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Seelsorgerin am HKZ Rotenburg
geht in den Ruhestand

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Von: René Dupont

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Das Bild zeigt Gerlinde Rothhardt in der HKZ-Kapelle, wo sie gerade eine Kerze anzündet und dabei lächelt.
In der liebevoll gestalteten Kapelle im HKZ finden Gottesdienste und Gespräche statt: An diesem Ort hat auch Seelsorgerin Gerlinde Rothhardt viel gelacht, Kraft getankt und ihre Last abgegeben am Ende eines jeden Tages. © René Dupont

Seit 23 Jahren arbeitet Gerlinde Rothhardt als evangelische Seelsorgerin im Herz-Kreislaufzentrum Rotenburg. Am Dienstag, 30. November, geht sie in den wohlverdienten Ruhestand.

Rotenburg - Gerlinde Rothhardt steht in der kleinen Kapelle im Herz- und Kreislaufzentrum in Rotenburg. Ihr herzliches Lachen sendet wärmende Sonnenstrahlen. Noch bevor sie das erste Wort gesagt hat.

Seit 23 Jahren arbeitet Gerlinde Rothhardt als evangelische Seelsorgerin mit einer halben Stelle im Herz-Kreislaufzentrum (HKZ). Doch am Dienstag, 30. November, ist Schluss. Sie geht in den wohlverdienten Ruhestand. All die Jahre lang hat Gerlinde Rothhardt mit einem Lächeln Menschen an der Seite gestanden, die sich im Ausnahmezustand befinden. Die Patienten und ihre Angehörigen sowieso, aber auch die Mitarbeiter der Klinik, die schon so manche Turbulenzen erlebt haben und zurzeit gar nicht wissen, wie ihre Zukunft aussieht.

Professioneller Werkzeugkoffer

Das herzerwärmende Lachen ist der heute 65-Jährigen in die Wiege gelegt. Ihren professionellen Werkzeugkoffer für die Klinikseelsorge aber hat sie über viele Jahre hinweg selbst immer mehr bestückt – mit unbändigem Interesse für die Menschen und diese Welt.

Aus allen Stationen hat sie etwas mitgenommen in ihrem Lebensrucksack. Bücher ohne Ende hat sie aufgesaugt. „Auch biblische Archäologie habe ich studiert und in Israel in der heiligen Erde gegraben“, erzählt die Nentershäuserin. Ethik im Gesundheitswesen hat sie per Fernunterricht erforscht. So verrückt es sich anhört, selbst aus einem Lehrgang für Clowns konnte sie noch etwas mitnehmen. „Man lernt dabei, Menschen genau zu beobachten. Das gehört zur Handwerkskunst eines guten Clowns.“

Den Blickwinkel weiten

Und was befindet sich in diesem besonderen Handwerkskoffer? Ein wichtiges Werkzeug ist, die Körpersprache des Gegenübers zu lesen. Sie sagt oft etwas anderes, als die Worte. „Wir lernen, wann es besser ist zu schweigen“, sagt die Pfarrerin. In anderen Situationen dagegen sei es wichtig, Impulse zu geben, Blickwinkel zu weiten, Perspektiven zu öffnen, Trost zu spenden, oder den anderen einfach mal in den Arm zu nehmen. Das allerdings ist in Coronazeiten tabu. Und der Humor zählt natürlich zu den wichtigen Instrumenten. „Damit hält man sich alles vom Hals, was einem zu eng wird“, sagt die Nentershäuserin schon fast philosophisch.

Wunder und Abgründe

Gerlinde Rothhardt hat in diesen 23 Jahren wohl alles erlebt, was ein Seelsorger erleben kann. Abgründe haben sich aufgetan, und Wunder sind geschehen. Von der Frau, die sie davon abhalten konnte, vom Dach des HKZ zu springen – bis hin zu der alten, schwerkranken Dame, die die Taufe ihres Enkels in der HKZ-Kapelle miterleben durfte. Als die Familie ihr das Enkelkind zum Streicheln auf den Schoß legte, zeigte die alte Dame zum ersten Mal wieder Reaktionen. Trotz aller auch leidvollen Erfahrungen, an ihrem Glauben hat sie nie gezweifelt. „Er ist sogar noch stärker geworden, obwohl es vieles gibt, das auch ich nicht verstehe“, sagt sie. „Ich bin unendlich traurig mit den Angehörigen, gerade, wenn junge Menschen sterben“, sagt Rothhardt. „Aber sie gehen uns nur voraus. Da, wo sie jetzt sind, geht es ihnen gut.“ Das ist ihre feste Überzeugung. Für die Pfarrerin spielte es auch keine Rolle, ob sie an der Seite von evangelischen, atheistischen oder muslimischen Patienten stand. „Ich wollte einfach nur helfen.“

Ethik-Komitee

Die Liste ihrer Herzensprojekte ist lang. Natürlich gehört das ihr besonders wichtige Ethik-Komitee dazu, das sie ins Leben gerufen und geleitet hat. Auch auf die liebevoll gestaltete Kapelle, für die sie sich mächtig ins Zeug gelegt hat, ist sie stolz. Sie entstand 2010 aus zwei Büroräumen, aus denen die Insolvenzverwalter ausgezogen waren. Besonders am Herzen lagen ihr in all den Jahren auch die Grünen Damen.

Viel Kraft gekostet hat die Seelsorgerin der Bereitschaftsdienst – das Handy auch zuhause immer in Hörweite.

Stelle ab 1. März 2022 neu besetzt

Die Stelle der evangelischen Seelsorgerin soll am 1. März 2022 wieder besetzt werden. Es bleibt eine halbe Stelle. Der Aufgabenbereich aber wird erweitert um das Kreiskrankenhaus und das neue Hospiz. Am Ende steht Gerlinde Rothhardt wieder in der kleinen Kapelle. Auch dieser Raum strahlt mit seinen Farben und Symbolen Wärme aus und Hoffnung. „Und genau das ist es, was ich in diesen 23 Jahren weitergeben wollte“, sagt die Seelsorgerin.

Zur Person

Gerlinde Rothhardt (65) wurde in Hann. Münden geboren. Ihr Abitur machte sie in Kassel. In Göttingen schloss sich ein Studium der evangelischen Theologie an. Ordiniert wurde sie 1996. Über viele Jahre gab sie ehrenamtlich Religionsunterricht an der Grundschule in Nentershausen und der Gesamtschule in Sontra, war Kreisbeauftragte für den Kindergottesdienst, leitete das Pilotprojekt „Startup“ zur Fortbildung zum Jugendleiter und unterrichtete Konfirmanden. Als Klinikseelsorgerin mit einer halben Stelle arbeitet Gerlinde Rothhardt seit 1998 am HKZ. Seit vielen Jahren lebt die Seelsorgerin mit einer kurzen Unterbrechung in Nentershausen. Sie ist verheiratet mit Dieter Rothhardt, der Pfarrer in Nentershausen war. Das Ehepaar hat drei Kinder und zwei Enkelkinder. Gerlinde Rothhardts Hobbys sind das Zusammensein mit der Familie, Lesen, Reisen und der Sport im Turnverein und Fitnessstudio. 
(René Dupont)

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