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Meiwes-Anwalt nach Brand in Rotenburger Kannibalen-Haus: „Es ist verachtenswert“

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Von: Christopher Ziermann

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In Wüstenfeld brennt am Montag das Haus des „Kannibalen von Rotenburg“. Ein Interview mit Harald Ermel, dem Anwalt von Armin Meiwes. 

Wüstefeld – Nachdem das Haus des „Kannibalen von Rotenburg“ in Wüstefeld (Rotenburg an der Fulda) am Montagmorgen, 17. April, abgebrannt ist, stellt sich die Frage, was aus der Brandruine wird. Darüber haben wir mit dem Rotenburger Rechtsanwalt Harald Ermel, der Armin Meiwes seit den großen Prozessen vor 20 Jahren und auch nun nach dem Brand vertritt, gesprochen.

Armin Meiwes
Armin Meiwes © DPA

Herr Ermel, das Anwesen von Armin Meiwes liegt in Schutt und Asche. Wie geht es nun weiter?

Das habe ich mit Herrn Meiwes noch nicht ausführlich besprochen. Ich habe ihn am Montagnachmittag genau über die Brandnacht informiert. Er macht sich nun Gedanken. Eins ist aber sicher: Das Haus kann auf keinen Fall von ihm selbst wieder aufgebaut werden, auch die Brandreste beseitigen kann er nicht. Dazu fehlen ihm die Mittel.

Rotenburgs Bürgermeister Christian Grunwald möchte nicht, dass auf dem Grundstück eine Brandruine zurückbleibt, die weiter „Gruseltouristen“ anzieht. Muss die Stadt also selbst Geld der Bürger in die Hand nehmen?

Wir werden mit der Stadt gemeinsam nach einer Lösung suchen. Falls die Stadt bereit wäre, sich finanziell zu beteiligen, wäre das natürlich eine große Hilfe.

Es dürfte bei vielen für Entrüstung sorgen, wenn die Spuren des „Kannibalen von Rotenburg“ mit städtischem Geld beseitigt werden müssten. Könnten Sie diesen Unmut verstehen?

Durchaus, das wäre im Sinne der Gleichbehandlung aller Bürger auch nachvollziehbar.

Am Tag nach dem Brand ist nur noch Schutt und Asche übrig.
Am Tag nach dem Brand ist nur noch Schutt und Asche übrig. © Christopher Ziermann

Nach Brand von Rotenburger Kannibalen-Haus: Weder Haus noch Auto wurden bis heute verkauft

Was ist mit der Möglichkeit, die Beseitigung der Ruine in private Hände zu geben? Angeblich gab es schon Kaufanfragen für das Auto, das noch auf dem Grundstück steht. Wie ist es mit dem Grundstück selbst?

Das Gerücht zum Auto habe ich auch gehört, bei mir hat sich allerdings niemand gemeldet. Für das Grundstück gab es seit Montag keine ernst zu nehmenden Angebote. Davor gab es aber immer mal Interessenten. Bislang ist man sich beim Haus ebenso wie bei dem Auto nie über einen Preis einig geworden.

Bei einem Verkauf könnte es auch passieren, dass es in Hände gerät, die die Geschichte des Ortes wieder aufleben lassen wollen statt einen Schlussstrich zu ziehen, oder?

Ich kann ausschließen, dass er an solche Personen verkaufen würde. Er ist nicht an einer Vermarktung in diese Richtung interessiert, er lehnt auch den Kontakt mit diesen Menschen ab. Herr Meiwes identifiziert sich nicht mit diesen Menschen und ist nicht stolz auf seine Tat.

Während des Prozesses vor 20 Jahren mangelte es ihm an Unrechtsbewusstsein. Hat sich seine Einstellung mittlerweile verändert?

Etwas Derartiges würde er nie wieder tun – davon ist er weg, sagt er.

War die Vorstellung, dass er das Gebäude nach einer möglichen Entlassung als Ferienhaus nutzen wollte, realistisch?

Er kannte den desolaten Zustand nicht. Nein, das wäre wohl nicht mehr möglich gewesen. Herr Meiwes hat das Haus zuletzt vor etwas über zehn Jahren bei einer Ausführung gesehen. Den Verlust des Gebäudes an sich hat er nun auch relativ gefasst aufgenommen – da hat in den vergangenen Jahren eine Entwöhnung und Entkopplung stattgefunden. Was ihn besonders schmerzt, ist der Verlust persönlicher Dinge, die noch im Haus waren. Mobiliar zum Beispiel. Das gilt auch für persönliche Erinnerungsstücke – wobei wir nicht wissen, was überhaupt noch da war angesichts der zahlreichen Diebstähle in den vergangenen Jahren.

„Mit dem Haus ist ihm praktisch alles genommen worden, was er noch hatte“, haben Sie unmittelbar nach dem Brand gesagt. Es klingt, als würden Sie um Mitleid für einen verurteilten Mörder werben.

Jeder Mensch hat eine Würde. Jeder hat einen Anspruch darauf, dass das, was ihm gehört, geachtet wird. Ja, es verdient Mitleid, wenn einem Menschen auf diese Weise mitgespielt wird. Auf einen, der am Boden ist, schlägt man nicht mehr ein. Er ist in Haft und kann sich nicht wehren und um sein Eigentum kümmern. Es ist verachtenswert, dass dies von Plünderern und Gruseltouristen ausgenutzt wird.

Haus von Armin Meiwes in Rotenburg niedergebrannt: Kannibale bedauert Andrang bei Brand

Sind Herrn Meiwes die Auswirkungen, die die Tat durch die unzähligen Schaulustigen auf Wüstefeld hatte, bewusst?

Natürlich, das hat er sehr bedauert. Es war aber leider nicht möglich, diesen Andrang einzudämmen.

Eine Versicherung gegen Brandschäden ist bei Eigentümern von Gebäuden eigentlich Standard. Warum hatte Herr Meiwes keine?

Eine Brandschutzversicherung ist in Deutschland schon länger nicht mehr verpflichtend und Herr Meiwes hätte sie gar nicht bezahlen können. Es gab auch keine Grundschuld im Grundbuch und damit keinen Anspruch der Gläubiger auf eine Brandversicherung.

Bekommt er nun also eine Rechnung mit den Kosten für den Löscheinsatz?

Das ist unter Umständen möglich. Bezahlen könnte er die Rechnung aber nicht, er hat nichts.

Was passiert dann, wenn er die gestellte Rechnung nicht begleichen kann?

Es wird möglicherweise zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen. Es kann nicht Aufgabe der Anspruchsteller – Behörden – sein, einen Mitbürger, der schuldlos an diesem Brandgeschehen ist, auch das Eigentum, das ihm verblieben ist, zu nehmen. Das wäre moralisch verwerflich.

Also ist es für Herrn Meiwes auch schon aus finanziellen Gründen wichtig, dass der Verursacher des Brandes ermittelt wird?

Der Unterschied wäre wohl nicht besonders groß. Herr Meiwes müsste dann versuchen, die Kosten beim Verursacher geltend zu machen – und häufig können solche Brandstifter nicht zahlen. Die Kosten würden also auch dann wohl weiter an ihm hängen bleiben.

Haben Sie eine Idee, wer den Brand gelegt haben könnte?

Ich kann nur mit Sicherheit sagen, dass es Brandstiftung gewesen sein muss. Der Strom ist seit Jahren abgeschaltet, es gab kein Gewitter, keine Möglichkeit der Selbstentzündung nach jahrzehntelangem Leerstand.

Glauben Sie, dass der Verursacher gefunden wird?

Das halte ich für wenig wahrscheinlich.

Kannibale Armin Meiwes aus Rotenburg: „Ich bin nicht käuflich“

Sie betonen, dass Herr Meiwes kein Geld hat. Sein Fall wird bis heute in vielfältiger Weise von Kunst und Medien aufgegriffen – verdient Ihr Mandant am großen Interesse an ihm wirklich nicht?

Ganz klar Nein. Ich weiß es, da ich die finanziellen Angelegenheiten für ihn bearbeitet habe, bis heute. Er hat 2003 seine Geschichte an den Stern verkauft. Dabei ist natürlich eine gewisse Summe geflossen. 2007 ist das Buch „Interview mit einem Kannibalen“ von Günter Stampf erschienen – auch dadurch ist ein bisschen Geld hereingekommen. Beides ist schon sehr lange her und in beiden Fällen wurde das Geld für Verbindlichkeiten verwendet, die Herr Meiwes schon vor der Tat hatte. Die Veröffentlichung des Films „Rohtenburg“ wollte er auch schon damals verhindern, obwohl das Filmstudio bereit war, viel Geld dafür zu bezahlen, dass er seine Klage zurückzieht. Er hat gesagt: „Ich bin nicht käuflich.“

Die Möglichkeit, zum Beispiel mit Interviews Geld zu verdienen, hätte Armin Meiwes aber vermutlich immer noch.

Ja, es kommen jedes Jahr Anfragen, aber die hat er alle abgelehnt. Er möchte keine Öffentlichkeit mehr. Er möchte ja irgendwann auch noch mal rauskommen und ein Leben außerhalb des Gefängnisses führen.

Wieso sitzt er eigentlich noch im Gefängnis? „Lebenslänglich“ heißt in Deutschland doch in der Regel 15 Jahre und eine besondere Schwere der Schuld wurde nicht festgestellt.

Herr Meiwes kann erst entlassen werden, wenn ein Gutachter bestätigt, dass von ihm keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit ausgeht. Bei den bisherigen zwei Anträgen auf vorzeitige Haftentlassung 2017 und 2019 sah der Gutachter das nicht als gegeben an.

Die Tat selbst war eng mit dem Tatort verknüpft – dem Haus in Wüstefeld mit eigens eingerichtetem Schlachtraum. Verbessert es seine Chancen beim Gutachter, dass der Tatort nun nicht mehr existiert?

Das ist gut vorstellbar, ja, davon gehe ich aus.

Armin Meiwes aus Rotenburg bräuchte nach Entlassung aus Knast eine neue Identität

Wie muss man sich Ihre Arbeit als Anwalt von Herrn Meiwes vorstellen, nachdem die großen Prozesse über 15 Jahre zurückliegen?

Da ging es in den vergangenen Jahren um zivilrechtliche Dinge. Zum Beispiel war ich beim Bezahlen von Schulden eingebunden und habe Herrn Meiwes informiert, wenn etwas gestohlen wurde, damit er Anzeige erstatten konnte. Unter anderem ist mal die Standuhr als Hehlerware aufgetaucht. Auch Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs wurden mal gestellt – das ist aber sehr lange her, weil dem einfach nicht Herr zu werden war. Es geht in erster Linie darum, Kontakt zu ihm zu halten, aus einem sozialen Verantwortungsgefühl heraus. Wenn ich andere Gefangene in Kassel besuche, melde ich mich auch bei Herrn Meiwes an. Die beiden Anträge auf vorzeitige Haftentlassung hat ein Berufskollege gestellt, das habe ich jeweils begleitet. Aber ohne offizielles Mandat.

Welche Perspektive hätte ein Mensch wie Armin Meiwes, der als „Kannibale von Rotenburg“ in die Zeitgeschichte eingegangen ist und seit mehr als 20 Jahren im Gefängnis sitzt, nach einer Entlassung?

Er bräuchte eine neue Identität und würde nicht in seine Heimat zurückkehren. In die Computerbranche könnte er sicher auch nicht zurückkehren – da hat sich zu viel entwickelt, Herr Meiwes ist jetzt 61 Jahre alt und hat im Gefängnis keinen Internetzugang. Er arbeitet dort nach wie vor in der Wäscherei. Was er sich wünscht, ist ein ruhiges Leben. Und er würde sich um eine bezahlte Arbeit bemühen.

(Christopher Ziermann)

Das Anwesen von Armin Meiwes in Wüstefeld war ein denkmalgeschütztes ehemaliges Herrenhaus mit über 40 Zimmern. Diese Aufnahme stammt von 2005.
Das Anwesen von Armin Meiwes in Wüstefeld war ein denkmalgeschütztes ehemaliges Herrenhaus mit über 40 Zimmern. Diese Aufnahme stammt von 2005. © Manfred Schaake

Zur Person

Harald Ermel wurde in Rotenburg geboren und machte an der Jakob-Grimm-Schule Abitur. Das Jura-Studium absolvierte er in Marburg, die Referendariatszeit am Landgericht Kassel. Mit 27 Jahren wurde er Rechtsanwalt. Er war zunächst drei Jahre angestellt, dann wurde er Partner von Wolfgang Both – mittlerweile ist sein Sozius dessen Sohn Dietrich, der für die CDU im Magistrat sitzt. Ermel hat in seiner Laufbahn bei einer zweistelligen Zahl von Tötungsdelikten den Angeklagten vertreten. In seiner Freizeit ist er als Nebenerwerbslandwirt tätig. (czi)

Die Tierschutzorganisation Peta fordert ein Penis-Denkmal am ehemaligen Haus des „Kannibalen von Rotenburg“.

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