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Strom aus Mühlen an der Schwalm: Wasserkraft sorgt für Energie

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Die Nachfolge ist bei Karl Schmidt gesichert, von links: Andreas Adler, Karl Schmidt, Elias Schmidt vor ihrer Mühle.
Die Nachfolge ist bei Karl Schmidt gesichert, von links: Andreas Adler, Karl Schmidt, Elias Schmidt vor ihrer Mühle. © Guido Hahn

In unserer Serie „Energiewende – Die Schwalm legt den Schalter um“ geht es heute um die Nutzung von Wasserkraft in und mit der Schwalm: Ein Treffen mit den Mühlenbetreibern Karl Schmidt, Reiner Auffarth und Michael Nau.

Schwalm – Alle leiden unter den stark gestiegenen Energiekosten. Wasserkraftwerke haben einen im Vergleich mit Solar- und Windkraftanlagen den Vorteil, dass hier zuverlässig dauerhaft Strom produziert wird, weil das Wasser ständig durch die Turbinen fließt.

In den heißen Sommern der letzten Jahre reduzierte sich die Strommenge, im Fall der Allendorfer Mühle von Carla und Rainer Auffarth beispielsweise von 18 auf bis zu 7 Kilowattstunden. Über den Tag verteilt wird jedoch ganztags gleichmäßig Strom produziert. Da im Sommer weniger Strom benötigt wird als im Winter, ist die Stromproduktion der Wasserkraft dem Strombedarf durchaus angepasst.

Alt, aber voll funktionsfähig: Durch solche Generatoren wird aus Wasserkraft Strom.
Alt, aber voll funktionsfähig: Durch solche Generatoren wird aus Wasserkraft Strom. © Guido Hahn

Die Mühle der Auffarths befindet sich in einem Altbau aus dem 19. Jahrhundert. Bis Mitte der 1980er Jahre wurde hier mit Wasserkraft Getreide gemahlen. Damals wurde von der Kraftübertragung durch Riemen, der sogenannten Transmission, auf den Elektrobetrieb umgestellt. 1988 wurde die Mühle von der Familie übernommen.

Eine 18-KW-Turbine wandelt heute die Wasserkraft in Strom um. Die zweite, kleinere 12-KW-Turbine darf zusätzlich nicht mehr betrieben werden. Rainer Auffarth musste wegen der vielfältigen umwelt- und artenschutztechnischen Auflagen auf den Weiterbetrieb verzichten. 2009 wurde eine Fischaufstiegsanlage gebaut.

Ein Teil des Wassers fließt seit dieser Zeit nicht mehr über die Turbine und kann somit nicht mehr zur Stromgewinnung genutzt werden. Um zu vermeiden, dass Fische in der Turbine zu Tode kommen, musste ein Fischschutzgitter installiert werden, dessen Stäbe einen Abstand von maximal 15 Millimetern haben dürfen.

Die Stromproduktion aus Wasserkraft kann noch rentabel betrieben werden, solange die bestehende alte Anlage nicht durch eine neue ersetzt werden muss. Es mussten bisher nur Reparaturen und grundlegende Überholungen vorgenommen werden. Werden jedoch größere Investitionen erforderlich wie der Einbau einer neuen Turbine könnte dies zur Aufgabe führen.

Die verringerte Wassermenge und die hohen Auflagen führen voraussichtlich dazu, dass diese Investition unwirtschaftlich ist, so Rainer Auffarth. Kleinere Reparaturen führt er selbst durch, da er Elektroingenieur ist.

Die Mühlenbetreiber erfüllen eine weitere wichtige Aufgabe, die ihnen nicht separat vergütet wird. Sie entfernen den Müll, der sich im Einlaufbereich sammelt und sorgen damit dafür, dass die Schwalm nicht immer mehr vermüllt. Rainer Auffarth kompostiert die organischen Abfälle und bringt die restlichen Abfälle zur Müllum-schlagstation nach Ziegenhain.

Strom aus 13 Mühlen an der Schwalm

Die Fischpopulation ist seit den 1960er Jahren in unseren Flüssen deutlich zurückgegangen. Die Wasserkraftwerke wurden mit immer mehr Auflagen belegt, weil man davon ausgeht, dass in den Turbinen viele Fische ums Leben kommen. Die drei Wasserkraftbetreiber sehen dies anders. Fischschutzgitter verhindern, dass die Fische in die Turbinen geraten, so Karl Schmidt.

Nach seiner Auffassung sind vor allem die Intensivierung der Landwirtschaft und die Kläranlagen mit ihren Schadstoffeinträgen für den Rückgang der Fischpopulation verantwortlich. Herbizid-, Pestizid- und Düngemittelrückstände werden in die Gewässer eingetragen.

Die größte Turbine in Dittershausen, hinten Karl Schmidt (links) und Michael Nau.
Die größte Turbine in Dittershausen, hinten Karl Schmidt (links) und Michael Nau. © Guido Hahn

Aus den Kläranlagen werden ebenfalls Hormon- und Arzneimittelrückstände eingeleitet, die den Fischen zusetzen und den Fischlaich unfruchtbar machen. Für Schmidt ist Wasserkraft das Juwel unter den erneuerbaren Energien, grundlastfähig, netzstabilisierend und sicher verfügbar, zudem langlebig und dezentral.

Mehr als 100 Jahre Laufzeit haben die Turbinen aus Guss und Stahl. Der Flächenverbau einer Wasserkraftanlage sei gegenüber anderen Energieanlagen sehr gering.

Karl Schmidt ist stellvertretender Vorsitzender in der Arbeitsgemeinschaft Thüringer Wasserkraftwerke und im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Hessischer Wasserkraftwerke. Bis vor zwei Jahren war er auch Mitglied des Bundesvorstandes. Von ehemals etwa 80 000 Anlagen um 1900 bestehen heute nur noch ca. 7500, so Schmidt.

An der Schwalm wird in den Mühlen in Altenburg, Loshausen, Schlierbach, Niederurff, Bad Zwesten (drei Mühlen), Kerstenhausen (zwei Mühlen), Gombeth, Singlis und Harle noch Strom produziert. Alle anderen Standorte wurden aufgegeben.

Termin: Vom 12. bis 14. Mai besteht die Möglichkeit, die Mühle in Dittershausen zu besichtigen. Im Rahmen der 775-Jahr Feier von Dittershausen wird das 150-jährige Betriebsjubiläum der Mühle gefeiert, zu dem die Mühle mit allen Betriebsanlagen, Säge- und Hobelwerk für die Öffentlichkeit offensteht.

Die Mühlen - Langlebige, bewährte Technik

Michael Nau betreibt die Mühle in Rommershausen. Die älteste Bausubstanz stammt von 1657. Die Technik hat ebenfalls lange durchgestanden: Die beiden Turbinen wurden in den Jahren 1900 und 1921 eingebaut und produzieren immer noch zuverlässig Strom.

Alle zwei bis drei Jahre werden die Turbinen komplett aufgearbeitet. Hierzu werden sie mit einem Hochdruckreiniger gesäubert und Schaufeln beispielsweise repariert. Zurzeit rentiert sich die Stromproduktion noch, so Nau. Er möchte die Turbinen jedoch gegen moderne austauschen, da bei Hochwasser fast kein Strom produziert wird.

Moderne Turbinen können sich dem Wasserstand anpassen und somit eine bessere Energieausbeute erreichen. Das ist jedoch mit Investitionskosten von etwa 200 000 Euro verbunden. Nau wünscht sich, dass Wasserkraft stärker gefördert wird. Solar- und Windenergie würden umfassender unterstützt, und Wasserkraftwerke trügen erheblich zur Stabilisierung der Stromnetze bei. (Guido Hahn)

Stromproduktion könnte bedeutend gesteigert werden

Die Stromproduktion aus Wasserkraft trägt dazu bei, dass die Kostenexplosion nicht noch höher ausfällt. 11,67 Cent pro Kilowattstunde erhalten Wasserkraftbetreiber als dauerhafte Vergütung, die auch in der aktuellen Situation nicht angehoben wird, sofern die Anlage nach EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) 2009 betrieben wird, was bei den meisten Wasserkraftwerken der Fall ist. Die Koppelung an den Gaspreis ist bei diesen Anlagen nicht vorgesehen.

Am gesamtdeutschen Bruttostromverbrauch hat die Wasserkraft einen Anteil von etwa 3,5 Prozent. Durch Repowering könnte die Stromproduktion um etwa 20 Prozent und durch Neubau an bestehenden Wehranlagen um ca. 10 Prozent erhöht werden, so Karl Schmidt. Repowering bedeutet, dass neue, moderne Turbinen eingebaut werden. (Guido Hahn)

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