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Sprecher der Bürgermeister zu Lohnforderungen: „10,5 Prozent leider nicht leistbar“

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Von: Christopher Ziermann

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Auch in Kassel hat die Gewerkschaft Verdi am Weltfrauentag vergangenen Mittwoch eine Kundgebung veranstaltet. Rund 800 Beschäftigte aus Sozial- und Erziehungsberufen kamen auf den Opernplatz und demonstrierten für deutlich höhere Löhne.
Auch in Kassel hat die Gewerkschaft Verdi am Weltfrauentag vergangenen Mittwoch eine Kundgebung veranstaltet. Rund 800 Beschäftigte aus Sozial- und Erziehungsberufen kamen auf den Opernplatz und demonstrierten für deutlich höhere Löhne. © Peter Dilling

Die Gewerkschaft Verdi fordert für 2,5 Millionen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes 10,5 Prozent mehr Lohn. Dazu ein Interview mit dem Sprecher der Bürgermeister im Kreis.

Hersfeld-Rotenburg – Die Gewerkschaft Verdi handelt derzeit für 2,5 Millionen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes neue Tarifverträge aus. Das betrifft auch die Kommunen als Arbeitgeber. Am Weltfrauentag vergangenen Mittwoch haben die Erzieherinnen und Erzieher kommunaler Kitas gestreikt.

Wir haben mit Niederaulas Verwaltungschef Thomas Rohrbach gesprochen, der Sprecher der 20 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Landkreis ist.

Herr Rohrbach, haben die Erzieherinnen zu Recht gestreikt?

Die Gewerkschaften rufen zum Streik auf, um Druck zu machen, wenn die ersten Verhandlungsrunden keinen Erfolg bringen. Das ist ein normaler Prozess, der bei Kitas natürlich besonders stark ins Gewicht fällt. Wünschenswert wäre, dass ein Konsens gefunden wird, so wie das in der Vergangenheit in der Regel der Fall war. Die Entwicklung der vergangenen zwölf Monate ist allerdings mit der hohen Inflation außergewöhnlich. Unsere Erzieherinnen und Erzieher sollen natürlich angemessen entlohnt werden. Ich appelliere aber, dass auch bei einem Streik immer zumindest eine Notbetreuung gewährleistet bleibt – zum Beispiel mit Priorisierungen für Eltern in systemrelevanten Berufen wie in der Corona-Zeit. Das war am Mittwoch offenbar leider nicht in allen Kommunen im Kreis gewährleistet.

Laut dem Städte- und Gemeindebund ist die Zahl der in Kitas betreuten Kinder in Hessen von 2011 bis 2021 um 17 Prozent gestiegen, das Gehalt um 51 Prozent. Was halten Sie von diesem Vergleich?

Man kann das Gehalt nicht nur an der Zahl der Kinder bemessen. Der Arbeitsaufwand für das Personal ist gestiegen, die Anforderungen sind größer geworden.

Ist die von der Gewerkschaft Verdi geforderte Gehaltserhöhung von 10,5 Prozent angemessen?

Eine moderate Erhöhung wäre absolut angemessen. Wir alle bekommen die gestiegenen Lebenshaltungskosten an der Tankstelle, im Supermarkt, in allen Bereichen des täglichen Lebens zu spüren. Bei einer Inflationsrate von rund 8,5 Prozent halte ich die Forderung von 10,5 Prozent aber für zu hoch. Wir wollen die Leistungen unserer Angestellten honorieren, aber das Gehalt muss auch irgendwie bezahlt werden. Ich denke, dass der Vorschlag des Arbeitgeberverbandes mit einer Gehaltserhöhung in zwei Stufen und einer Einmalzahlung für die gestiegenen Energiekosten nicht so schlecht ist.

Durch den Streik am Weltfrauentag hat die Situation der Erzieherinnen eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Die Gehaltsverhandlungen werden aber nicht nur für das Kita-Personal geführt ...

Richtig, es geht um alle Angestellten des öffentlichen Dienstes. In Kommunen betrifft das neben den Kitas also auch Mitarbeiter in der Verwaltung und im Bauhof.

Wenn man von einer Gehaltserhöhung von zehn Prozent ausgeht – von was für Geldbeträgen reden wir?

Im Falle von Niederaula: Im vergangenen Jahr hatten wir Personalkosten von rund zwei Millionen Euro. Da zählt die Kita nicht dazu, weil wir einen kirchlichen Träger haben. Zehn Prozent mehr hätten also 200 000 Euro bedeutet. Wir könnten das kurzfristig verkraften, weil wir Rücklagen haben – aber in strukturschwächeren Gemeinden wie zum Beispiel Nentershausen, Cornberg, Haunetal oder Breitenbach/H. würde es sicherlich ganz eng.

Zurück zu den Erzieherinnen: Woher kommt das Geld für ihr Gehalt?

Früher war mal das Drei-Säulen-Modell angedacht: Jeweils ein Drittel sollte vom Land, von den Kommunen und über Beiträge von den Eltern gestemmt werden. Ein Drittel genügt für die Kommunen aber schon lange nicht mehr. Die Städte und Gemeinden tragen finanziell zum reinen Kita-Betrieb mehr als doppelt so viel bei wie das Land. Vom Land erhalten wir pro Kind – je nach Alter – feste Beträge. Die Kindergartenbeitragsbefreiung von über Dreijährigen wird zwar vom Land getragen, ist aber auf die Säule der Elternbeiträge anzurechnen. Hier muss mindestens im Verhältnis der Gehaltserhöhung, besser mehr nachgebessert wird.

Was können finanzschwache Gemeinden tun, um die erwarteten Mehrkosten zu bewältigen?

Wenn man keine Rücklagen hat, muss das Geld beschafft werden. Direkt auf die Kitas bezogen kann man die Beiträge für die Eltern erhöhen oder theoretisch Personal entlassen. Praktisch geht das nicht, weil es Personalschlüssel gibt, die man einhalten muss. Städte und Gemeinden können außerdem zum Beispiel die Grundsteuer oder die Gewerbesteuer erhöhen. Woher das Geld kommen soll – das ist ein Problem, dass es zu lösen gilt. Vielleicht vom Land?

Wie groß ist der Einfluss unserer 20 Bürgermeister im Landkreis als Arbeitgeber bei den Tarifverhandlungen?

Vor allem vertritt uns der kommunale Arbeitgeberverband sowie rechtlich der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB). Aus unserem Landkreis wird ein Kollege in das Gremium des kommunalen Arbeitgeberverbandes entsandt. Als einzelner Bürgermeister hat man aber wenig direkten Einfluss, man kann höchstens Hinweise an den Verband geben. Mir ist es wichtig, dass wir die Leistungen unserer Mitarbeiter aus allen Bereichen honorieren, und das ist angesichts des Fachkräftemangels in allen Branchen auch notwendig. Insbesondere den Erzieherinnen wurde in der Corona-Zeit viel abverlangt. 10,5 Prozent mehr Gehalt halte ich aber flächendeckend leider für nicht leistbar. (Christopher Ziermann)

Zur Person

Thomas Rohrbach (51) ist seit dem 1. Februar 2009 Bürgermeister von Niederaula. Das Amt des Sprechers der Bürgermeister im Landkreis hat er 2022 von Harald Preßmann (Hauneck) übernommen. Der gelernte Bankbetriebswirt Rohrbach, der zuletzt die Hauptstelle der VR-Bank in der Dudenstraße in Bad Hersfeld leitete, war von 2001 bis 2009 Mitglied der Niederaulaer Gemeindevertretung. Thomas Rohrbach engagiert sich unter anderem als Kassierer beim SV Niederaula und JFV Aulatal. Der Fußballfan sympathisiert mit der Frankfurter Eintracht und dem FC Bayern München. Rohrbach ist verheiratet mit Melanie Rohrbach. Sie haben drei Söhne: Julian, Laurin und Milan.

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