Neukirchen: Untersuchung auf Eis

Eine interne Untersuchung der Rathaus-EDV in Neukirchen wird es nun doch nicht geben.
Das erklärte Karl-Christian Schelzke, Verteidiger von Bürgermeister Klemens Olbrich, im Gespräch mit der HNA.
Wegen des Ertrinkungstodes dreier Kinder in Seigertshausen gibt es neue Anschuldigungen, Zeugen sollen vor Gericht in Treysa in der Sache falsch ausgesagt haben. Der Vorwurf lautet, ein belastendes Papier, das bei Durchsuchungen gefunden wurde, sei geheimgehalten worden.
Durch eine rathausinterne Untersuchung wollte der Bürgermeister wohl nachzuweisen lassen, dass er das belastende Papier nicht kannte. Sie sollte zunächst von Marian Knauff, Hauptamtsleiter im Rathaus, geleitet werden. Doch kurz darauf hatte Olbrich Knauff von der Aufgabe auf dessen Wunsch wieder befreit. Knauff sei der Ansicht, das gehe mit seiner Kandidatur als Bürgermeister nicht zusammen.
Knauf bleibt Bürgermeisterkandidat
Diese Woche unterstrich der 44-Jährige, dass er an seiner Kandidatur zur Wahl des neuen Bürgermeisters am 1. November unverändert festhalte. In der Stadt waren zuvor Gerüchte laut geworden, Hauptamtsleiter Knauff wolle nicht mehr Chef im Rathaus werden. Das dementierte Knauff entschieden.
Auch andere kommen für so eine eigene Ermittlung nicht in Betracht, so Schelzke, der auch Geschäftsführender Direktor des HSGB (Hessischer Städte- und Gemeindebund) ist.
Nach ausführlicher Diskussion auch mit seiner Tochter Dr. Ricarda Schelzke, die ihn bei der Verteidigung unterstütze, sei man übereingekommen, auf eine eigene Beweisführung zu verzichten.
Verteidigung vertraut Ermittlungsarbeit
„Wir haben volles Vertrauen in die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft“, so Schelzke. Und hausinterne Ermittlungen würden nur zu Unfrieden im Rathaus führen.
Fragen können nicht beantwortet werden
Die HNA-Redaktion hatte Bürgermeister Klemens Olbrich einen Fragenkatalog zu vielen Punkten geschickt, mit denen sich die Staatsanwaltschaft Marburg befasst. Den wollte der Verwaltungschef nach der internen Untersuchung in seiner Behörde beantworten.
Nun, da die Beauftragung einer solchen Untersuchung gescheitert ist, weder Hauptamtsleiter Knauff noch der Landkreis dazu bereit sind, wird die Öffentlichkeit auf die Antworten wohl noch lange warten müssen, mindestens solange, bis die Verteidigung Akteneinsicht besitzt. Karl-Christian Schelzke sagte der HNA, dass es ein Pressegespräch erst danach geben könne.
Wir wollten gleich nach den Durchsuchungen in Neukirchen Näheres erfahren über die Vorgänge im Jahr 2014, als die Versicherung GVV der Stadt Neukirchen das Schreiben zur erhöhten Gefahr schickte, die nach Dammbauarbeiten bestehe. Darin soll damals, zwei Jahre vor dem tragischen Tod der Geschwister, schon ausgeführt worden sein, dass die Teichanlage für Kinder gefährlich und eine Einzäunung des Geländes empfehlenswert sei.
Wo ist das Versicherungsschreiben
Wie kam es überhaupt dazu? Wer hat die Versicherung damals informiert und später geschwiegen? Was genau steht in dem Papier, das in Medienberichten als „Risikoanalyse“ bezeichnet wird und das im Prozess vor dem Amtsgericht Treysa keiner der aufgerufenen Zeugen nannte und also nicht gekannt haben will. Wer alles wurde 2014 informiert?
Posteingangsstempel und Vermerke dürften dies aufzeigen. Für jeden Beteiligten und alle Beobachter ist die Kardinalfrage, wer derjenige ist, der im Mai die Existenz des Papiers der Staatsanwaltschaft anzeigte.
Bürgermeister Klemens Olbrich blieb auch nach dem Auffinden des Papiers dabei, dass er ein Schreiben mit einem solchen Inhalt nicht im Bewusstsein hatte. Den Vorwurf zur Anstiftung von Falschaussagen nannte er absurd. Verteidiger Schelzke unterstrich jetzt einmal mehr, dass Olbrich nicht unterrichtet war, das habe der ihm erneut bekundet.
Gerichtsverhandlung wohl wieder in Schwalmstadt
Nach bisherigen Informationen unserer Zeitung würde über mögliche Falschaussagen der Zeugen im Teichverfahren wiederum vor dem Amtsgericht Treysa verhandelt.
Das Berufungsverfahren vor dem Landgericht Marburg ist davon losgelöst: Beide Seiten, Olbrich und die Staatsanwaltschaft, wollten es nach dem Schuldspruch von Treysa im Februar. Wann das soweit sein wird, kann derzeit niemand beantworten. Die Auswertung der zahlreichen Handys, Dateien und weiterer Beweismittel, die die Ermittler am 20. Mai mitgenommen hatten, wird allein Wochen beanspruchen.
VON ANNE QUEHL