Die Umweltverbände haben „grundsätzliche Bedenken gegen diesen riesigen Flächenverbrauch“ im Auen- und Überschwemmungsbereich der Fulda unweit des Industriegebiets West, heißt es in einer Pressemitteilung. „Alle Planungen widersprechen ausdrücklich dem vom Kreistag beschlossenen Integrierten Klimaschutzprogramm.“ Das Projekt reihe sich nahtlos in den „Logistikwahn im Landkreis Hersfeld-Rotenburg“ ein, versiegele wertvolle Flächen und sei aus rechtlichen Gründen und Gemeinwohlinteressen nicht genehmigungsfähig.
Bebras Stadtparlament – das eine Grundsatzentscheidung fällen soll und auf Bitten des Investors damit bis voraussichtlich September wartet – wird gebeten, gegen eine wohlwollende Begleitung des Projekts durch die Stadt zu stimmen „und damit dem Spuk von vorneherein ein Ende zu setzen“.
Das Unternehmen aus Heddesheim (Baden-Württemberg) hatte Interesse an mehr als 20 Hektar und damit einer Fläche von über 28 Fußballfeldern an der Georg-Ohm-Straße bekundet. Die überwiegend landwirtschaftlichen Flächen des sogenannten „Kuhrasens“ liegen teilweise in einem Überschwemmungsgebiet sowie Landschaftsschutzgebiet. Nur ein Fünftel ist derzeit als Gewerbe- und Industriegebiet vorgesehen. Ein Bebauungsplan müsste erstellt und der Flächennutzungsplan geändert werden. Entstehen könnte dann ein sogenannter MultiCube mit Fotovoltaik-Anlagen. Genutzt werden soll auch ein Industriestammgleis, um eingehenden Warentransport auf die Schiene zu verlegen. Die Umweltverbände vermuten dahinter allerdings lediglich eine „kosmetische Aufwertung des Projekts“.
Durch den Eingriff in den Überschwemmungsbereich der Fulda würden stattdessen die erfolgreichen Hochwasserschutzmaßnahmen der vergangenen Jahre konterkariert, kritisieren die Umweltschützer.
Mit der Halle werde das Fuldatal in diesem Bereich um 600 Meter eingeengt. Die Konsequenzen hätten die Kommunen im Oberlauf der Fulda zu tragen. „Mir scheint, dass die Planer aus den jüngsten Hochwasserkatastrophen und Überschwemmungen im Ahrtal nichts gelernt haben“, so der Ludwigsauer Jörg Althoff vom BUND-Kreisvorstand.
Insbesondere die Stadt Bebra habe in den vergangenen Jahrzehnten große Teile der natürlichen Überschwemmungsbereiche der Fulda-Aue durch Gewerbe- und Industriegebiete vernichtet. Die Planungen für eine nicht mehr zeitgemäße Umgehungsstraße B 83 Lispenhausen sowie eine dritte überflüssige Fuldabrücke der Stadt Rotenburg verschärften die Situation noch weiter.
Auch ein Vogelschutzgebiet als wichtiger Rastplatz der Tiere sprícht aus Sicht der Umweltschützer gegen das Projekt.
Die Bedeutung der Fulda-Aue und des Kuhrasens für den Vogelschutz unterstreicht auch Arno Werner vom bundesweit anerkannten Verband Naturschutzinitiative. In den vergangenen zehn Jahren hat der Vogelkundler drei Wetterextreme im März und April registriert, die Tausende von Zugvögeln zu einer „Notlandung“ in dem Gebiet bei Bebra gezwungen hätten, um auf bessere Bedingungen für den Weiterflug zu warten. An einigen dieser Tage seien auf dem Kuhrasen Ansammlungen von 1000 Feldlerchen, 800 Kiebitzen und Bluthänflingen, 750 Saatkrähen, 370 Kranichen sowie 230 Lachmöwen und 100 Wiesenpiepern sowie 40 Individuen des extrem seltenen Goldregenpfeifers gezählt worden.
Nicht nur der Kuhrasen, sondern auch dessen Umfeld haben eine hohe Bedeutung für das EU-Vogelschutzgebiet Fuldatal, so Werner. Die bisherige Liste beinhalte bereits 52 Vogelarten, die auf verschiedenen Gefährdungslisten stehen. Für zehn Arten habe Hessen sogar eine besondere Verantwortung, weil diese global bedroht sind oder 50 Prozent des Weltbestandes in Europa konzentriert ist. Das treffe etwa auf den Rotmilan zu, der in der Fulda-Aue ein bevorzugtes Nahrungsrevier habe. Der Grünspecht brüte sogar dort.
Seit 20 Jahren stehe die Fulda-Aue im Mittelpunkt von ornithologischen Kartierungen, um Informationen zu den dort lebenden Brut- und Rastvögeln zu erhalten. Intensiv könne das nur durch vor Ort lebende ehrenamtliche Naturschützer erfolgen: „Beauftragte Gutachter sind dazu nicht in der Lage, das könnte keiner bezahlen“, sagt Arno Werner.
Das Gebiet für das sogenannte Monitoring erstreckt sich von den Kiesgruben in Bebras Süden bis nach Lispenhausen im Norden. Das Vorkommen von Vogelarten wird durch den Gesang der Tiere und Beobachtungen festgestellt.
Die Erfassung der Brutvögel erfolgt in der Regel von Anfang März bis Ende Juli nach einem allgemeingültigen Methodenstandard des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA). Rastvögel werden das ganze Jahr über beobachtet. Für möglichst genaue Angaben werden die Vögel nicht nur vor Ort gezählt, sondern auch Fotografien der Tiere am Computer mithilfe eines Gitterrasters ausgewertet.
Laut Arno Werner sind in der Fulda-Aue und besonders in der Flur Kuhrasen in den zurückliegenden Jahren bereits die meisten Feldvögel wie Braunkehlchen, Wiesenpieper und Kiebitz durch intensive Landwirtschaft und „ständigen Landfraß“ verschwunden. Die verbleibenden wie die Wiesenschafsstelze und die Feldlerche gelte es zu retten. „Da steht der Zeiger schon auf 12“, sagt Naturschützer Werner. (Clemens Herwig)