Antrag der CDU (17 Ja-Stimmen, jeweils neun Enthaltungen und Gegenstimmen): Das Parlament spricht sich für eine direkte Anbindung der Steinbruch-Zufahrt an die Bundesstraße 27 aus. Die Genehmigungsbehörde soll diese Möglichkeit wohlwollend prüfen. Bedenken äußerte die SPD: Eine von Beisheim vorgestellte Streckenführung, die unterhalb von Asmushausen auf die B 27 führt, gilt auch aus Naturschutzgründen als unwahrscheinlich. „Wir wollen keine falschen Hoffnungen wecken“, so Stefanie Koch. Die CDU will aber zumindest die Chance erhalten, im Suchraum um den Steinbruch fündig zu werden.
Beisheim-Geschäftsführer Marcus Weber ist über die Entscheidung erleichtert: „Das ist gut für die Stadt und die nähere Umgebung. Die Rohstoffversorgung ist gesichert.“ Der Beschluss sei auch eine Existenzsicherung für die Firma und ihre 100 Mitarbeiter. In der kommenden Woche soll Kontakt mit der Genehmigungsbehörde aufgenommen werden, um zu klären, welche Gutachten für den Antrag noch benötigt werden. Das Verfahren starte offiziell mit Abschluss der Vollständigkeitsprüfung – der Erfahrung nach in etwa zwei bis drei Monaten, so Planer Heinrich Wacker.
80 Beisheim-Mitarbeiter im Publikum
Die Sitzung hat noch nicht begonnen, und Stadtverordnetenvorsteher Herbert Börner hat bereits ein Problem: Der Platz reicht nicht. Wegen Corona wird nicht im Rathaussaal, sondern im größeren Lokschuppen getagt, und trotzdem kommen auf die 60 gestellten Stühle mehr als doppelt so viele Besucher. Daher auch Börners Problem: Wie die Corona-Regeln einhalten und trotzdem die Öffentlichkeit nicht ausschließen? Es kommt zum ersten Kompromiss des Abends: Viele Zuschauer – die meisten von ihnen tragen den Schriftzug der Firma Beisheim auf ihrer Kleidung – warten draußen. Bei der entscheidenden Sitzung wollen rund 80 Beisheim-Mitarbeiter zeigen: Wir gehören auch zu Bebra. Laut Geschäftsführer Marcus Weber kommt die Initiative aus der Belegschaft selbst.

Die Bürgerinitiative „Lange Hecke – Steinbruch Nein Danke“ spricht später von einer „bedrohlichen Präsenz“. Flagge zeigen während einer Sitzung, etwa mit Plakaten, ist verboten – die Firma Beisheim habe aber „mit einheitlichen T-Shits ihre Macht demonstrieren dürfen“. Verboten ist im Besucherraum übrigens auch das Klatschen: Trotzdem gibt es nach einigen Redebeiträgen Applaus – von Steinbruchgegnern wie Steinbruchbefürwortern.
Genehmigung erteilt das RP, nicht die Stadt
Die Parlamentarier nehmen sich mehr als eine Stunde Zeit, um ihr „Ja, wenn...“ zu begründen. Vieles, was gesagt wird, war zu erwarten: „Wir nehmen die Bedenken aus den Ortsteilen ernst“, heißt es mehrfach. Fünf Ortsbeiräte hatten sich gegen die Erweiterung ausgesprochen. Betont wird auch, dass nicht die Stadtverordnetenversammlung, sondern das RP Kassel darüber entscheidet, ob der große Steinbruch kommt. Im Zuge des Genehmigungsverfahrens würden sämtliche Bedenken noch einmal berücksichtigt.
Das Parlament, auch das wird deutlich, habe im Sinne der gesamten Stadt zu entscheiden. Darunter falle der Schotterbedarf, sagt Timo Schröder (CDU). Bebra benötige bis zu 70 000 Tonnen jährlich – die ohne Steinbruch mit Mehrkosten und höherer Belastung für die Umwelt etwa aus Thüringen herangeschafft werden müssten.
„Befürchtungen aus den Ortsteilen aufgenommen“
Und dazu gehöre auch die Verantwortung für Arbeitsplätze, Steuereinnamen und die Unterstützung ortsansässiger Betriebe, sagt Gerhard Schneider-Rose. „Die Belastung durch den Lkw-Verkehr lässt sich nicht wegdiskutieren“, räumt der SPD-Chef ein. Sie ließe sich aber abmildern. „Wir meinen, dass wir mit unseren Ergänzungen einen großen Teil der Befürchtungen aus den Ortsteilen aufgenommen haben.“ Das Sankt-Florian-Prinzip („Verschon’ mein Haus, zünd’ and‘re an“) könne nicht die Richtschnur politischen Handelns sein, sagt Stefanie Koch (SPD).

Der Kompromiss zwischen Befürwortern und „Totalverweigerern“ sei der nun geplante regionale Steinbruch, der in erster Linie den Baumaterialbedarf in einem Umkreis von rund 35 Kilometern deckt, so Stefan Krug. „Diese Entscheidung ist für mich nicht nur die schwierigste und emotionalste, sondern auch die weitreichendste“, sagt der Gemeinsam-Politiker mit Blick auf seine über neun Jahre im Bebraer Parlament.
Scharfe Kritik an Bürgerinitiative
Für eine Überraschung sorgt der scharfe Angriff von CDU-Fraktionsvize Friedhelm Claus, selbst Ortsvorsteher in Solz, auf die Bürgerinitiative: „Wer sich so daneben benimmt, hat in meinen Augen sein Recht darauf verwirkt, für alle Betroffenen zu sprechen“, urteilt Claus. Die BI habe versucht, Missgunst in der Gemeinschaft und Misstrauen gegenüber einer alteingesessenen Firma zu säen, Stadtverordnete aufzuhetzen und Andersdenkende zu diffamieren. „Einige haben in den letzten Wochen permanent die Keule geschwungen und andere mussten immer wieder Schläge in die Magengrube hinnehmen.“ Auch Stefanie Koch kritisiert, dass Falschmeldungen eine sachliche Diskussion erschwert hätten. Stefan Krug spricht von „Horrorszenarien“.
Als einziger Redner gegen die Erweiterung spricht Lothar Knoth: „Ein Filetstück der Natur soll geopfert und zerstört werden“, sagt der Sozialdemokrat. Die Belastung für die Ortsteile und deren Votum dürften nicht ignoriert werden.
Das sagt die Bürgerinitiative
„Bebra hat voreilig die Gestaltungsspielräume aus der Hand gegeben und die Verantwortung an die Behörden im Regierungspräsidium abgegeben“, heißt es in einer Stellungnahme der Bürgerinitiative gegen die Erweiterung. Die Entscheidung sei gegen die warnenden Stimmen aus den betroffenen Dörfern getroffen und der demokratische Prozess ausgehöhlt worden. „Hier wurden Unternehmer- und Tantiemeinteressen vor den Bürgerwillen gestellt. Wir werden fair und offen weitere Schritte überdenken.“ Die BI hatte bereits im Vorfeld der Abstimmung mit einem Bürgerbegehren gedroht. Friedhelm Claus (CDU) sei mit seiner „Diffamierung der BI“ deutlich über das Ziel hinausgeschossen. „So darf sich ein stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher nicht äußern.“ Ein Gesprächsangebot mit der BI habe die CDU zurückgewiesen