Familie Stein schließt Gaststätte Rustikana in Neukirchen und plant einen Neuanfang

Familie Stein packt in Haunetal-Neukirchen ihre Sachen und zieht nach Kirchheim, doch der Abschied fällt ihnen schwer.
Neukirchen – In der mittlerweile geschlossenen Gaststätte Rustikana in Neukirchen liegen alte Holzwappen auf einem Tisch, Kisten stapeln sich überall und der Staubsauger steht schon griffbereit – die Steins räumen den Gastraum und die Küche leer.
„Da hinten war die Südkurve“, sagt Karl-Heinz Stein und grinst, während er Kisten zur Seite. Die Südkurve, eine Sitzbank gleich links neben der Theke, war viele Jahre der Aussichtsposten für eine Gruppe Stammgäste. An ihrem Lieblingsplatz hat sich noch nichts verändert, das soll sich aber bald ändern, die Steins müssen noch renovieren.
Noch hängen an der Wand hinter der Bank aber die Fotos, Erinnerungen an die verstorbenen Kameraden. „Und wenn wir nicht auf die Minute aufgemacht haben, dann hat der ein oder andere schon vor der Tür gestanden und mit den Hufen gescharrt“, sagt Karl-Heinz Stein und lächelt glücklich, als er daran zurückdenkt. „Es waren wirklich schöne Zeiten“, sagt er mit Nachdruck.
35 Jahre lang stand Karl-Heinz Stein hinter der dunkel verkleideten Holztheke, zapfte Bier, plauderte mit den Gästen, fuhr Essen aus. 35 Jahre lang kochte seine Frau, Michaela Stein, in der Küche Schnitzel, schob Pizza in den Ofen, richtete Salate an. Damit ist seit dem 13. Februar Schluss. Das Rustikana ist geschlossen.
Kinder in der Küche und Mettigel auf der Karte
Schon zum Karneval mussten die Haunetaler selbst für die Bedienung sorgen. Der Grund: Den Steins ging das Personal aus, auch deshalb entschieden sie sich, die Gasstätte in Neukirchen zu schließen. „Das war früher anders, da hatten wir genug Hilfe“, sagt Michaela Stein, als sie gedankenverloren aus den großen Fenstern auf die Stoppeler Straße schaut, dann muss sie plötzlich lächeln. „Die Damen, die uns in der Küche geholfen haben, hatten ihre Kinder mit dabei“, erinnert sich die 62-Jährige. „Weißt du noch, die Kleinen haben oft bei uns in der Küche in ihren Maxi-Cosi gesessen“, sagt Bettina Merkle fröhlich.

Die 61-Jährige war fast von Anfang an im Rustikana mit dabei. „Ich habe auf der Gemeinde gearbeitet und der Weg hier rüber war kurz. Ich habe hier und dort gearbeitet.“ Merkle war im Rustikana jahrelang für die Speisekarten, zuständig.
Jetzt steht sie in der halb leeren Küche und blättert in einem Ordner, in dem sie viele der knallbunten Menüs aufgehoben hat. Merkle zeigt auf ein Foto, auf dem ein üppiges Buffet zu sehen ist, und muss lachen: „Der Mettigel, so etwas macht man heute gar nicht mehr.“ Auf einer der bunten Speisekarten aus den 90er Jahren steht das Menü des Tages: Kotelett mit Salzkartoffeln und gemischtem Salat – 11,80 Deutsche Mark.
„Früher gab es jeden Sonntag eine neue Speisekarte“, sagt Merkle. „Und manchmal haben wir Oktoberfest im Hof gefeiert, oder Weinfeste“, erinnert sich Karl-Heinz Stein. „Weißt du noch Betti, um 18 Uhr hatten sie uns beim Weinfest überrannt“, erinnert sich Michaela Stein, als die drei durch alte Bilder blättern. Bettina Merkle nickt. „Die Feuerwehr musste Bänke mitbringen, es waren um die 500 Leute da“, erinnert sie sich. Damals gab es Bremser (Federweißer).
„Immer Gulasch und Nudeln“
„Man darf gar nicht dran denken, was man alles so gemacht hat“, sagt Karl-Heinz Stein, winkt gut gelaunt ab und denkt dabei auch an die Zeit der Kaffeefahrten. „Da waren 200 bis 250 Leute hier. Vier Busse. Immer Gulasch und Nudeln“, sagt Michaela Stein. Die Massen durchzuwinken, sei aber nichts für sie gewesen und die Steins stellten die Bewirtung für die Busgesellschaften ein. „Wir leben nicht von Laufkundschaft. Hier geht es mehr um Freundschaften“, da sind sich alle drei sicher.
Allen, die über die Jahre geholfen haben, im Service und in der Küche, seien sie sehr dankbar, erklären die Steins. Das noch einmal zu sagen, ist ihnen wichtig.
Der Abschied von ihrer Gaststätte und der Wohnung im ersten Stock fällt schwer. Alles muss raus, vieles haben die Steins schon verkauft, der Rest kommt in einen Container.
Zwei Mal haben sie schon einen Flohmarkt veranstaltet, viele persönliche Sachen sind noch übrig. Michaela Stein streift durch die Tischreihen mit den Bierkrügen, Holzpfeifen, Tischläufern und Puppen.
Kein Ende in Sicht: Familie Stein will weitermachen
Am 31. März muss alles raus sein, dann läuft der Pachtvertrag aus. Für die Steins geht es nach Kirchheim. An der Hauptstraße wollen sie einen Imbiss neben dem Hotel Eberbeck eröffnen. So ganz zur Ruhe setzen wollen sie sich noch nicht. „Aber das wird nur die Hälfte der Arbeit“, sagt Karl- Heinz Stein. Im Sommer soll es losgehen. Bis dahin gibt es aber noch viel zu tun.
Bis die neue Pächter Familie Singh aus Wehrda einziehen kann, müssen die Steins noch renovieren. Dann steht auch ein Tapetenwechsel in der Südkurve an. (Kim Hornickel)