Und sie zeigt ihren politischen Gegnern die Zähne: „Es ist eine demokratische Selbstverständlichkeit, aus dem Amt heraus zu kandidieren“, sagt sie, als der minutenlange Applaus verklungen ist. Ihre männlichen Mitbewerber seien offenbar sehr nervös, sonst würden sie dieses Thema nicht so in den Vordergrund stellen. Sie wolle klar und deutlich sein, deshalb sage sie schon jetzt, dass sie nur als Ministerpräsidentin nach Hessen zurückkehren werde. „Oppositionsführerin war ich schon“. Dann skizziert sie ihre Vision für Hessen: Bildungsgerechtigkeit, Chancengleichheit, die gleichen Lebensbedingungen für Menschen in der Stadt und auf dem Land. Das kommt gut an in Friedewald. So viel Begeisterung herrschte im Rittersaal zuletzt, als Martin Schulz dort als SPD-Kanzlerkandidat auftrat. Aber daran will sich an diesem Abend in Friedewald keiner erinnern.
Es herrscht Aufbruchstimmung, auch bei den heimischen Sozialdemokraten. Landrat Torsten Warnecke nennt den Auftritt von Nancy Faeser sehr überzeugend. Wer mit der Doppelrolle als Innenministerin und Kandidatin ein Problem hat, „darf dann auch selber nicht aus einem Amt heraus kandidieren“, sagt Warnecke – ein Seitenhieb auf die Grünen in Hessen. Der Zusammenhalt der SPD in Friedewald habe ihn überzeugt, sagt Dirk Noll, der Erste Kreisbeigeordnete. Auch er hat keine Bedenken, dass die Doppelbelastung für Faeser schädlich sein werde.
Sebastian Münscher, der SPD-Fraktionsvorsitzende in Rotenburg, ist von Nancy Faesers Kompetenz überzeugt. Sie habe lange gute Arbeit in Hessen und auch jetzt als Bundesinnenministerin gemacht. „Ich würde mich freuen, wenn die Wählerinnen und Wähler in Hessen das genauso sehen“, sagt Münscher.
Friedewalds Bürgermeister Julian Kempka freut sich immer, wenn in seiner Gemeinde viel los ist. „Ich bin überzeugt davon, dass Nancy Faeser ihre Aufgabe gut machen wird und wir bald wieder eine SPD-Regierung in Hessen haben werden“, sagt der Bürgermeister. Die SPD-Landtagsabgeordnete Karina Fissmann aus Ringgau im Werra-Meißner-Kreis ist begeistert von der Geschlossenheit, die ihre Partei in Friedewald gezeigt habe. „So eine gute Stimmung wie hier, habe ich schon lange nicht mehr erlebt“, sagt sie. In der Doppelbelastung sieht auch Karina Fissmann kein Problem.
Ähnlich sieht es Tanja Hartdegen, SPD-Landtagsabgeordnete aus Schenklengsfeld: „Nancy Faeser war sehr kraftvoll, ausdrucksstark und hat ihre Positionen ganz deutlich gemacht“, sagt sie. Im Übrigen kandidiere doch auch der CDU-Kandidat Ministerpräsident Boris Rhein aus einem gewichtigen Amt heraus. „Von ihm verlangt ja auch keiner, sein Amt niederzulegen, nur weil jetzt Wahlkampf ist“.