Trachtenprunk im Weltkrieg - Inszenierung einer Schwälmer Hochzeit für Nazipropaganda

Die Gedenkstätte und Museum Trutzhain zeigte den Film „Bauernhochzeit 1943“. Prof. Dr. Siegfried Becker gab vorab eine Einordung der zeitgeschichtliche Zusammenhänge.
Trutzhain – In Zusammenarbeit mit dem Museum Holzburg zeigte die Gedenkstätte und Museum Trutzhain den Film „Bauernhochzeit 1943“. Dazu führte Prof. Dr. Siegfried Becker vom Institut für Europäische Ethnologie/Kulturwissenschaft in Marburg aus, dass wie Presse, Theater und Rundfunk auch der Film schon bald nach der sogenannten Machtergreifung dem ideologischen Beeinflussungsmonopol der Nazis unterworfen war.
Für die pathetische Überhöhung von Heimat und Volkstum waren Menschen in bäuerlicher Tracht eine ideale Projektionsfläche für die angestrebte Volksgemeinschaft. Wie die Reichserntedankfeste war auch der Film von christlichen Elementen gereinigt. Ein Pfarrer tauchte bei der Bauernhochzeit nicht auf.
Die Dreharbeiten einer Dresdener Filmgesellschaft fanden in Schrecksbach statt, aber der Film ist nie in Deutschland gezeigt worden, weil die Amerikaner ihn nach der Besetzung Dresdens beschlagnahmt hatten. Wiederentdeckt wurde der Farbfilm 1968, als der aus Holzburg nach USA ausgewanderte Karl-Friedrich Metz ihn in einem deutschen Kino in Long Beach als Vorfilm sah und schließlich zurück nach Deutschland brachte.
Die Hochzeit
Der als Dokumentarfilm propagierte Streifen beginnt mit dem Einkleiden der Braut durch eine Näherin. Die junge Frau lässt zum letzten Mal ihren rot eingefassten Mädchenrock fallen, denn von jetzt an ist Grün ihre Farbe.
Die zwölf Röcke werden vorn mit einer Kette geschlossen. An die weißen Strümpfe werden die Strumpfbänder festgesteckt, in den Brustausschnitt wird ein kostbares, silbergesticktes Bruststück eingesetzt, den Rücken ziert das „Brett“. Dann wird der Haarknoten geöffnet und das Untergestell des Kopfputzes mit den Zöpfen verbunden. Darauf wird die Brautkrone gesetzt und die roten, grauen und silbernen Seidenbänder befestigt.
Nach der Trauung bewegt sich der Hochzeitszug zum Haus des Bräutigams. Der, ebenfalls prächtig geschmückt mit dem Glaskugelstrauß auf seinem Hut, trinkt auf seine Braut. Dann trinkt sie und wirft das Glas über ihre Schulter gegen das Haus, damit das Eheglück gesichert ist.
Die Musik spielt auf zum Schwälmer Tanz und vor dem Brauthaus wird der Kammerwagen mit der Aussteuer beladen und zu dem neuen Heim gefahren.
Die Symbolik
Prof. Becker wies darauf hin, dass es den Nazis weniger um Bewahrung der alten bäuerlichen Kultur ging, sondern eher um ihre Deutung im nationalsozialistischen Sinne, nämlich als „Nährboden der breiten Mutterschichten unseres Volkes für den Aufbau einer völkischen Gemeinschaftskultur“. Das Dorf wird als geschlossen, überschaubar und eingebettet in die Natur dargestellt und wirkt so als Gegenentwurf zur „verdorbenen“ Stadt.

Soziale Konflikte und existentielle Not werden ausgeblendet. Naturnähe und Problemferne hieß die Devise. In Wirklichkeit gab es in der Zwangsgemeinschaft Dorf Hierarchien, eine Dorfaristokratie und armes Gesinde, Verschuldung, Ausgrenzung der Juden, und die Tracht legte die Lebensumstände und den sozialen Stand gnadenlos offen. So mancher vollgefüllte Kammerwagen war eine Täuschung, weil sich unter der geringen Mitgift nur Stroh befand.
Zudem wurde aus dem Publikum ergänzt, dass der Film und die stolze Hochzeit von vielen Schrecksbächern missbilligt wurden, da der Bruder der Braut in Russland vermisst wurde und daher schwarze Trauertracht angemessen gewesen wäre.
Außerdem sei im Dorf schon seit dem Ersten Weltkrieg immer weniger Tracht getragen worden, jedenfalls nicht in dem Umfang wie im Film dargestellt. (Bernd Lindenthal)