Biber-Dämme werden in Obersuhl zum Problem

Die Hochwassergefahr bei Starkregen steigt durch die Biberbauwerke im Obersuhler Bachlauf.
Wildeck – „In und um Wildeck haben sich mehrere Biberfamilien angesiedelt. Durch die Biberdämme kommt es zu Rückstauproblemen in den Entwässerungsanlagen. Es ist Gefahr in Verzug!“ Darauf weist der Wildecker Bürgermeister Alexander Wirth hin.
Die seit einigen Jahren zu beobachtende rege Bautätigkeit von Bibern insbesondere am und im durch Obersuhl plätschernden Suhlbach treibt dem Wildecker Bürgermeister Alexander Wirth und seinem Bauamtsleiter Wilfried Kleinerüschkamp zunehmend die Schweißperlen auf die Stirn. „Mittlerweile gibt es allein im Obersuhler Bereich fünf, sechs Biberdämme“, sagt Wirth. Auch der Bauamtsleiter ist in großer Sorge. „Diese Dämme sorgen schon jetzt, also im derzeitigen Trockenwetterfall, dafür, dass ein Teil der Uferrandlagen und zum Teil auch Rohre zu Regenüberlauf- und Rückhaltebecken teilweise oder ganz unter Wasser stehen. Sollte Starkregen einsetzen, besteht die erhebliche Gefahr, dass Keller von Wohngebäuden in der Nähe des Baches, aber auch die Pumpstation der Kläranlage und die Keller des Bürgerhauses und des Hallenbades geflutet werden. Ergebnis wäre ein Schaden in Millionenhöhe.“

Den Suhlbach, der in Obersuhl fast ohne Gefälle vom Naturschutzgebiet Rhäden durch die Ortslage in Richtung Landesgrenze Thüringen fließt, haben die Biber als „Baugebiet“ für sich entdeckt. Sie fällen Bäume, um daraus Dämme zu bauen und den Wasserspiegel in einigen Fällen um fast einen Meter zu erhöhen. Hintergrund ist die Lebensweise der streng geschützten Tiere. Sie wollen trocken in ihrer Biberburg wohnen, brauchen aber einen genügend hohen Wasserspiegel, um den unter Wasser angelegten Eingang zu errichten. So schützen sie sich und vor allem ihren Nachwuchs vor Feinden. Eine Tätigkeit, für die Kleinerüschkamp sogar Respekt empfindet. „Keiner baut so gute, stabile Naturdämme wie ein Biber.“
Andererseits aber ist er aus den schon genannten Gründen sehr besorgt über die Auswirkungen dieser Bauwerke. Und nicht nur er. „Schon jetzt befinden sich beispielsweise die Drainage und die Regenüberläufe des Hallenbades nur wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche des Suhlbachs.“ Ausgerechnet in diesem Bereich hat der Biber zwei Dämme gebaut. „Bei weiteren Anstauungen führt das zu Überschwemmungen des Kellers des Hallenbades, in dem sich die komplette Technik versteckt“, schrieb der Bürgermeister in seiner Funktion als Gefahrenabwehrbehörde in einem Brief vom 9. November 2022 an die Obere Naturschutzbehörde in Kassel. An anderer Stelle sei der Suhlbach bereits über seine Ufer getreten und habe die umliegenden Wiesen und Wege geflutet. Der zwischenzeitliche Einbau von Röhren in einige Dämme brachte nicht den gewünschten Erfolg. „Der in der unmittelbaren Nähe befindliche Campingplatz mit Elektroinstallationen ist massiv gefährdet, ebenso die Zufahrtsstraße zum Rhäden und die dortigen Angelteiche.“ Deshalb müssten die Biberdämme „zumindest im Bereich der Ortslage bis hinter die Angelteiche sofort zurückgebaut werden und dürfen in Zukunft auch nicht mehr zugelassen werden“.
Diese Forderungen aus Wildeck stießen bei Naturschützern auf keine Gegenliebe, sorgten jedoch für einen gemeinsamen Vor-Ort-Termin von Sachverständigen aus der Oberen und Unteren Naturschutzbehörde sowie des Bibermanagements im Regierungspräsidium mit den Vertretern der Gemeinde. In dieser Woche flatterte Post ins Wildecker Rathaus, verfasst vom Fachdienst Ländlicher Raum des Landratsamtes Bad Hersfeld, Sachgebiet Naturschutz. Mit aus Sicht der Gemeinde zunächst einigen erfreulichen Nachrichten.
Der Biberdamm am Bürgerhaus könne in zwei Etappen um fünfzig Zentimeter zurückgebaut werden. Bei den Dämmen am Auweg und im Bereich Bruch wurde dem Abtrag von jeweils zwanzig Zentimetern zugestimmt. „Das mindert das Problem, löst es aber nicht“, so Bürgermeister Wirth. Und die anderen Dämme bleiben unberührt. Nicht zuletzt stelle sich die Frage: Wer soll das Ganze bezahlen?
Von der Unteren Naturschutzbehörde kam am Donnerstag die Info im Wildecker Rathaus an, dass die Gemeindeverwaltung in Kürze eine schriftliche Genehmigung entsprechend der vom Fachdienst Ländlicher Raum bereits schriftlich mitgeteilten Rückbaumaßnahmen bekomme, sofern die Wildecker den Ausführungen nicht widersprächen. „Aufgrund des nur schrittweise zugestimmten Abtrags am Damm Bürgerhaus/Lindenstraße entstehen uns erhebliche Mehrkosten durch zweimalige Anfahrt und den Einsatz von Spezialfahrzeugen an diesen Engstellen“, reagierte Bauamtsleiter Kleinerüschkamp auf diese Ankündigung. „Bisher hat die Obere Naturschutzbehörde jegliche Kostenbeteiligung an Dämmen innerhalb der Ortslage abgelehnt und verweist auf die allgemeine Gewässer-Unterhaltungspflicht der Kommunen. Die Gemeinden sollte man mit den Kosten aber nicht alleine lassen. Wenn Artenschutz eine allgemeine Aufgabe ist, dann müssten die Kosten auch durch die Allgemeinheit getragen werden.“
Das sagt die Fachbehörde
Die anderen Gemeinden im Landkreis Hersfeld-Rotenburg haben mit der Biber-Ansiedlung nicht so schwerwiegende Probleme wie die Obersuhler. Wegen des geringen Gefälles des Suhlbachs und der langen Fließstrecke durch den Ort ist die Wildecker Problematik eine besondere, heißt es aus der Unteren Naturschutzbehörde. Im Rohrbachtal gebe es imposante vom Biber geschaffene Wasserlandschaften im Naturschutzgebiet. Auch in Lispenhausen wurde ein großer Biberdamm entdeckt. Der befindet sich im jedoch im Außenbereich. (Thomas Klemm)
Der Biber und sein Bau sind streng geschützt
Die Biberbauten bestehen aus Wohnbauten und Biberdamm, teils ins ufernahe Erdreich gegraben, teils aus herbeigeschlepptem Baumaterial errichtet: lose (abgenagte) Äste, Zweige, Steine, Schlamm und durch den Biber gefällte Bäume bis zu einem Stammdurchmesser von 80 Zentimeter. Der Dammbau eines Bibers wird mit senkrecht in das Flussbett gesteckten Ästen und Zweigen begonnen. Weitere Gehölze werden verflochten und mit Schlamm, Steinen und Pflanzenresten vom Gewässergrund verstärkt. Der Biber schiebt dabei tauchend Schlamm gegen den Fuß des Dammes. Der Damm wird ständig kontrolliert und ausgebessert.
Es kann als Straftat geahndet werden, Biberbauten zu zerstören. Denn der Biber ist als Art der Anhänge II und IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie streng geschützt. Nach Paragraph 44 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz ist es verboten, streng geschützte Arten zu stören, zu verletzen oder zu töten sowie deren Fortpflanzungs- oder Ruhestätten zu beschädigen. Der europäische Biber unterliegt in Deutschland nicht dem Jagdrecht nach dem Bundesjagdgesetz. (tek)