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„Rhythmic Girls“ aus Rotenburg sorgten überregional für Stimmung

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Von: Susanne Kanngieser

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Premiere: Das war der erste Auftritt der Rhythmic Girls in Fulda.
Premiere: Das war der erste Auftritt der Rhythmic Girls in Fulda. © privat

„Rhythmic Girls“ traten unter anderem vor der Fritz-Walter-Fußballmannschaft auf

Rotenburg – Damenkapellen – dieses Phänomen ist der jüngeren und mittleren Generation so gut wie unbekannt. Kein Konversations- oder Musiklexikon führt diesen Begriff. Die Musikwissenschaft hat das Thema nur in vereinzelten Fällen gestreift. In Rotenburg gab es sie, die Damenkapelle. Und als Rhythmic Girls waren die Staske-Schwestern Hilde, Annemarie und Lotti zunächst in den 1950-er Jahren und auch später, als die Kinder groß waren, noch sehr gefragt und stets umworben.

Zeitzeugin Lieselotte Mücke, geborene Staske und heute 98 Jahre alt, erinnert sich gerne an die Zeit mit ihren Schwestern, den Anfängen der legendären Gruppe, ihren umjubelten Auftritten und ihren gefeierten Erfolgen.

Das musikalische Gen ist dem Trio in die Wiege gelegt worden. Vater Heinrich Staske und seine Frau stammten aus Schlesien. Beide waren am Gleiwitzer Theater engagiert. 1913 kamen sie nach Rotenburg. Als Stadtkapellmeister spielte er in der Fuldastadt bei offiziellen Anlässen mit seinem Orchester und 80 Musikern. Zehn Kinder hatte das Künstler-Ehepaar, alle mit ordentlich Rhythmus im Blut ausgestattet und immer vom Vater gefördert.

In der Brotgasse hatte Heinrich Staske eine Musikalienhandlung. Da probierten die drei Schwestern nach Ladenschluss alle Instrumente aus und musizierten gemeinsam. Hilde spielte das Akkordeon, Annemarie Schlagzeug und Lotti die Gitarre. Einmal hörte das der Gastwirt Franz Küllmer, auch das Fränzchen genannt, als er vorbeispazierte. Spontan engagierte er das Trio für seine Gastwirtschaft im heutigen VR-Bankverein. Die beispiellose Staske-Ära nahm ihren Lauf.

Auch die anderen Geschwister fanden ihre musikalischen Nischen. Bruder Heinrich zum Beispiel gründete eine erfolgreiche Kinderkapelle, zwei andere setzten nach Konservatoriums-Ausbildung musikalische Akzente in Tanz- und Blasorchestern. In ihren eigenen Orchestern spielten sie wie die Rhythmic Girls mehrere Instrumente und waren sehr oft Höhepunkt einer Feierlichkeit.

Die Rhythmic Girls wurden zum Kult. Der Funke sprang sofort über, und die drei Mädels, Annemarie 14, Hilde 19 und Lotti 24 Jahre alt, hatten das ganze Repertoire der damaligen Schlagerhits parat: Ob die „Capri Fischer“, der „Pferdehalter an der Wand“, „Du hast so wunderschöne blaue Augen“ oder „Ich tanze mit dir in den Himmel hinein“ – Lieder, die den Staske-Schwestern so leicht von den Lippen kamen, als wären sie allein für die Rhythmic Girls komponiert worden. Lotti tanzte, sie war in ihrem Element.

Vater Heinrich wurde nie müde, seine Kinder musikalisch auszubilden. Er schrieb eine Rotenburger Operette („Bei uns in Rotenburg“) und dirigierte noch mit 95 Jahren den Kinder-Lampion-Zug, den Weckruf und den Festzug beim Strandfest. Für die Bunten Abende arrangierte er jedes Mal ein neues Programm, schrieb und dichtete für seine begabten Kinder Sketche, Lieder, Duette. Nach einer kurzen Gesangsausbildung am Kasseler Theater ging es dann für die Rhythmic Girls so richtig los.

Die verheiratete Annemarie Winterling steppte und wurde als beste Rock´n Roll-Tänzerin im Landkreis ausgezeichnet. Lotti Staske, verheiratete Mücke, tanzte und liebte die rhythmischen Takte. Ungewöhnlich war auch ihre Begabung an mehreren Instrumenten.

Hilde Heußner, geborene Staske, spielte zum Beispiel unter anderem sehr virtuos das Xylophon. Die Rhythmic Girls begeisterten in ganz Deutschland, auch in den damals angesagten Glas-Tanzdielen. Türen wurden abgeschlossen, es passte keiner mehr rein in die Säle. Das Publikum liebte die Rhythmic Girls.

Als die Fritz-Walter-Elf 1954 nach Kirchhain (Landkreis Marburg) zu einem Freundschaftsspiel kam, sang das Trio aus Rotenburg beim Gala-Abend. Und alles wurde sogar im Rundfunk übertragen. Als Dank für die gute Stimmungsmusik schenkten die berühmten Fußballer den Rhythmic Girls ihren Nachtisch.

Lotti Mücke, geborene Staske, hat so viele bleibende Erinnerungen. „Das Schönste im Leben war für uns, den Menschen mit Musik Freude zu schenken“, sagt sie. Bis ins hohe Alter spielten die Damen auf der Terrasse des schönen Hotels Rodenberg und in den eleganten Räumen des Posthotels. (Susanne Kanngieser)

Bis ins hohe Alter sangen und spielten sie – hier auf der Terrasse des Rodenberg-Hotels im Jahr 2003: Lieselotte Mücke, Annemarie Winterling-Staske und Hildegard Heußner (von links). Repros: Susanne Kanngieser
Bis ins hohe Alter sangen und spielten sie – hier auf der Terrasse des Rodenberg-Hotels im Jahr 2003: Lieselotte Mücke, Annemarie Winterling-Staske und Hildegard Heußner (von links). Repros: Susanne Kanngieser © Privat

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