Schwalmstadt: 100 Tage Bürgermeister Tobias Kreuter

Die 100-Tage-Frist ist die übliche Zeit, die ein neuer Amtsinhaber hat, um sich einzuarbeiten und erste Vorhaben auf den Weg zu bringen.
Schwalmstadt – Für Schwalmstadts Bürgermeister Tobias Kreuter läuft diese Frist heute ab, im HNA-Gespräch berichtet er über seinen Start.
Wie sieht so ein erster Diensttag aus, bei Ihnen Donnerstag, 1. Dezember?
Ich habe früh um 7 Uhr den neuen Bauhofleiter Uwe Knierim begrüßt, mein zweiter Weg führte ins Rathaus Ziegenhain, dann zur Kläranlage, ins Wasserwerk, Rathaus Treysa. Ich hatte am Vorabend allen 330 Mitarbeitern per Mail mitgeteilt, dass ich jeden einzelnen treffen möchte, so schnell wie möglich, aber an einem Tag klappt das natürlich nicht.
Einige kennen Sie sowieso schon, wie halten Sie das?
Na klar, einige schon aus der gemeinsamen Kindergartenzeit, vom Fußball, manche sind Freunde. Du oder Sie, das geht beides, aber gleichgültig wie, ich habe vor, alle gleich zu behandeln. Ich bin mehr der authentische Typ als der Diplomat.
Wo können Sie sich in solch einer Frage Rat holen?
Ich bespreche Vieles mit meiner Frau. Früher haben wir mehr über ihren Job gesprochen, sie ist Lehrerin an der Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld. Jetzt geht es gerade oft um meinen.
Was unterscheidet Ihren einstigen vom jetzigen Job?
In der Bundesbank ging es grob gesagt um Quantifizierung von Risiken, eher weit weg vom normalen Bankgeschäft, eine ganz eigene Berufswelt. Bürgermeister zu sein, ist etwas Handfestes. Ich will mir übrigens keinen Politsprech zulegen.
Man hört oft von Zeitnot, die das Amt mitbringt, wie sieht das aus bei Kreuters?
Ich wecke die Kinder um 6.15 Uhr, mache Frühstück, die Jüngeren bringe ich zur Schule und in den Kindergarten, gegen 7.45 Uhr bin ich dann im Rathaus. Abends geht es kaum vor 19 Uhr nach Hause. Aber meine Tochter kommt schon mal zum Hausaufgaben machen in mein Büro.
Wie halten Sie es mit Terminen, zu denen ein Repräsentant der Stadt erscheinen muss?
Ich bin kein Bürgermeister, der 24/7, also rund um die Uhr, arbeiten wird. Der Magistrat umfasst elf Personen, da versuche ich breit zu verteilen. In erster Linie bin ich Behördenleiter.
Natürlich gehört das Priorisieren dazu, die Versammlungen der Feuerwehren zum Beispiel sind sehr wichtig, da ein Bürgermeister auch die Verantwortung für die Mitglieder der Einsatzabteilung trägt und auch, dass man für die Menschen ansprechbar ist. Mein Bürgersprechstunden-Angebot wurde bei den ersten Terminen sehr gut angenommen.
ZUR PERSON
Tobias Kreuter (45), ist verheiratet mit Barbara Kreuter-Hiller (43 Jahre), ihre Kinder sind Magnus (12), Liv-Grete (7) und Agneta (4). Der Parteilose, der für die SPD als Stadtverordneter und Leiter des Haupt- und Finanzausschusses fungierte, hatte seine Kandidatur im Herbst 2021 als Erster angekündigt und setzte sich im Juni 2022 im ersten Wahlgang gegen Amtsinhaber Pinhard und den parteilosen Stefan Prinz durch. Am 1. Dezember hat er das Amt übernommen. Der gebürtige Schwalmstädter kommt als verbeamteter Diplom-Betriebswirt von der Deutschen Bundesbank und ist als hervorragender Torwart des FC Schwalmstadt bekannt geworden. aqu
Können Sie gut delegieren?
Es geht nicht anders. Mein alter Chef sagte: Tobias, du weißt was du mir sagen musst und was du selbst machen kannst. Ich lese viel nach, aber ich habe auch großes Vertrauen in die Entscheidungen der Abteilungen für das tägliche Geschäft. Elementare Entscheidungen diskutiere ich mit meinen Abteilungsleitern und diese werden dann im Magistrat entschieden.
Bei aller Vertraulichkeit ist ein allgemeiner Informationsaustausch zwischen Magistrat und Fraktionsvorsitzenden gewünscht, etwa durch Protokolle der Sitzungen, aber bei wichtigen und sensiblen Themen wie dem Gewerbegebiet A 49 gilt natürlich die Pflicht zur Verschwiegenheit.
Ich arbeite schon eine längere Zeit mit, letztlich fallen die Entscheidungen im Magistrat fast immer einstimmig.
Das wird im Stadtparlament nichts werden, oder?
Man muss Realitäten annehmen. Ich hatte Besprechungen mit den Fraktionsvorsitzenden, auch schon vor der Einbringung meines ersten Haushalts [die Abstimmung war am Donnerstag nach Redaktionsschluss, Anmerkung der Redaktion]. Selbstverständlich will ich alle einbinden, man muss aber sehen, dass es inzwischen eben sechs Fraktionen plus die Vertreterin der Linke sind.
Ich rechne mit Änderungsanträgen, erkläre Sachverhalte und biete dadurch Transparenz. Ich akzeptiere die Entscheidungen und setze diese um.
Aber Sie saßen für die SPD im Stadtparlament.
Ja, und ich bin auch Treeser. (lacht). Mit geht es um die Sache. Angriffe nehme ich sportlich, nachtragend bin ich nicht.
Bei der Bürgermeisterwahl im vergangenen Sommer haben Sie sich aber überraschend schon im ersten Wahlgang durchgesetzt – gegen den Amtsinhaber und den Kandidaten von CDU, Freie Wähler und Grünen.
Ja, ein großer Vertrauensvorschuss für mich, ich habe mit meinem Lebenslauf und meinen Erfahrungen geworben. Große inhaltliche Versprechungen konnte und wollte ich nicht machen, aber diese drei Themen stehen ganz oben: Gewerbegebiet A 49, Schwalmstadt als Konfirmationsstadt voranbringen und wesentliche Bauprojekte umsetzen.
Aber die Zeiten sind schwer, was geht?
Man muss dankbar sein für die Einnahmesituation in Schwalmstadt, im Nachtrag standen schließlich 10 Millionen Euro an Gewerbesteuern, um nur diesen Posten zu nennen. Aber ja: Stark gestiegene Zinsen und hohe Betriebskosten verkleinern den wünschenswerten Handlungsspielraum, alle Pläne aus dem Investitionsprogramm werden nicht realisierbar sein.
Dabei darf das energetische Sanieren nicht in den Hintergrund geraten, wir streben mittelfristig an, klimaneutrale Kommune zu sein.
Alle fragen sich: Was läuft mit dem A 49-Gewerbegebiet?
Wie ich in meiner Einbringungsrede gesagt habe, wenn es wichtige Entwicklungen gibt, werde ich zuerst die betreffenden Eigentümer informieren. Ich lerne hierbei aus Fehlern, die in früheren Jahren gemacht wurden.
Fehler Ihres Vorgängers Stefan Pinhard?
Das ist vielleicht einer der Gründe, dass ich hier bin. Jetzt heißt es, die Sache besser zu machen.
Werden Sie ein anstrengender Chef für die Mitarbeiter Ihrer Verwaltung?
Sagen wir so, es wird Entscheidungen von mir geben, das ist mein Job. In der Regel suche und finde ich pragmatische Lösungen.(Anne Quehl)