Erdbeeren, die unter der Erde wachsen: 14-jähriger Rotenburger gewinnt Preis bei Jugend forscht

„Forschung ist Fortsetzung der Neugier mit anderen Mitteln.“ Nach diesem Zitat des deutschen Chemikers Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger heißt der „Science and Maker Space Rotenburg“ bereits seit 2021 an der Wissenschaft interessierte Jugendliche ab 14 Jahren in den Räumen des Steinwegs 3 und 5 herzlich willkommen. Nun hat der erste Teilnehmer zwei Preise im Rahmen des hessischen Regionalwettbewerbs „Jugend forscht“ gewonnen.
Rotenburg – Richard Krüger ist im Februar für sein Projekt „Semiramis Gärten 2.0“ mit dem zweiten Platz im Bereich Biologie und einem Sonderpreis im Bereich Biotechnik ausgezeichnet worden. Der Projektname geht auf die hängenden Gärten der Semiramis in Babylon zurück, die auf übereinanderliegenden Terrassen Pflanzen angepflanzt haben. Inhaltlich liegt der Kern seines Projekts auf dem Erbauen mehrstöckiger Plantagen, die jedoch nicht auf der Erde, sondern unter dieser und dementsprechend ohne Sonnenlicht entstehen sollen.
In der Landwirtschaft findet man unter dem Begriff „Vertical Farming“ ein ähnliches Konzept. Richard geht es in seinem Projekt aber vor allem um die Selbstversorgung. „Um den Platz unter der Erde zu nutzen, sollen mithilfe von künstlichem Licht Pflanzen angebaut werden, die man anschließend zur privaten und preisgünstigen Selbstversorgung nutzen kann“, erklärt der 14-Jährige.
Er führte zunächst Wachstumsversuche an Erdbeerpflanzen und anschließend Keimungsversuche an unterschiedlichen Samen durch. Der zylinderförmige Aufbau für die Versuche bestand aus vier Holzstreben, die er im Kreis senkrecht anordnete, anschließend oben waagerecht zusammenlaufen ließ und mit roten LED-Strips ausstattete. Die in Blumenerde eingesetzte Erdbeerpflanze überlebte – mit einer vorausgesetzten regelmäßigen Bewässerung – den Testzeitraum von zwei Monaten und wuchs sogar besser in die Höhe als die Vergleichspflanze unter Freilandbedingungen.
Die Konstruktion der Streben führte jedoch zu einer unnötig hohen Energieverschwendung. Um dies zu optimieren, erhöhte der junge Mann beim zweiten Wachstumsversuch die Anzahl an Streben, brachte Aluminiumfolie an, um das durch die LEDs ausgesendete Licht immer wieder an dieser reflektieren zu können, und änderte die Farbe des Lichts zu lila.
Da jedoch durch den Aufbau die oberen Blätter einen Schatten warfen und die Lichtverhältnisse für die darunterliegenden Blätter nicht optimal waren, behob der Schüler im dritten Versuch auch dieses Problem. „Ich habe dann die Streben im oberen Bereich abgeschrägt und eine Art Kuppel geschaffen, damit die Blätter nicht direkt von oben bestrahlt werden.“ Das Ergebnis war eine Erdbeerpflanze, die höher und breiter als die Vergleichspflanze wuchs.
Für die Keimungsversuche an unterschiedlichen Samen nutzte er mit denselben Materialien einen eher kastenförmigen Aufbau und führte für insgesamt zehn nebeneinander angesäte Samenarten Protokoll. Das Ergebnis dieser Keimungsversuche zeigte, dass eine Reduzierung der Lichtintensität notwendig war, um möglichst viele Samen keimen zu lassen. Um exaktere Ergebnisse zu erhalten, müsse man jedoch jede Samenart einzeln untersuchen.
Nun soll versucht werden, für mehr Stabilität die Aluminiumfolie durch ein reflektierendes Blech und die Holzkonstruktion durch Platten und Stäbe aus einem 3D-Druck zu ersetzen. Außerdem sollen weitere Versuchsreihen angefertigt werden, um ein genaueres Endergebnis zu erhalten. Grundsätzlich hält Richard Krüger fest, dass sowohl Pflanzen als auch Samen ohne Sonnenlicht wachsen beziehungsweise keimen können.
Eigeninitiative steht im Vordergrund
Uns geht es vor allem darum, Bildung im Bereich Naturwissenschaft und Technik anzubieten“, sagt Marc Heinzerling, der den Posten des Ersten Vorsitzenden im Rotenburger Verein „Science and Maker Space“ (Sams) innehat.
Er erklärt, dass das eigene Entwickeln von Ideen, die Umsetzung und die Teilnahme an Wettbewerben im Fokus des Ganzen stehe. Insgesamt fünf Ehrenamtliche sind zurzeit als Betreuer für circa 20 Jugendliche zuständig, wobei aber vor allem auf die Eigeninitiative der Teilnehmenden gesetzt wird.
„Das Angebot hier ist komplett freiwillig und wir Betreuer dienen ausschließlich als Unterstützung“, beteuert Heinzerling. Das im Sommer 2021 als einwöchiges Ferienspiele-Angebot für Kinder und Jugendliche gestartete Projekt hat sich seitdem zu einem eingetragenen Verein weiterentwickelt und findet nun dreimal wöchentlich statt.
Die Räume sollen nun von der Stadt Rotenburg inklusive behindertengerechtem Eingang und Toilette umgebaut werden und zu einem breiteren Angebot führen. In Planung seien Diskussions- und Arbeitsräume und auch ein Reparatur-Café soll entstehen. „An Ideen mangelt es uns nicht“, sagt Heinzerling erfreut. Sichtbar wird besonders die gemeinschaftliche Atmosphäre, in der Betreuer und Teilnehmer hier zusammenarbeiten. (Johanna Leinweber)