1. Startseite
  2. Lokales
  3. Schwalmstadt
  4. Schwalmstadt

Neukirchen: Teichprozess geht weiter

Erstellt:

Kommentare

Berufungsverhandlung im sogenannten Teichprozess am Landgericht in Marburg. Im Bild der ehemalige Bürgermeister von Neukirchen und sein Anwalt Frank Richtberg.
Berufungsverhandlung im sogenannten Teichprozess am Landgericht in Marburg. Im Bild der ehemalige Bürgermeister von Neukirchen und sein Anwalt Frank Richtberg. © Beatrix Achinger

Das tragische Unglück dreier Kinder im Alter von fünf, acht und neun Jahren, die im Juni 2016 in einem Feuerlöschteich im Neukirchener Ortsteil Seigertshausen ertranken, beschäftigt seit Mittwoch das Marburger Landgericht.

Marburg/Neukirchen/Seigerthausen. Vor rund drei Jahren hatte das Amtsgericht Schwalmstadt den früheren Bürgermeister Klemens Olbrich für schuldig befunden und wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro verurteilt und diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Laut Urteil hatte Olbrich in seiner Funktion als Bürgermeister gebotene Maßnahmen zur Sicherung des Teiches unterlassen und so den Tod der Kinder verursacht.

Neben dem Angeklagten und Verteidigung hatte auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, die die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts als zu mild befand. Nach der Verhandlung in Schwalmstadt ist ein Schreiben der Kommunalversicherung bekannt geworden, in dem die Stadtverwaltung auf die Gefahren der Situation am Seigertshäuser Teich hingewiesen worden sei, mit der Empfehlung, den Teich einzuzäunen.

Dieses Thema stand am ersten Verhandlungstag im Fokus: Klemens Olbrich war zur Einlassung bereit und äußerte am Anfang seine Anteilnahme: „Dieser tragische Unglücksfall macht mich immer wieder betroffen und wird mich mein Leben lang begleiten.“

Schreiben hatte einen Sichtvermerk

Das besagte Schreiben der Kommunalversicherung, das einen Posteingangsstempel aus dem April 2014 trägt, habe er damals als Sichtvermerk mit einem roten Strich gekennzeichnet und es sei zur Weiterbearbeitung an die zuständige Abteilung gegangen, das sei Usus bei Posteingängen. „Ich sah das Logo und dachte an ein normales Versicherungsschreiben“, also habe er es abgezeichnet und nicht weiter beachtet.

Hätte er die Wichtigkeit des Schreibens registriert, dann hätte er einen Verfahrensvermerk mit der Bitte um Rücksprache für den Abteilungsmitarbeiter gemacht, aber er habe es leider nicht bewusst gesehen. „Ich kann Ihnen einfach nicht sagen, warum dieses Schreiben nicht bearbeitet wurde. Niemand ist immer zu 100 Prozent konzentriert“, sagte Olbrich.

Tatsächlich gab es in der Stadtverwaltung einen Verantwortlichen für Gefährdung, der die Versicherung angeschrieben hatte und die Antwort sei eben im April 2014 gekommen. In dem Schreiben mit dem Betreff „Verkehrssicherungspflicht für eine Teichanlage“ heißt es, dass eine Gefahr für Kinder dann besteht, wenn ein Teich eine Einstiegstiefe von mehr als einem halben Meter aufweist, insbesondere dann, wenn das Ufer steil abfällt, was hier der Fall sei. Die Versicherung empfiehlt in dem Brief die Einzäunung des Teichs.

Klemens Olbrich versicherte auf Nachfrage vom Vorsitzenden Richter Dr. Sebastian Pfotenhauer, dass er die Anfrage des Mitarbeiters an die Versicherung weder angestoßen habe, noch darüber in Kenntnis gesetzt worden sei. Weiter kam zur Sprache, dass E-Mails an den Seigertshäuser Ortsvorsteher und den Bauamtsleiter geschrieben worden seien und Olbrich wunderte sich, nicht in Kopie gesetzt worden zu sein.

Auch bekräftigte der frühere Bürgermeister am ersten Verhandlungstag mehrfach, dass er den Teich nie als gefährlich wahrgenommen habe und es auch keine Hinweise darauf aus der Bevölkerung oder von professionellen Dritten gegeben habe – die Notwendigkeit von Sicherheitsmaßnahmen war demnach nie Thema. „Hätte jemand auf eine Gefahr hingewiesen, hätten wir natürlich sofort etwas gemacht. Es ist völlig unverständlich, dass da eben die Lampe nicht brannte“, sagte Klemens Olbrich. (Beatrix Achinger)

Auch interessant

Kommentare