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Nachtfieber: Die Diskothek Arena in Lengers und ihr Betreiber „Beatle-Bone“ genießen noch immer Kultstatus

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Von: Jan-Christoph Eisenberg

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Stand oft selbst am Plattenteller: Norbert Heinz, hier verkleidet bei einer Faschings-Disko.
Stand oft selbst am Plattenteller: Norbert Heinz, hier verkleidet bei einer Faschings-Disko. © Privat

In der neuen Serie „Nachtfieber“ erinnern wir an ehemalige Diskotheken in der Region. Den Auftakt machen die Arena in Lengers und ihr Betreiber Norbert „Beatle-Bone“ Heinz.

Lengers – Der letzte Öffnungstag liegt fast 40 Jahre zurück und große Teile des Gebäudes an der Lengerser Kirchstraße wurden längst abgerissen. Dennoch: Bei vielen Menschen im Werratal und weit darüber hinaus genießt die Diskothek Arena noch immer Kultstatus – ebenso wie ihr Betreiber und Discjockey Norbert „Beatle-Bone“ Heinz.

Um den unkonventionellen Gastronomen und sein Tanzlokal ranken sich unzählige Legenden – mit seinen Anekdoten und Erinnerungen könnte der heute 74-Jährige ganze Bücher füllen. Seinen an einen Romantitel angelehnten Spitznamen verdankt der gebürtige Heringer seiner damals schlaksigen Statur und der langen Wuschelmähne. Nach der Ausbildung zum Blechschlosser war er zur See gefahren und hatte dabei in der finnischen Hafenstadt Hamina seine spätere Ehefrau Maire kennengelernt.

Erinnerungen: Rund neun Jahre lang gab es die Lengerser Arena. Rechts im Bild die Frau des Betreibers.
Längst Geschichte: Die Lengerser Diskothek Arena genießt bei vielen Menschen im Werratal Kult-Status.  © Privat

Nach der Rückkehr ins Werratal pachtete das Paar die Gaststätte Römerrad in Lengers. „Wir hatten einen großen Bekanntenkreis und haben es mit den Öffnungszeiten nicht so genau genommen“, erzählt Heinz, der heute in Finnland lebt, am Telefon. Dass viele junge Leute vor und nach dem Diskobesuch aus den umliegenden Orten in seiner Kneipe einkehrten, brachte den findigen Wirt auf die Idee für das eigene Tanzlokal. Der benachbarte alten Tanzsaal wurde ebenfalls gepachtet und mit Hilfe von Freunden und Bekannten hergerichtet.

Eines der Markenzeichen: Samstags wurde in der Arena Livemusik gespielt.
Eines der Markenzeichen: Samstags wurde in der Arena Livemusik gespielt. © Privat

Zur Lengerser Kirmes 1975 feierte die „Arena“ getaufte Disko Premiere. Kurz darauf sorgte „Beatle-Bone“ mit zwölf Tagen Non-Stop-Party für Aufsehen. „Nur zwei Stunden war zum Essen und Duschen geschlossen. Morgens kam die Nachtschicht aus den Kaliwerken und um 8 Uhr die Heimboldshäuser Berufsschüler, bis sich irgendwann der Rektor beschwerte, erinnert sich Norbert Heinz.

Dreimal pro Woche, mittwochs, freitags und samstags, öffnete die Arena anfangs. Die Musik legte Beatle-Bone meist selbst auf. Das Tanzlokal lief so gut, dass der Gastronom sich 1976 eine mehrwöchige Auszeit gönnte. Ein Fehler, wie er bald feststellen musste, denn in der Zwischenzeit hatten sich die Gäste in andere Diskos umorientiert.

Der Betreiber: Norbert „Beatle-Bone“ Heinz.
Der Betreiber: Norbert „Beatle-Bone“ Heinz. © Privat

Um wieder Publikum anzulocken, änderte Norbert Heinz das Konzept: Ein befreundeter Discjockey legte progressive Musik auf und samstagabends gab es Live-Auftritte. Ein Manager vermittelte ihm dazu, meist zum kleinen Preis, kurzfristig freigewordene Künstler und Gruppen – darunter bekannte Interpreten wie die britischen Bands und Sänger Eruption („I can’t stand the rain“), Jonny Wakelin („In Zaire“) The Troggs („Wild Thing“), Casey Jones („Don’t Ha Ha“) und Screaming Lord Sutch („Jack the ripper“). Jon Symon sei als Ein-Mann-Kapelle Rasputin Stammgast gewesen. „Der war bestimmt 20 Mal da, hat quasi zur Arena gehört“, erinnert sich Norbert Heinz. Auch Hypnotiseure, Zauberer, Messer- sowie Axtwerfer und Schlangentänzer traten auf. Eine Oben-Ohne-Damenband sowie Frauen-Catchen standen ebenfalls dem Programm.

Während andere Diskos mit Anwohner-Beschwerden zu kämpfen hatten, nahmen die Nachbarn in dem Heringer Stadtteil das wilde Treiben mitten im Ortskern offenbar gelassen. „Da ziehe ich noch meinen Hut vor den Lengersern“, betont der 74-Jährige. Lediglich ein angekündigter Oben-Ohne-Auftritt sei einem örtlichen Mandatsträger dann doch zu progressiv erschienen und er habe sich beim Bürgermeister beschwert. „Derjenige war dann aber der Erste, der eine Eintrittskarte gekauft hat“, erzählt Norbert Heinz schmunzelnd.

Erinnerungen: Rund neun Jahre lang gab es die Lengerser Arena. Rechts im Bild die Frau des Betreibers.
Erinnerungen: Rund neun Jahre lang gab es die Lengerser Arena. Rechts im Bild die Frau des Betreibers. © Privat

Vieles habe er damals lockerer gehandhabt als andere – Ärger habe es dennoch kaum gegeben. Allerdings: Dass zur progressiven Musik „nicht nur Bier konsumiert wurde“, wie der frühere Wirt es ausdrückt, wäre der Arena fast zum Verhängnis geworden: Ein Bekannter beim Zoll habe ihm eine drohende Drogen-Razzia und Schließung gesteckt. Kurz darauf überwarf Norbert Heinz sich mit seinem DJ, mit dessen Publikum auch das Geld für die großen Live-Shows fehlte.

Mehr als einmal gelang es dem einfallsreichen Gastronomen, sich und seine Arena neu zu erfinden: „Als Mittwoch und Samstag ganz flau waren, kam ich auf den Donnerstag.“ Und als ein Philippsthaler Wirt seine Disko freitags aus Lärmschutzgründen schon um 23 Uhr schließen musste, öffnete Norbert Heinz zu eben dieser Uhrzeit die Arena, wo dann bis in die Morgenstunden weiter gefeiert wurde.

Am Rande eines Boxkampfes in München wäre es dem Heringer nach eigenem Bekunden beinahe gelungen, Cassius Clay zu verpflichten. Das sei letztlich aber an den Kosten für den Inlandflug für den Schwergewichtsboxer von München nach Kassel gescheitert. Denn Clay habe nicht die komplette Strecke mit Auto fahren wollen. Auf der Heimfahrt vom Boxkampf kam Norbert Heinz die Idee, donnerstags selbst in den Ring zu steigen. „Da kommen bestimmt viele, die sehen wollen, wie der Beatle-Bone was auf die Fresse kriegt“, erklärt er seine Überlegung, die anfangs auch aufgegangen sei: „Ich bin gegen Leute aus dem Werratal, aus Fulda und Bebra, auch Hobbyboxer und amerikanische Soldaten aus Hersfeld, angetreten. Es wurden aber immer weniger und ich habe nicht auf die Fresse bekommen“.

Irgendwann hatte Heinz zudem den Sonntagnachmittag als Öffnungstag entdeckt. „Das war jahrelang der Renner“, erzählt er – bis eine neue Großdiskothek am Philippsthaler Ortsrand zeitgleich das Publikum lockte.

Parallel zur Arena führte Norbert Heinz erst das Römerrad, zwischenzeitlich auch die Gaststätte Lotz in Röhrigshof und zuletzt das Ransbacher „Schiffchen“. „Ich habe mich etwas verzettelt“, räumt er ein. Geborener Geschäftsmann sei er ohnehin nicht gewesen: „Für mich stand nie das Geld im Vordergrund. Ich habe lieber mit Party gemacht. Die meisten Gäste waren für mich Kumpels“.

Leben seit 1984 in Finnland: Norbert Heinz und seine Frau Maire.
Leben seit 1984 in Finnland: Norbert Heinz und seine Frau Maire. © Picasa

Seiner Frau wurde alles irgendwann zu bunt. Sie wollte zurück nach Finnland. Norbert Heinz blieb fünf Monate, um den Betrieb abzuwickeln, und kam im Juni 1984 nach. In der neuen Heimat ließen ihn Nachtleben und Gastronomie jedoch nicht los: Das Paar führte ab 1985 vier Jahre lang die Diskothek Maximilan’s in der Hafenstadt Vaasa. Norbert Heinz war kurz Teilhaber eines Striptease-Lokals, baute dann ein Feuerschiff zum Restaurant um, ehe er bis zum Ruhestand mit seiner eigenen Firma in ganz Europa Blockhäuser errichtete.

Dass sich die Lengerser Arena trotz der nicht stabilsten Bausubstanz und geradezu primitiver Toiletten fast zehn Jahre gehalten hat, verwundere ihn aus heutiger Sicht selbst. An die „wilde und verrückte Zeit“ denkt er aber gerne zurück – wie auch viele Menschen im Werratal, bei denen Beatle-Bone und seine Disko noch immer Kultstatus genießen. (Jan-Christoph Eisenberg)

An welche Diskothek erinnern Sie sich? 

Sie haben die Jugend ganzer Generationen geprägt und manches Paar zusammengeführt: In unserer Region lockten einst zahlreiche Diskotheken das Partyvolk. Die meisten davon existieren längst nicht mehr. In unserer neuen Serie „Nachtfieber“ erinnern wir an die ehemaligen Tanztempel.

In welcher Diskothek haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, am liebsten gefeiert? Welche Erinnerungen und Anekdoten verbinden Sie mit den ehemaligen Tanzlokalen der Region? Haben Sie womöglich noch Fotos aus dieser Zeit? Schreiben Sie uns gerne per E-Mail an redaktion@hersfelder-zeitung.de oder rotenburg@hna.de. 

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