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Nachtfieber: In der Diskothek „New Dancing“ in Hausen war die Atmosphäre familiär

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Von: Jan-Christoph Eisenberg

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Sorgten für die passende Musik: Im Wechsel mit Dieter Merz legte ab etwa ab 1978 auch Hans-Walter Böcher (rechts) in der Diskothek „New Dancing“ im Oberaulaer Ortsteil Hausen die Platten auf.
Sorgten für die passende Musik: Im Wechsel mit Dieter Merz legte ab etwa ab 1978 auch Hans-Walter Böcher (rechts) in der Diskothek „New Dancing“ im Oberaulaer Ortsteil Hausen die Platten auf. © Dieter Merz / Privat / NH

In der Serie „Nachtfieber“ erinnern wir an ehemalige Diskotheken in der Region. Heute geht es um das für seine familiäre Atmosphäre bekannte New Dancing in Oberaula-Hausen.

Hausen – Wenn in Hausen Beerdigungen auf einen Freitag fielen, kam es mitunter vor, dass die Sargträger am Abend noch in ihren schwarzen Anzügen in einer Nische des „New Dancing“ saßen und dem Partyvolk auf der Tanzfläche zuschauten.

Treffpunkt fürs Partyvolk der umliegenden Orte: Die Tanzfläche im „New Dancing“ war fast immer gut gefüllt.
Treffpunkt fürs Partyvolk der umliegenden Orte: Die Tanzfläche im „New Dancing“ war fast immer gut gefüllt. © Dieter Merz / Privat / NH

Denn bei der Diskothek handelte es sich genau genommen um die Gaststätte „Zur Post“, die sich ab 1976 jeden Freitagabend in einen Tanztempel verwandelte. „Gestört hat das niemanden“, erinnert sich Dieter Merz mit Blick auf diese eher außergewöhnliche Zusammensetzung des Publikums. Der 64-Jährige ist in dem Oberaulaer Ortsteil aufgewachsen und hat im „New Dancing“ im Wechsel mit Walter Böcher aus Alsfeld die neuesten Hits aufgelegt.

Wie die Diskothek zu ihrem Namen kam, weiß der frühere DJ nicht mehr genau, wohl aber, dass alles mit einem Plattenspieler, zwei Lautsprechern und 20 Schallplatten anfing: 1976 habe er an einem Samstagnachmittag auf der Geburtstagsfeier eines Freundes Musik gemacht. Auch andere neugierige Gäste kamen herein und es wurde getanzt – das „New Dancing“ war geboren.

Livemusik: Auch die Rockband Frenchy trat in der Diskothek auf.
Livemusik: Auch die Rockband Frenchy trat in der Diskothek auf. © Dieter Merz / Privat / NH

„Wir haben ganz winzig angefangen“, blickt Merz zurück. Mit Postern und Partylichtern wurde für die passende Dekoration gesorgt und der Gastwirt Ulrich Allendorf schaffte eine größere Musikanlage an. Hinter der Theke und an der Kasse halfen Stammgäste mit. Die neuesten Schallplatten kaufte Dieter Merz in Bad Hersfeld oder er nahm am Radio die angesagten Titel auf Kassette auf, um sie abends abzuspielen. „Für jeden Geschmack war etwas dabei. Neben den aktuellen Hits wurden auch Oldies sowie eine gute Portion Hardrock gespielt“, erklärt Dieter Merz, der nach eigenem Bekunden als erster eine Schallplatte von Marius Müller-Westernhagen in der Region aufgelegt hat. Für 99 Pfennige Eintritt habe er 1978 eher zufällig ein Konzert in einer Scheune in Norddeutschland besucht und nach dem Auftritt des damals noch unbekannten Musikers die signierte Scheibe erstanden.

Elvis an der Wand: Mit Postern und Partylichtern wurde für die passende Dekoration gesorgt. Am DJ-Pult steht Dieter Merz.
Elvis an der Wand: Mit Postern und Partylichtern wurde für die passende Dekoration gesorgt. Am DJ-Pult steht Dieter Merz. © Dieter Merz / Privat / NH

Über einen Bekannten bei der Bundeswehr kam ein Auftritt der Rockband „Frenchy“ im „New Dancing“ zustande – „wilde Typen aus Süddeutschland“, sagt Dieter Merz lachend. Livemusik blieb aber eher die Ausnahme. Bei einer Hitparade wurden jeweils kleinere Sachpreise verlost – zugunsten der Aktion Sorgenkind 1978 sogar ein Ford Capri.

Die Betreiber: Gastwirt Ulrich Allendorf mit seiner Frau Marion und seiner Schwägerin Ingrid Nuhn.
Die Betreiber: Gastwirt Ulrich Allendorf mit seiner Frau Marion und seiner Schwägerin Ingrid Nuhn. © Dieter Merz / Privat / NH

Dass die Disko viel zu bieten hatte, habe sich schnell herumgesprochen. Bis zu 350 Gäste seien freitagabends in das Tanzlokal geströmt – meist aus umliegenden Orten, aber auch zwei in Bad Hersfeld stationierte US-Soldaten zählten zu den Stammgästen. Beliebt seien auch die Faschingsdiskos gewesen. Zahlreiche Paare haben sich laut Merz in der Diskothek kennengelernt. „Man hatte immer das Gefühl, als wäre es ein Treffen einer großen Familie, das sich regelmäßig freitags wiederholte“, beschreibt er die besondere Atmosphäre.

Pünktlich um 1 Uhr morgens war die Party mit Rücksicht auf die Anwohner allerdings vorbei. „Dann saßen alle, die dabei geholfen hatten, dass der Abend ein Erfolg wird, gemeinsam in der Küche bei Woscht und Eierbrot zusammen“, berichtet der frühere Discjockey.

Im Zentrum von Deutschland: Das Lobo der Diskothek auf einem Mitglieder-T-Shirt.
Im Zentrum von Deutschland: Das Lobo der Diskothek auf einem Mitglieder-T-Shirt. © Privat

Das zehnjährige Bestehen wurde mit einer großen Party gefeiert. Der Besucherzustrom ging mit den Jahren allerdings merklich zurück – auch anderenorts lockten zwischenzeitlich eröffnete Diskotheken das Publikum. Das „New Dancing“ war deshalb Ende 1989 Geschichte, das Gasthaus „Zur Post“ existiert jedoch bis heute. Dieter Merz lebt seit vielen Jahren im Schwalmstädter Stadtteil Trutzhain und arbeitet als Sachbearbeiter bei der Deutschen Bahn in Frankfurt. Das Musikmachen hat er aus Zeitgründen längst aufgegeben.

Gemeinsam mit DJ-Kollege Hans-Walter Böcher hat er allerdings zur 850-Jahrfeier von Hausen im Jahr 2010 die Disko-Ära bei einer „New-Dancing-Revivalparty“ im Festzelt noch einmal aufleben lassen. Gefeiert wurde wie in alten Zeiten – Sargträger in schwarzen Anzügen waren allerdings nicht im Publikum.

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