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Wirbel um Ottrauer Wasser

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Wasser Schorbach Wasserwerk/Tiefbrunnen
Marode: Der Tiefbrunnen von Schorbach soll stillgelegt werden. © Matthias Haaß

Es sind Bilder von korrodierten Leitungen und leckenden Brunneneinfassung, die schockieren: Und genau diese Empörung brachten viele Ottrauer bei einer Bürgerversammlung am Dienstagabend in Schorbach auch deutlich zum Ausdruck. Mehr als 100 Menschen waren gekommen, um sich selbst ein Bild vom Zustand der Wasserversorgung zu machen, die durch das Ingenieurbüro IGM fachlich untersucht worden war.

Im Sommer waren die Ergebnisse bereits der Gemeindevertretung vorgestellt worden, jetzt erfuhren die Gebührenzahler mehr über den katastrophalen Zustand der veralteten Technik aus den 1970er-Jahren. „Was habt ihr in den vergangenen Jahren überhaupt gemacht?“, „Was passierte mit unserem Wassergeld?“, „Wie konnte es überhaupt so weit kommen?“ – so lauteten die Fragen der sichtlich aufgebrachten Ottrauer.

Bürgerversammlung Schorbach Bürgermeister Norbert Miltz
Erklärungsversuche: Bei der Bürgerversammlung in Schorbach sprach auch Bürgermeister Norbert Miltz. © Regina Ziegler-Dörhöfer

Der Vorsitzende der Gemeindevertretung Reinhard Becker konnte zwar eine Auflistung laufender Arbeiten der vergangenen Jahre vorlegen, zugleich gab er aber auch zu bedenken, dass die Gemeinde in der Vergangenheit mit vielen weiteren Aufgaben wie der Flüchtlingsproblematik oder der Kinderbetreuung belastet gewesen wäre.

Diese Argumente wollten die Ottrauer nicht hinnehmen und hakten nach: „Wir haben mit 4,09 Euro das teuerste Wassergeld Hessens und dann sehen unsere Anlagen so aus?“, hieß es beispielsweise aus den Zuhörerreihen. Bürgermeister Norbert Miltz wies daraufhin, dass die Gebühren seit 2012 von einem externen Büro aufgrund der Wasserversorgungskosten ermittelt würden und sie jederzeit eingesehen werden könnten. Becker empfahl, sich mit dem Konzept des Ingenieurbüros auseinanderzusetzen.

„Uns bleibt wohl auch nichts anderes übrig. Das Kind ist sprichwörtlich in den Brunnen gefallen“, sagte Jens Danecker, der vor drei Jahren in die Gemeinde zog und als Fachmann für Tiefbauarbeiten mit großem Sachverstand Fragen stellte und die Gemeinde zu mehr Transparenz aufforderte: „Die Bürger müssen wissen, mit welchen Kosten sie in den kommenden Jahren zu rechnen haben. Wir können uns solch einen Umgang mit unserem Trinkwasser nicht leisten.“ 

Schorbach: Viele Fragen zur Versorgung

Wie es künftig mit der Wasserversorgung in Ottrau weitergehen soll, aber auch, wie es ursächlich zu einem solch katastrophalen technischen Zustand kommen konnte – all diese Fragen treiben die Menschen aktuell um. Einige Schorbacher hatten sich im Vorfeld die Wasserversorgung im benachbarten Asterode angeschaut, die von einer Wasserversorgungsgenossenschaft organisiert wird. „Wieso konnten in Asterode Erneuerungen zu viel günstigeren Preisen umgesetzt werden?“ , fragte Gert Kurz. 

Das Ingenieurbüro erklärte, dass eine Gemeinde Ausschreibungsrichtlinien einzuhalten habe und somit beispielsweise keine Nachverhandlungen zulässig seien. Bei den angesetzten Preisen der Kostenaufstellung des Konzeptes seien übliche Richtwerte zu Grunde gelegt. So errechnete Ingenieur Michael Volz, dass zur Instandsetzung der zentralen Wasserversorgungsanlagen (Hochdruckbehälter, Brunnen) rund 2,7 Millionen Euro nötig wären und für die Ortsnetze weitere 1,35 Millionen Euro angesetzt werden müssten. 

In ihrer Kalkulation gingen die Experten davon aus, dass die Stilllegung des abgängigen Tiefbrunnens in Schorbach wirtschaftlicher und technisch sinnvoller ist, als eine Sanierung. Im Zuge dessen sollte für Weißenborn und Schorbach ein gemeinsamer neuer Hochdruckbehälter gebaut werden, der dann vom Brunnen in Weißenborn über neue Rohrleitungen gespeist wird. Zugrunde liegt dem Ganzen die Wasserversorgungsstudie, die in fünf Ortsteilen Ottraus drei Tiefbrunnen, drei Aufbereitungsanlagen, drei Hochbehälter und fünf Leitungsnetze untersuchte. 

Anlagen sind teilweise veraltet

Die baulichen Anlagen stammen aus den 1960er/1980er- und 2000er-Jahren. Im Bereich Schorbach beträgt die Quote am Wasserverlust 26 Prozent. Allein das Hauptleitungsnetz hat in vergangener Zeit 22 Rohrbrüche zu verzeichnen. 

Bei der Löschwasseranalyse reichten die Brauchwasservorräte in Schorbach nicht aus. Die Stein-, Schneid- und Lenzenmühlen wie auch Kleinropperhausen können gar keine Löschwasservorräte aufzeigen, stünde hier doch lediglich Bachwasser mit mobiler Staustufentechnik für Löscheinsätze zur Verfügung. Die Wasseraufbereitung in Weißenborn funktioniert, weist aber vereinzelt coliforme Keime auf. 

In schlechtem Zustand: Der Hochbehälter im Ottrauer Ortsteil Schorbach.
In schlechtem Zustand: Der Hochbehälter im Ottrauer Ortsteil Schorbach. © Matthias Haaß

Die Aufbereitungsanlage in Schorbach ist veraltet und es kommt vermehrt zu coliformen Keimen. Der Entsäuerungsbetrieb ist hier nicht sicher gewährleistet. Bei der Betrachtung der baulichen Zustände kam das Ingenieurbüro zu der Erkenntnis, dass zahlreiche Anlagen Hygienemängel, Insekten-, Hochwasser- und Arbeitsschutzdefizite aufzeigen. 

Besonders gravierend in Schorbach, wo beispielsweise der Filterkessel korrodiert und der Brunnenkopf undicht ist. Die Elektrotechnik erfüllt keinerlei gängige Norm. Ein ordnungsgemäßer Betrieb ist nicht möglich. Die Wasserversorgung für die Gebiete Ottrau/Immichenhain und Weißenborn kann als gesichert betrachtet werden. Der Schorbacher Brunnen ist jedoch abgängig. Schon jetzt muss die Pumpenleistung gedrosselt werden, damit die Nachlaufkapazität des Wassers im Brunnen aufgeholt werden kann. Bei normaler Förderleistung des über 100 Meter tiefen Brunnens sinkt der Wasserpegel um 40 Meter ab. 

Eine Wasserleitungsnetzberechnung gibt es in der Gemeinde bislang nicht, sollte zur Beurteilung von erforderlichen Druckbedingungen aber erstellt werden.

Von Regina Ziegler-Dörhöfer

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