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Ziegenhain: 31 ukrainische Kinder lernen an der Carl-Bantzer-Schule

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Von: Sandra Rose

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Für alle eine Herausforderung: von links Lehrerin Kateryna Teske, Lehrer Wolfgang Marek und Schulleiterin Marion Temme berichten von ihren Erfahren mit geflüchteten Familien.
Für alle eine Herausforderung: von links Lehrerin Kateryna Teske, Lehrer Wolfgang Marek und Schulleiterin Marion Temme berichten von ihren Erfahren mit geflüchteten Familien. © sandra rose

In diesen Tagen jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine. Wir sprachen mit Menschen, die von den Auswirkungen betroffen sind.

Schwalmstadt – Viele Familien haben vor und während ihrer Flucht aus der Ukraine traumatische Erfahrungen gemacht. Sie tragen Bilder eines Krieges in sich, die nachhallen und sich auf unterschiedlichste Art und Weise äußern. Dicht dran an ukrainischen Kindern, die oftmals mit ihren Müttern aus den Kampfzonen flohen, sind Lehrer.

34 Kinder – 31 aus der Ukraine, je eins aus Polen, Thailand und Palästina – werden aktuell an der Carl-Bantzer-Schule (CBS, Kooperative Gesamtschule) in Ziegenhain unterrichtet. Wie herausfordernd das für alle ist, berichten Schulleiterin Marion Temme und zwei Lehrer der Intensivklassen, Kateryna Teske und Wolfgang Marek.

Unterschiedliche Voraussetzungen

In den Intensivklassen kommen Kinder im Alter von zehn bis 17 Jahren zusammen: „Mit völlig verschiedenen Voraussetzungen – Schüler mit Lernproblemen, aber auch hoch motivierte Gymnasialschüler“, berichtet Marek, der als Pensionär für den Schuldienst reaktiviert wurde. Die Schüler würden deshalb grob in drei Leistungsgruppen unterteilt. Als teils schwierig beschreibt Marion Temme allein schon die Aufnahmegespräche mit Müttern, aber auch Omas und Tanten. Mit Kateryna Teske steht ihr eine ukrainisch sprechende Kollegin – extra eingestellt – oft zur Seite. „Einige weitere Kollegen können auch etwas Russisch“, sagt die Schulleiterin.

Seit dem vergangenen Frühjahr nimmt die CBS die Flüchtlingskinder aus der Ukraine auf – anfangs dachte viele, vor allem die Kinder selbst, Deutschland sei nur eine Station für Wochen. Daraus sind jetzt fast zwölf Monate geworden. „Bei manchen fehlte es an der Motivation, weil sie sich sicher waren, es geht ja wieder zurück“, erzählt Kateryna Teske, die seit elf Jahren in Deutschland lebt.

Was die Kinder erlebt haben, tritt manchmal ganz unvermittelt zu Tage, berichtet Wolfgang Marek: „Als zuletzt ein Rettungshubschrauber dicht über das Schulgebäude flog, war ein Schüler außer sich – er rannte aus dem Klassenraum und versteckte sich.“ Auch Alarmübungen an der Schule beispielsweise müssten in den Intensivklassen vorher angekündigt werden, verdeutlicht die Schulleiterin.

Sozialarbeiter unterstützen

Die Lehrer würden unterstützt von einer Schulsozialarbeiterin, gegebenenfalls auch von der Schulpsychologin des Kreises, „was glücklicherweise selten vorkommt“, sagt Marion Temme. Neben dem Unterricht, in dem immer wieder auch auf das Erlebte eingegangen wird, stellt der Sport ein wichtiges Angebot dar. „Es erleichtert uns, an die Kinder heranzukommen“, ist Marek überzeugt.

Die Schüler der Intensivklassen sind auch alle einer Bezugsklasse zugewiesen – meist zwei, drei Kinder pro Klasse. Auch hier spreche man sehr viel im Kollegium, wie sich die Kinder bestmöglich integrieren könnten. „Sind die Schüler allein in einer Klasse, fühlen sie sich unwohl. Ist die Gruppe der ukrainischen Kinder zu groß, bleiben sie unter sich und lernen nicht so schnell Deutsch“, erklärt Temme.

Viele ukrainische Kinder nehmen längst nicht ausschließlich am Unterricht in Deutschland teil, nachmittags schließt sich oft der Online-Unterricht ihrer früheren Schule an: „Sie wollen dort nicht den Anschluss verlieren“, sagt Kateryna Teske.

Sprachdiplom ist das Ziel

Wobei der Unterricht in der Ukraine deutlich anders strukturiert sei, hat auch Wolfgang Marek festgestellt. „Die Schüler sind es gewohnt, Übungshefte auszufüllen. Das Sprechen steht nicht im Vordergrund. Deshalb lesen wir beispielsweise im Chor, um heranzuführen.“ Das deutsche Sprachdiplom sei das Ziel. Dass die Heimat fehle, werde auch in Gesprächen immer wieder deutlich. Es komme in den Familien auch zu Konflikten. Eltern würden teils hierbleiben wollen, viele Kinder aber wollten zurück in ihre Heimat, berichtet Teske. Auch die Größe der Schule schrecke manche Mutter ab, „und die verständliche Sorge ums Kind“.

Für Schulleiterin Temme und ihr Team ist der Umgang mit den Schülern und ihren Familien oft eine „Gratwanderung zwischen Alltagsproblemen und Vertrauensgewinn“. Hieran beteiligten sich aber alle Kollegen und viele Schüler: „Wir versuchen ihnen eine Grundausstattung mitzugeben – mit offenen Herzen.“ Aktuell ist eine Projektwoche „Eine Welt, viele Kulturen“ in Vorbereitung, in der unter anderem die Ukraine vorgestellt werden soll.

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