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Erwin Willing hat über Menschen im Dienste Napoleons geschrieben

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Autor Erwin Willing vor seinem Geburtshaus, der ehemaligen Dorfschule von Meckbach.
Autor Erwin Willing vor seinem Geburtshaus, der ehemaligen Dorfschule von Meckbach. © Friedhelm Eyert

Erwin Willing schreibt gerne über historische Themen, die er in Ludwigsau ansiedelt und in eine spannende Romanhandlung verpackt. Sein neuestes Werk hat den Titel „Unter fremder Flagge“.

Meckbach – Büchern über bedeutende geschichtliche Entwicklungen haftet allzu oft etwas rein Chronologisches an. Der Autor und gebürtige Meckbacher Lehrersohn Erwin Willing schafft es hingegen immer wieder, der Gefahr einer rein historischen Abhandlung zu entgehen und Figuren durch den konkreten Bezug zur erweiterten Region Leben einzuhauchen.

In seinem neuesten Werk „Unter fremder Flagge“ erzählt Willing die Geschichte von Menschen aus seiner alten Heimat, die am Anfang des 19. Jahrhunderts in den Strudel der menschenverachtenden napoleonischen Kriege gerissen wurden. Der Handlungsrahmen erstreckt sich von 1806 über zweieinhalb Jahrzehnte bis zum Jahr 1831, wobei die Zeit bis 1814 den weitaus größten Teil des Buches ausmacht.

Der Autor, ehemaliger Oberst der Luftwaffe und Starfighter-Pilot schildert in seinem „historischen Roman“ das Leben und Sterben insbesondere junger Menschen. Er taucht in seinem eigenen, nie langweiligen Stil ein in die Geschichte der Zwangsrekrutierungen, Märsche und Schlachten, ohne sich dabei in historischen Fakten zu verlieren.

Seine Protagonisten werden nicht nur als Landbevölkerung, Adel oder Soldaten bezeichnet, sondern heißen Änne, Peter, Henner, Hannes, Ludwig oder Ferdinand. Sie sind nie Statisten der Handlung, sondern werden höchst lebendig mit all ihren Stärken und Schwächen geschildert.

Sie leben, lieben, arbeiten. Sie heiraten, werden Eltern, müssen Haus und Hof verlassen, marschieren unter übelsten Bedingungen zumeist gen Moskau, leiden fürchterlichste Schmerzen unter schwärenden Wunden und sterben in Eis, Schnee und Matsch.

Die Handlung spielt sich nicht etwa in abstrakten Dörfern und Städten ab, sondern konkret in der Region.

So taucht immer wieder Hersfeld, die Garnisonsstadt mit dem Siechenhaus und der leckeren Gastronomie auf. Als Sidekick wird die Rettung der Stadt durch den Oberst-Leutnant Johann Baptist Georg Fidelius Lingg vor dem vollständigen Niederbrennen geschildert.

Nicht wörtlich genannt, aber deutlich erkennbar wird auf dem Weg nach Homberg der Besengrund. Blankenheim, Cornberg, Gerstungen und Nentershausen werden erwähnt. Ein großer Teil der eher ärmlichen Schicksale von Änne, Henner, Peter und Hannes spielen sich in den fiktiven Orten Ober- und Unterthalbach ab, in denen Leser deutliche Parallelen zu den noch heute existierenden „Obers und Unters“ der Region erkennen können. Ebenso weisen die verwendeten Nachnamen wie „Frey“ oder „Wenzel“ auf die insbesondere in Meckbach oder Mecklar verbreitete Familien hin.

Bei Willing sind es stets einzelne Charaktere, sind es Menschen mit Namen, die sich in erbärmlichen Lumpen bei klirrendem Frost Gliedmaßen erfrieren, unter massenhaftem Läusebefall leiden und denen mit einem Beißholz zwischen den fauligen Zähnen ohne Narkose Gliedmaßen abgesägt werden.

So manche zwischenmenschliche Beziehung endet mit einer glücklichen Heimkehr, nicht wenige Schicksale enden mit dem Tod ohne Grabstätte unter zuvor unvorstellbaren Schmerzen.

Der Autor will an keiner einzigen Stelle moralisieren. Entstanden ist ein Anti-Kriegsroman mit zeitlosem Bezug, der veranschaulicht, was unberechenbare Diktatoren anrichten, wenn man sie gewähren lässt. Ein aktuelles Deja-vu-Erlebnis stellt der derzeitige Ukraine-Krieg dar.

In seinem neuesten Werk zeigt sich einmal mehr die deutliche Feder des überzeugten Antifaschisten Erwin Willing, die durch alle seine Werke zieht. (Friedhelm Eyert)

Im Buchhandel und online erhältlich

Das Buch mit dem Titel „Unter fremder Flagge“ kann sowohl im örtlichen als auch im Online-Buchhandel bezogen werden. Es ist beim Dienstleister Epubli GmbH in Berlin im Umfang von 262 Seiten zum Preis von zwölf Euro erschienen und auch als E-Book für 4,99 Euro verfügbar. Es ist auch direkt beim Autor erhältlich. Interessenten wenden sich bitte an Erwin Willing, Muskatellerstraße 8, 86179 Augsburg, Email: gewilling@web.de. 

Zur Person

Erwin Willing, geboren 1936, aufgewachsen in Meckbach als Sohn des Dorflehrers. Nach dem Abitur Eintritt in die Luftwaffe. Ausbildung zum Militärpiloten in den Vereinigten Staaten. Starfighter-Pilot. 1983 auf eigenen Wunsch als Oberst vorzeitig ausgeschieden. Studium der Psychologie, Sozial- und Erziehungswissenschaften. Bis 2006 Referent in Seminaren für Betriebsräte. Erwin Willing ist seit 1962 verheiratet und hat drei Kinder. Er lebt in Augsburg. Nach seinen eher biografischen Werken „Von einem, der auszog, das Fliegen zu lernen“ sowie „Vergöttert und verteufelt“ folgte 2016 seiner Hommage an den Ort seiner Kindheit „Dinner un Blücks sinner“ für Aufsehen. 2018 folgte mit dem Buch „Als die Schule noch im Dorf war“, gefolgt von der „Spurensuche“ über die Geschichte des Altkreises Rotenburg. 2020 erschien sein Werk „Es war nicht immer alles gut in der guten alten Zeit“. (ft)

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