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Fastenmonat Ramadan: Eine Frage der Willenskraft

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Von: Susanne Kanngieser

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Noch sind die Teller leer: (von links) Luqman Latif, Mubariz Mahmood Malik, Farrukh Mahmood Malik (Leiter der Herren-Organisation), Muzzafar Ahmed (Leiter der Jugend-Organisation), Walid Mahmood Malik und Ijaz Ahmed Janjua (Imam und Theologe) fasten während des Ramadan.
Noch sind die Teller leer: (von links) Luqman Latif, Mubariz Mahmood Malik, Farrukh Mahmood Malik (Leiter der Herren-Organisation), Muzzafar Ahmed (Leiter der Jugend-Organisation), Walid Mahmood Malik und Ijaz Ahmed Janjua (Imam und Theologe) fasten während des Ramadan. © Susanne Kanngieser

Der muslimische Fastenmonat Ramadan dauert in diesem Jahr vom 23. März bis zum 22. April. Von ihren Erfahrungen berichten Muslime aus Rotenburg.

Hersfeld-Rotenburg – Ihren ersten richtigen Ramadan haben die Malik-Brüder bislang sehr gut überstanden. Anfangs hatten der 19-jährige Mubariz Mahmood und der 17-jährige Walid Mahmood zwar Probleme, in den ungewohnten Schlafrhythmus zu finden. Aber mittlerweile, nach 15 Tagen, haben sie sich auch daran gewöhnt. In den Jahren zuvor haben die Brüder der Gemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat Hersfeld-Rotenburg das Fasten hin und wieder ausprobiert.

Aber in diesem Jahr bleiben sie von Anfang bis zum Ende dabei.

Der Verzicht auf Essen und Trinken ist kein Problem, versichern sie. „Durch das Fasten haben wir mehr Zeit für das Gebet und das Lesen im Koran“, ergänzt Mubariz. Für ihn und seinen Bruder beginnt der Tag etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang. Zum Frühstück isst Walid wie gewohnt vier Eier und trinkt einen Proteinshake. „Wie immer“, lacht er. Der junge Mann macht Kraftsport und musste sich beim Training etwas bremsen. Denn Sport macht ja bekannterweise durstig. Auch das sei eine Frage der Gewohnheit, sagt er.

Der Imam und Theologe der Ahmadiyya-Gemeinde Hersfeld-Rotenburg Ijaz Ahmed Janjua hat auch im Alter von 17 mit Ramadan begonnen. „Man muss die richtige Reife haben“, sagt er. Und die hat der Rotenburger Luqman Latif schon mit 15 Jahren. „Ich stärke damit meine Bindung zu Gott und wertschätze meine Religion“, erklärt er. Es sei eine Frage der Willenskraft. „Wenn ich etwas will, dann schaffe ich das auch“, betont Luqman. Trotz des Fastens wird Ramadan auch von jungen gläubigen Muslimen nicht als Quälerei, sondern als Freude empfunden, weiß Muzzafar Ahmed, Leiter der Ahmadiyya Jugend-Organisation Hersfeld-Rotenburg.

Ramadan ist „Gottes Monat“. Man fastet in Übereinstimmung mit dem Geist des Islam und teilt das Leid der Bedürftigen. „Wenn der Ramadan beginnt, öffnen sich die Tore des Himmels, schließen sich die Tore der Hölle, und die Dämonen sind gefesselt“, soll der Prophet Mohammed gesagt haben. „Ramadan ist eine Herzensangelegenheit“, weiß der 27-jährige Imam. „Man muss Liebe dafür empfinden“. Wer nicht am Ramadan teilnimmt, müsse sich nur vor Gott rechtfertigen.

Stichwort: Religiöses Fasten

Fastenzeiten kennen alle Religionen. Im Islam gibt es den kompletten Fastenmonat Ramadan, und die Regeln sind genau festgelegt: Gläubige Moslems essen und trinken nur, solange es dunkel ist. Die Fastenzeit in der katholischen Kirche geht von Aschermittwoch bis Ostern und dauert sieben Wochen (40 Tage). Bis in die 1960er-Jahre waren der Verzehr von Fleisch sowie Tanzveranstaltungen in dieser Zeit verboten, mittlerweile sind die genauen Vorschriften gelockert worden – es geht nun allgemein um Verzicht. Die Evangelische Kirche ruft zeitgleich zur freiwilligen Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“ auf, bei der es um das Aufbrechen alter Gewohnheiten geht. Die orthodoxen Kirchen kennen mehrere Fastenzeiten im Jahr, allerdings bestehen große Unterschiede in den einzelnen Kirchen. (zwk)

Die strengen Fastenzeiten würden nicht für alle Muslime gelten. Zu den Ausnahmen gehören Menschen, die körperlich dazu nicht in der Lage sind, beispielsweise Schwangere, stillende Frauen oder kranke und ältere Menschen. Jüngere Kinder müssen nicht fasten, für ältere ist es freiwillig. Auch Reisende und Soldaten im Krieg sind befreit. Sie können das Fasten nachholen. Farrukh Mahmood Malik, der die Herren-Organisation der Ahmadiyya Gemeinde Hersfeld-Rotenburg leitet, nimmt Tabletten und darf aus medizinischen Gründen nicht fasten. Dafür spendet er, zum Beispiel an Humanity First, eine Hilfsorganisation mit Sitz im Odenwald, die sich seit 1995 in Katastrophen- und Krisengebieten engagiert, Entwicklungsprojekte plant und umsetzt und mit Ärzten und medizinischer Versorgung vor Ort unterstützt.

Das tägliche Fasten beginnt, so steht es im Koran, sobald man in der Morgendämmerung einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden kann. Von Tagesanbruch bis zum Sonnenuntergang bleiben also Teller, Tassen und Gläser leer.

Muslime fasten seit Jahrhunderten und sind deshalb nicht ungesünder als alle anderen. Trotzdem kommt dieses Thema immer wieder auf. Auch bei Imam Ijaz Ahmed Janjua.

Natürlich sei Ramadan anstrengend, besonders im Sommer. 18 Stunden nichts zu essen und zu trinken und dabei den alltäglichen Verpflichtungen nachzugehen, die Arbeit und Familie mit sich bringen, sei nicht einfach. „Aber es gehört zum Sinn des Fastens, uns aus unserer Bequemlichkeit und unseren Gewohnheiten herauszureißen. Während die Nahrung im Ramadan für den Körper reduziert wird, bekommt die Seele ein Mehr an spiritueller Nahrung: Durch Gebete, das Lesen des Koran und innere Einkehr“, sagt er. Es sei eine Zeit, in der das Gleichgewicht zwischen Körper und Seele wieder hergestellt wird.

Mit dem Iftar, dem gemeinsamen Abendessen, und dem Abendgebet wird das Fasten täglich beendet – in diesem Jahr erstmals wieder ohne Einschränkungen durch Corona-Maßnahmen und zum ersten Mal in der Bait-ul-Latif Moschee Am Toberod in Rotenburg. „Jetzt können wir Ramadan in vollen Zügen genießen“, freut sich der Imam. Am 22. April findet das zweitgrößte Fest der Muslime statt, das Eid-ul-Fitr-Fest nach Ramadan. Auch das wird in der Rotenburger Moschee zelebriert. (Susanne Kanngieser)

Ramadan ist eine der fünf Säulen des muslimischen Glaubens

Der islamische Kalender wird anders berechnet als der christlich-gregorianische und richtet sich nach dem Mond. Deshalb variiert der Zeitpunkt des Fastenmonats, der in diesem Jahr in der Ahmadiyya Muslim Jamaat Gemeinde am 23. März mit Erscheinen der Neumond-Sichel begonnen hat. Da der Ramadan dem kürzeren islamischen Mondjahr folgt, wandert er jedes Jahr um zehn bis elf Tage durch das Sonnenjahr und die Jahreszeiten zurück. Er kann also im Winter wie im Hochsommer liegen. Mit dem Feiertag Eid al-Fitr geht der Fastenmonat am 22. April zu Ende. Für Musliminnen und Muslime ist das Fasten eine der fünf Säulen ihrer Religion. Das Fasten soll verdeutlichen, dass die Hingabe an Gott einen höheren Wert hat als die menschlichen Bedürfnisse. Das Wort „Fasten“ heißt im Arabischen „Saum“ – es bedeutet Herz und Seele reinigen, Platz für den Glauben schaffen und an Menschen denken, denen es nicht so gut geht. „Spenden gehört grundsätzlich zum Ramadan“, erläutert der Imam der Hersfeld-Rotenburger Ahmadiyya-Gemeinde Ijaz Ahmed Janjua. Die Spende sollte einem wohltätigen Zweck dienen. In Deutschland leben 5,6 Millionen Muslime. Fast vier Fünftel von ihnen fasten ganz oder teilweise. Das besagt eine Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aus dem Jahr 2020. (zwk)

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