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Nach 24 Stunden wird die Lage kritisch

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Von: Matthias Haaß

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Stromleitungen sind die Lebensadern einer modernen Gesellschaft. Bundesweit fiel der Strom 2021 lediglich 12,7 Minuten aus. Doch mittlerweile rechnen Experten zumindest regional mit größeren Stromausfällen. Archiv
Stromleitungen sind die Lebensadern einer modernen Gesellschaft. Bundesweit fiel der Strom 2021 lediglich 12,7 Minuten aus. Doch mittlerweile rechnen Experten zumindest regional mit größeren Stromausfällen. Archiv © Daniel Naupold/dpa

Unsere Gesellschaft ist im großen Maße von einer funktionierenden Stromversorgung abhängig. Ohne Elektrizität läuft nichts. Der Katastrophenschutz kann im Ernstfall aber nicht überall sein.

Schwalm-Eder – Noch nie in der jüngeren Vergangenheit war die Gefahr von Stromausfällen größer als heute. Seitens des Land Hessen gibt es dazu bereits seit einigen Jahren eine „Rahmenempfehlung zur Einsatzplanung des Brand- und Katastrophenschutzes bei flächendeckendem, langandauerndem Stromausfall“.

Papier ist geduldig: Jahrelang wurden die Pläne oft nur zur Kenntnis genommen.. Das Thema Stromausfall war bei der hohen Versorgungssicherheit in Deutschland auch für Verwaltungen oft zu abstrakt. Nachvollziehbar, denn nach Angaben der Bundesnetzagentur betrug die durchschnittliche Unterbrechungsdauer im Jahr 2021 lediglich 12,7 Minuten. Und Vorsorge kostet Geld, viel Geld.

Dass es regional auch anderes kommen kann, zeigen die Ereignisse in Westdeutschland, insbesondere im Ahrtal. Erinnert werden muss auch an die Schneekatastrophe im Münsterland am ersten Adventswochenende 2005 – betroffen von dem Stromausfall waren laut RWE rund 250 000 Menschen in 25 Gemeinden, selbst vier Tage später hatten noch nicht alle Orte Strom.

Bei der Feuerwehr Neukirchen ist ein Notstrom-Großaggregat des Katastrophenschutzes stationiert. Das Gerät gibt es im Landkreis nur einmal. Archiv
Bei der Feuerwehr Neukirchen ist ein Notstrom-Großaggregat des Katastrophenschutzes stationiert. Das Gerät gibt es im Landkreis nur einmal. Archiv © Mathias Haaß

Gerade Betreiber von kritischer Infrastruktur sind nach Angaben des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) angehalten, sich auf längere Stromausfälle vorzubereiten.

Ein Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Krankenhäuser

Krankenhäuser verfügen über eine eigene Notstromversorgung. Bei länger andauernden Stromausfällen, also mehr als 24 Stunden oder wenn eine Ersatzstromversorgung nicht aufrechterhalten werden kann, ist laut Land mit technischen Ausfälle zu rechnen. Besonders kritisch sei der Ausfall medizinischer Geräte, wie zum Beispiel Beatmungsgeräte, OP-Infrastruktur und Labore.

Pflegeeinrichtungen

In Pflege und Seniorenheim führt ein Stromausfall schnell zu großen Problemen. Lifte funktionieren nicht mehr, kein Licht im Gebäude. Ohne Strom keine Heizung. Innerhalb weniger Stunden kühlen die Gebäude aus. Das gleiche gilt für die Funktion der Sanitäranlagen, ausreichendes Frischwasser und Nahrungsmittelversorgung sowie die Versorgung mit medizinischen Gütern, Medikamenten oder sauberer Wäsche.

Sollte ein sicherer Betrieb nicht möglich sein, müssten die Bewohner in Krankenhäuser, zentralen Sammelstellen oder nach Haus verlegt werden, mahnt das Land.

Häusliche Pflege

Hilfsbedürftige Menschen seien aufgrund von Geräten wie beispielsweise Infusionspumpen, Dialyse- und Beatmungsgeräte sehr stark von Elektrizität abhängig, so der Rahmenplan. Automatische Betten, Türen sowie Rollstuhlfahrer mit elektrischen Rollstühlen brauchen eine Stromversorgung.

Irgendwann sind auch Akkus leer. Bei einem Stromausfall über 24 Stunden wird die Situation für die häusliche Pflege prekär. Dann ist die Evakuierung der Menschen erforderlich, erklären die Fachleute.

Trinkwasser

Da Trinkwasser in der Regel in Hochbehälter gepumpt wird, ist ein Stromausfall in diesem Bereich zunächst nicht ganz so kritisch. Damit Wasser zum Verbraucher kommt, reicht Physik. Erst wenn der Strom für längere Zeit weg ist, wird es problematisch. Ohne Strom laufen die Pumpen in den Trinkwasserbrunnen nicht.

Sollten Hochbehälter nicht mehr gefüllt werden, hat das auch Auswirkungen auf die Löschwasserversorgung.

Lebensmittelmärkte

Ohne Notstromversorgung verderben gekühlte beziehungsweise tiefgekühlte Ware schnell. Elektronischer Zahlungsverkehr mit der Bank- oder Kreditkarte ist auch nicht mehr möglich sein. Kunden sind auf Bargeld angewiesen.

Abwasser

In Kläranlagen sei mit dem Ausfall der mechanischen Reinigungsstufe zu rechnen, was zu Überschwemmungen und Rückstaus in die Kanalisation führen könne, so die Experten. Auch der Ausfall der biologischen Reinigungsstufe sei sehr wahrscheinlich, heißt es im Rahmenplan.

Tankstelle

Die Rechnung ist einfach: Ohne Strom laufen keine Pumpen an den Zapfsäulen und ohne Pumpe gibt es keine Kraftstoffe. Wie im Lebensmittelhandel fallen an der Tanke Bezahlsysteme aus und die Kunden müssen ihr Benzin mit Bargeld zahlen.

Kommunikation

Schon nach kürzester Zeit werden die normalen Kommunikationswege zusammenbrechen. Schnurlose Telefone, viele ISDN-Endgeräte und Router funktionieren ohne externe Stromversorgung nicht. Nach zwei Stunden sind auch an den meisten Mobilfunkmasten die Akkus leer.

Landwirtschaft

In der Milchwirtschaft treten in den ersten zwei Stunden eines Stromausfalls keine Probleme auf. Dauert die Unterbrechung der Stromversorgung an, können Schwierigkeiten entstehen, wenn der Stromausfall in die Melkzeit fällt. Dauert die Unterbrechung länger als acht Stunden, könne es bei Schweinen eine erhöhte Sterblichkeit geben, mahnt das Land.

Grund dafür ist die fehlende Ventilation in den Ställen. Ähnliches gilt für die Geflügelzucht. Um das Tierwohl nicht zu gefährden, sind Landwirte angehalten, sich um eine Notstromversorgung zu kümmern.

Privathaushalte

Die Folgen eines Stromausfalls sind zu Hause direkt spürbar. Viele Haushaltsgeräte fallen aus, darunter elektrische Beleuchtung, Telefon, Internet, Fernseher, Radio, Backofen und Herd. Nicht zu vergessen: Die Heizung funktioniert in der Regel nur mit Strom, was insbesondere im Winter zum Problem wird.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt, Akkus möglichst immer geladen zu halten und Reserveakkus bereitzuhalten. Kurbelradios, solarbetriebene Batterieladegeräte und Powerbank können hilfreich sein. Wichtig sei auch Bargeld im Haushalt, schreibt das BBK.

Notstrom

Um kritische Infrastruktur bei einem Stromausfall versorgen zu können, wurden 2012 durch das Land 27 Notstrom-Großaggregate (250 kVA) beschafft. Das für den Kreis ist aktuell in Neukirchen stationiert.

Die THW-Einheiten in Schwalmstadt, Fritzlar, Homberg und Melsungen haben in der Fachgruppe Notversorgung und Notinstandsetzung einen 50 kVA Stromerzeuger. Beim THW in Homberg ist außerdem ein 200 kVA Stromerzeuger in der Fachgruppe Elektroversorgung stationiert.

200 kva Stromerzeuger der Homberger THW Fachgruppe Elektro beim Einsatz im Ahrtal.
200 kva Stromerzeuger der Homberger THW Fachgruppe Elektro beim Einsatz im Ahrtal. © THW Homberg

Diese Fachgruppe ist durch das THW extra für die Bewältigung dieser Lagen aufgestellt worden. Seit 2018 gibt es so eine Einheit auch in Homberg. „Neben dem Stromerzeuger haben wir umfangreiches Kabel- und Leitungsmaterial, sowie Material zur Reparatur beschädigter Infrastruktur – wie im Ahrtal“, erklärt Dominik Bartl, stellvertretender Leiter der Fachgruppe Elektro. Außerdem verfüge das THW über mehrere Zelte zur Unterbringung und vielem anderen Gerät, welches in solchen Lagen genutzt werde, so Bartl weiter.

Neben Feuerwehr und THW hat aber auch das DRK hat in diesem Feld stark aufgerüstet. (Matthias Haaß)

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