Fleisch und Wolle bringen in Deutschland vergleichsweise wenig Geld ein. Die Mehrheit der Berufsschäfer arbeitet laut dem Friedewalder Berufsschäfer Frieder Beyer, Sprecher der AG Herdenschutz beim Berufsschäferverband, unter Mindestlohnniveau. Kleinstrukturierte und ertragsschwache Wiesen seien für Hessen typisch, so die fünf Verbände. Der Aufwand bei der Zäunung ist im hügeligen Nordhessen wesentlich höher als auf großen flachen Flächen wie in Brandenburg und Niedersachsen, wo es schon länger wieder Wölfe gibt. Weitere Belastungen, wie sie der Wolfsmanagementplan vorsehe, würden zu einem Rückgang der Weidetierhaltung führen.
Die Weidetierhalter kritisieren, dass eine Abstimmung mit ihnen während der Entwicklung des Managementplans anders als versprochen „de facto nicht stattgefunden hat“. Man habe zwar Stellung nehmen können zum Entwurf, die Frist von drei Arbeitswochen sei aber für die meist ehrenamtlich organisierten Verbände zu kurz gewesen. Außerdem habe es zu den Verbesserungsvorschlägen keine Rückmeldung gegeben. Umweltministerin Priska Hinz hatte bei der Vorstellung des Wolfsmanagementplanes gesagt, dieser sei „in Diskussion mit den Verbänden“ entwickelt worden.
Besonders heftig diskutiert wird bei Wölfen das Thema Abschuss. Die fünf Verbände unterstellen dem Umweltministerium dabei ein „merkwürdiges Rechtsverständnis“. Die Hürden für den Abschuss eines Wolfes würden deutlich höher gelegt, als das im Bundesnaturschutzgesetz vorgesehen sei. Tatsächlich sind die nun in Hessen festgelegten „erweiterten Herdenschutzmaßnahmen“, also höhere Zäune, im Bundesgesetz keine Voraussetzung für einen Abschuss. Laut Paragraf 45a des Bundesnaturschutzgesetzes ist ein Abschuss möglich, wenn ein Wolf „zumutbare“ Schutzmaßnahmen überwunden hat und „ernste wirtschaftliche Schäden drohen“. Eine klare bundeseinheitliche Regelung für Abschüsse von Wölfen sollte eigentlich im Frühjahr beschlossen werden – die Umweltministerkonferenz hat das Thema aber vertagt.
Die Verbände kritisieren auch eine weitere Passage im Managementplan, die die Hürden für einen Abschuss erhöht. Wenn ein Zaun durch in Panik geratene Weidetiere beschädigt würde, könne das nicht zwingend einem Wolfsübergriff zugeordnet werden, so das Umweltministerium. „Das Eindringen des Wolfes in die Herde kann dann erfolgt sein, ohne dass er ursächlich für den Schaden an der Einzäunung war oder den Grundschutz überwunden hat“, heißt es dort. Dazu meinen die Weidetierhalter: „Das ist absurd, wenn die Panik der Herde durch den Wolf verursacht wurde.“
Verhältnismäßigkeit ist das A und O. Es ist weder so, dass Isegrim die heile Naturwelt zurückbringt und unsere Wälder gesunden lässt – noch ist es so, dass marodierende Rudel in Deutschland so viele Schafe reißen, dass bald keine mehr übrig sind. Die Stölzinger Wölfin hat zuletzt vor über sechs Monaten Schafe gerissen. Aber die Weidetierhalter müssen sich wappnen.
So richtig Hilfe dabei bekommen sie nur, wenn schon was passiert ist. Mantraartig wird die Wichtigkeit des Grundschutzes als Prävention betont, die Kosten dafür bleiben aber fast ausschließlich an den Tierhaltern hängen. Insbesondere dort, wo Stromnetze zum Beispiel am Waldrand kaum zu benutzen sind, wären Investitionen nötig, die sich kein Hobbytierhalter leisten kann. Dort wären Fördermittel sinnvoller aufgehoben als dort, wo Wölfe Weidezäune schon überwunden haben. Wer wie Umweltministerin Priska Hinz die Tierhalter mit dieser Verantwortung allein lässt, kalkuliert ein, dass der so wichtige Grundschutz eben nicht flächendeckend umgesetzt wird.
Das Ministerium folgt dem Credo: Bloß keinen Wolf schießen. Bevor eingeräumt wird, dass der Grundschutz „überwunden“ wurde, ist ein Detektivspiel vorgesehen, wie genau der Wolf denn nun an die Schafe gekommen ist. Es gibt keinen guten Grund, Wölfe zu erlegen, die sich nur von Wild ernähren. Es wäre aber sinnvoll, das Raubtier eben doch zu erschießen, wenn es wiederholt Probleme verursacht. Vergleiche mit Raubtieren anderer Kontinente wie Löwen und Tiger sind völlig unpassend, da der Bestand dieser Arten tatsächlich bedroht ist. Das gilt für Wölfe weltweit zweifellos nicht, nach wissenschaftlichen Maßstäben auch nicht in Deutschland. Deutsche Behörden verweisen regelmäßig auf die EU-rechtliche Wertung des „günstigen Erhaltungszustands“, den der Wolf in Deutschland nur dann erreichen würde, wenn es ihn wieder überall gäbe, wo er leben kann. Aber selbst in diesem Rechtsrahmen könnten sogenannte Problemwölfe geschossen werden.
In Hessen will man stattdessen versuchen, die intelligenten Raubtiere mit höheren Zäunen zu erziehen. Mit Steuergeld natürlich. Bei einer nicht gefährdeten Art ist das unverhältnismäßig.