Viele Arztpraxen im Landkreis Hersfeld-Rotenburg bleiben geschlossen

Aus Protest gegen die aktuelle Gesundheitspolitik versammeln sich Haus- und Fachärzte aus ganz Hessen am heutigen Mittwoch (15. Februar) auf dem Frankfurter Römerberg zu einer Großkundgebung.
Hersfeld-Rotenburg – Auch im Landkreis Hersfeld-Rotenburg bleibt deshalb ein großer Teil der Praxen heute geschlossen. „Wir haben einen Bus gemietet mit 54 Plätzen und gehen davon aus, dass diese auch komplett besetzt werden“, sagt Dr. Martin Ebel, Sprecher der Hausärzte im Landkreis.
„Wir lassen die Patienten nicht einfach vor der Tür stehen. Vereinbarte Termine wurden im Vorhinein abgesagt und eine Notversorgung ist heute auch gewährleistet. Alle Informationen dazu gibt es per Bandansage unter den Praxisnummern“, so Ebel.
Es gehe darum, der Politik zu verdeutlichen, dass die ambulante Gesundheitsversorgung bei den Allgemeinmedizinern gut aufgehoben sei, wenn man sie einfach arbeiten lasse und ihnen keine zusätzlichen Steine in den Weg lege.
Auch der Philippsthaler Allgemeinmediziner Dr. Thomas Lepper nimmt an der Protestkundgebung teil. Er hat die Fahrt mit den Kollegen nach Frankfurt organisiert. Beteiligt sind demnach rund 35 Ärzte und Medizinische Fachangestellte aus dem Landkreis. „Es kann nicht sein, dass wir von der Politik vergessen werden, vor allem nicht nach dem wichtigen Beitrag, den die Hausärzte im Zuge der Corona-Impfungen geleistet haben“, kritisiert Lepper.
An der Kundgebung nehmen zahlreiche Ärzteverbände aus Hessen teil. Ebel rechnet mit einer großen Resonanz, da nicht nur Ärzte, sondern auch Praxismitarbeiter an der Kundgebung beteiligt seien. Um ihre Forderungen gegenüber der Politik zu verdeutlichen, haben die Hausärzte eine gemeinsame Resolution erarbeitet. Darin wird unter anderem ein strukturiertes Vorgehen gegen den Versorgungsmangel durch Anhebung der Zahl der Medizinstudienplätze gefordert, eine nützliche Digitalisierung der Praxen und die Einführung einer neuen ärztlichen Gebührenordnung, die seit 1996 nicht angepasst worden sei.
Zu den Protesten der Hausärzte hatten zunächst der Hausärzteverband Hessen und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte aufgerufen. Inzwischen hat sich ein breites Bündnis fachärztlicher Berufsverbände angeschlossen und unterstützt den Protest, darunter auch der Hausärzteverband Hersfeld-Rotenburg. Worum es den Allgemeinmedizinern konkret geht, stellen wir in Fragen und Antworten vor:
Warum protestieren die Hausärzte?
Es geht um die Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Die Hausärzte sehen in den Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine Gefährdung der medizinischen Versorgung für Patienten. Besonders die Versorgung von Kindern und Jugendlichen werde dramatisch vernachlässigt. Ständige Missachtung und Geringschätzung medizinischer Leistungen im ambulanten Sektor führten zu hoher Unzufriedenheit, heißt es vonseiten der Ärzte. Schon heute überlegten sich Praxisinhaber, vorzeitig ihre Tätigkeit einzustellen, Leistungen nicht mehr anzubieten oder im schlechtesten aller Fälle den Beruf zu wechseln.
Warum fühlen sich die Hausärzte nicht ausreichend von der Politik unterstützt?
„Gesundheitspolitiker aller Parteien verspielen mit ihrem engstirnigen Blick auf die Kliniken gerade die Zukunft der medizinischen Versorgung in Deutschland“, kritisiert Christian Sommerbrodt, Vorstandsmitglied des Hausärzteverbands Hessen. Den Praxen würden immer mehr Aufgaben zugetragen, sagt Dr. Martin Ebel, Sprecher der Hausärzte im Kreis Hersfeld-Rotenburg. Trotz dieser Mehrbelastung gebe es keinerlei Entlastungen für Praxisärzte.
Warum ist der ambulante Sektor für die Gesundheitsversorgung so wichtig?
Laut des hessischen Hausärzteverbands würden mehr als 97 Prozent aller Behandlungsfälle – das sind rund 600 Millionen – im ambulanten Sektor erbracht. In Zukunft würden in den Notaufnahmen der Krankenhäuser auch diejenigen sitzen, die keinen Hausarzt mehr bekommen, weil sich keiner mehr niederlässt, und diejenigen, die keine Termine bei
Fachärzten mehr bekämen, weil auch hier der Nachwuchs wegbreche. Der Ärztemangel und der Mangel an Fachkräften werde in den kommenden Jahren das Gesundheitssystem in nie da gewesener Härte treffen, teilt der Hausärzteverband mit.
Wie ist die Situation bei den Medizinischen Fachangestellten?
In den Praxen fehlten immer mehr Medizinische Fachangestellte, daher seien auch sie bei der Kundgebung in Frankfurt vertreten, wie Ebel erläutert. Eine Online-Umfrage aus dem vergangenen Jahr habe ergeben, dass rund 46 Prozent der Medizinischen Fachangestellten überlegten, den Beruf zu verlassen – auch wegen hoher Belastung und fehlender Wertschätzung.
Was sind die Forderungen der Haus- und Fachärzte an die Politik?
Dr. Lothar Born, Vorsitzender des Hartmannbund-Landesverbandes Hessen, kritisiert etwa die Streichung der Neupatientenregelung. „Der Absicht des Gesetzgebers folgend haben viele Fachärzte ihre Neupatienten-Kontakte durch längere Sprechstundenzeiten ausgeweitet. Jetzt werden diese Leistungen nicht mehr extrabudgetär bezahlt, sondern wieder mit der Gesamtvergütung beglichen“, erklärt Born. „Wir fordern die vollständige Aufhebung der Budgetierung und eine ehrliche Vergütung. Der Leidtragende dieser Politik ist der sozial schwache Patient.“ (Daniel Göbel)