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Mit Gummistiefeln: Stiller Protest der Bauern gegen die Arbeitssituation

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Von: Carolin Eberth

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Die Landwirte im Kreis Hersfeld-Rotenburg setzen mit Gummistiefeln ein Zeichen gegen die Arbeitssituation und auch gegen falsche Anschuldigungen.

Alheim – Landwirte in ganz Deutschland, und auch im Kreis Hersfeld-Rotenburg, stecken aktuell einzelne Gummistiefel auf Zäune und Pfähle. Und da staunt manch Ahnungsloser nicht schlecht. Wollen sie etwa die neue Frühjahrskollektion für den Kuhstall präsentieren? Nein! „Wir machen auf unsere Arbeitssituation aufmerksam. Das ist ein stiller Protest, ähnlich wie die grünen Kreuze, mit denen 2019 auf das Höfesterben hingewiesen wurde“, erklärt Jörg Schäfer (53), Landwirt aus Niedergude und Vorsitzender des Kreisbauernverbandes, das immer häufiger auftretende Phänomen.

„Wir Landwirte sind es leid, dass uns Politik und Medien immer wieder für den Klimawandel, das Insektensterben, vernichtete Lebensräume oder auch Probleme beim Trinkwasser verantwortlich machen wollen“, sagt Schäfer. „Dabei geben wir täglich alles für den Erhalt unserer schönen Kulturlandschaft, die schon seit Jahrhunderten von uns Landwirten erhalten wird“, ergänzt der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes.

Der Frust ist groß: Weshalb auch im Alheimer Ortsteil Niedergude Stiefel an der Hauptstraße hängen, das erklärt Laura Schäfer (die Tochter des Kreisbauernverbandsvorsitzenden Jörg Schäfer) mit einem Plakat neben den Stiefeln.
Der Frust ist groß: Weshalb auch im Alheimer Ortsteil Niedergude Stiefel an der Hauptstraße hängen, das erklärt Laura Schäfer (die Tochter des Kreisbauernverbandsvorsitzenden Jörg Schäfer) mit einem Plakat neben den Stiefeln. © carolin eberth

Bauern im Kreis Hersfeld-Rotenburg protestieren: Hohe Auflagen und Hürden

„Gerade wenn wir abends Nachrichten im Fernsehen schauen, dann tun mir die Bauern besonders leid. Sie werden trotz ihrer Mühe immer wieder für Probleme verantwortlich gemacht, wofür sie gar nichts können. Es fehlt an Wertschätzung“, sagt seine Tochter, Laura Schäfer (23), dazu. Es müsse laut Jörg Schäfer auch aufhören, dass man die Landwirtschaft in Deutschland durch immer höhere Auflagen und Hürden abschafft und stattdessen aus aller Herren Länder Lebensmittel importieren will. Das habe unter anderem auch dazu geführt, dass es im gesamten Landkreis Hersfeld-Rotenburg nur noch rund 80 Milchlieferanten geben würde. Zum Vergleich: 1960 habe es allein in Niedergude noch 48 Milchbauern gegeben.

„Und es macht einfach gar keinen Sinn, dass über die ländliche Bevölkerung in der Stadt bestimmt wird, von Leuten, die über unser Leben und unsere Probleme gar keine Ahnung haben“, so Jörg Schäfer.

Als ein praxisfernes Beispiel zur Verdeutlichung nennt er das Thema Wolf: „Die Raubtiere machen in Berlin oder Wiesbaden keine Probleme und werden daher von den Städtern regelrecht verniedlicht. Die Probleme und Auswirkungen darf dann aber am Ende die Landbevölkerung ausbaden.“

Als Zeichen für falsche Anschuldigungen und fehlende Wertschätzung haben Landwirte deutschlandweit umgedrehte Gummistiefel an die Straßen gehangen.
Als Zeichen für falsche Anschuldigungen und fehlende Wertschätzung haben Landwirte deutschlandweit umgedrehte Gummistiefel an die Straßen gehängt. © Eberth, Carolin

Protest der Bauern im Kreis Hersfeld-Rotenburg: Mangelnde Planungssicherheit

An der Landstraße bei Niedergude hat neben Familie Schäfer auch der Nebenerwerbslandwirt Johannes Krause (22) aus Niedergude einen Gummistiefel aufgehängt: „Auch mein Vater und Großvater haben viele Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet. Das alles, was sie geleistet haben, das wird nun infrage gestellt und soll falsch gewesen sein?“ Krause ist der Meinung, dass das Fachwissen bei den politischen Entscheidungen nicht zu kurz kommen dürfe. Durch fehlende Unterstützung und falsche Anschuldigungen an die Bauern fühlt auch er sich im Stich gelassen.

Jörg Schäfer beklagt außerdem die mangelnde Planungssicherheit, die sich wie ein roter Faden durch Landwirtschaftspolitik ziehe. Von dem neuen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte er sich in diesem und in weiteren Punkten Besserung erhofft. „Özdemir hat viel versprochen, aber nur wenig gehalten. Von seinen ganzen Plänen ist kaum noch etwas übrig.“

Der Gummistiefel-Protest ist ursprünglich entstanden aus Solidarität mit den niederländischen Bauern, die in den vergangenen Wochen gegen die hohen Umweltauflagen, die für die Tierhalter existenzbedrohend sind, demonstriert hatten. Nun führen die deutschen Landwirte die Aktion weiter. (Carolin Eberth)

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