Teichprozess: Bauamtsleiter muss sich vor Richter erklären

Am dritten Verhandlungstag im Teichprozess musste unter anderem der Bauamtsleiter der Stadt Neukirchen in den Zeugenstand. Der früherer Bürgermeister Klemens Olbrich gab eine Erklärung und ab.
Marburg/Neukirchen – „Ich war erschüttert, ich war wirklich fassungslos!“ Klemens Olbrich wies am dritten Verhandlungstag im Teichprozess von sich, was ein Zeuge in der vergangenen Woche ausgesagt hatte: „Ich bin nicht in die Versicherungsanfrage eingebunden gewesen, das stimmt nicht. Diese Aussage war für mich wie ein Schlag in die Magengrube.“
Hätte der frühere Neukirchener Bürgermeister nämlich davon gewusst, dass die Kommunalversicherung 2014 zur Frage der Sicherheit am Seigertshäuser Teich befragt wurde oder hätte er den Zeugen sogar mit der Anfrage beauftragt, „dann hätte das doch einen ganz anderen Verlauf genommen“. Er hätte sich in dem Falle mit dem Seigertshäuser Ortsvorsteher die Situation am Teich angesehen. Außerdem sei Olbrich auch nicht bekannt gewesen, dass damals 15 bis 20 Fotos gemacht worden waren, das hätte man ihm als Postausgang wie üblich vorgelegt.
Teichprozess: Zeuge verweigert Aussage
Am dritten Tag trat dann ein Bauingenieur in den Zeugenstand, der ab dem 1. Mai 2014 die Bauamtsleitung der Gemeinde übernommen hatte. Mit seinem Vorgänger – dem das Versicherungsschreiben wenige Tage zuvor per Mail zugesandt worden war – hatte er ab da noch sechs Wochen zusammengearbeitet. Von dem Schreiben habe der Nachfolger aber nichts erfahren. Im Mai 2014 seien die Umbauarbeiten am Seigertshäuser Teich schon fast fertig gewesen, „ich habe sie nicht begleitet, nicht selbst organisiert und keinen Einfluss darauf genommen“, sagte er.
Seine Aufgabe war demnach die Aufwertung der Fläche als Freizeitgelände. Im Jahr 2017 habe der Zeuge sich dieses Schreiben erstmals zeigen lassen – von dem Zeugen aus der letzten Woche. Als dieser „nebulöse Auskünfte“ gegeben habe, hat sich der Bauamtsleiter demzufolge nicht mehr mit Schreiben beschäftigt. Er habe sich keine Gedanken über den Teich gemacht, er achte auf technische Vorschriften, setze Aufträge vom Magistrat um und sei für Sicherheit nicht zuständig.
Gerade bei der Frage, warum der Zaun erst im Jahr 2020 nach dem Urteil des Amtsgerichts um den Teich gebaut wurde, wenn ihm das Schreiben Jahre vorher bekannt war, hakte der Vorsitzende Richter Dr. Sebastian Pfotenhauer mehrfach nach: „Gibt es denn noch andere Baustellen, wo Sie denken, das ist gefährlich, aber ich warte, bis mir jemand aus der Verwaltung sagt, ich soll da einen Zaun hin bauen?’ So arbeiten Sie?“ An der Stelle machte der Zeuge von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.
Teichprozess: Pensionär sagt aus
Die Verteidigung wollte nach der Zeugenaussage von letzter Woche die Oberstaatsanwältin zu den Ermittlungen hören. In seiner früheren Vernehmung habe der Zeuge demnach gesagt, er wisse nicht, wer ihm den Auftrag erteilt hat, bei der Versicherung wegen des Teichs nachzufragen. Wahrscheinlich sei es der Bürgermeister oder der frühere Bauamtsleiter gewesen.
Am dritten Tag sagte auch ein Pensionär aus, der früher in der Stadtverwaltung mitgearbeitet hatte und berichtete von damals regelmäßigen „Geburtstagsrunden“. So auch im Jahr 2016, nämlich nach dem Unglück. In dieser Geburtstagsrunde von früheren und aktuellen Mitarbeitern der Stadtverwaltung habe jemand erwähnt, dass es da ein Versicherungsschreiben gab. Danach sei das erst mal jahrelang kein Thema mehr gewesen.
Teichprozess: Bürgermeister initiiert Akteneinsichtsausschuss
Als es dann nach dem Urteil des Amtsgerichts um eine Resolution ging, in der sich die Stadtverwaltung hinter Olbrich stellen wollte, wollte der jetzt als Zeuge auftretende Pensionär den genauen Inhalt ohne genaueres Wissen nicht mittragen. „Da kam mir das Schreiben wieder in den Kopf“, sagte der Zeuge. Er habe damals dem Stadtverordnetenvorsteher davon erzählt, der dann auch Einsicht in den Inhalt des Schreibens bekam. Als dieser laut Aussagen am dritten Verhandlungstag immer wieder versucht habe, das Thema Schreiben innerhalb der Stadtverwaltung aufzuklären und aber nie darüber gesprochen wurde, habe er sich 2020 damit an die Staatsanwaltschaft gewandt.
Auch kam zur Sprache, dass Klemens Olbrich parallel einen Akteneinsichtsausschuss als hausinterne Untersuchung initiiert habe. Dieser Ausschuss sei laut dem Zeugen zum Ergebnis gekommen, dass bis April 2020 jedenfalls kein Mitarbeiter der Stadt mit der Sicherheit am Teich zu tun gehabt habe. (Beatrix Achinger)