Treysas Kult-Imbiss stellt Betrieb zum 22. April ein

Der Opa des heutigen Inhabers Karl Heinz Wiegand startete mit einer Würstchenbude. Aus dem gut 2,20 mal drei Meter großen Wagen bot der Wasenberger Metzger seine Waren an.
Treysa – Generationen kennen Wiegands Würstchen vom Grill und die in der Schwalm weithin bekannten Pommes – am 29. März 1967 wurde in der mittleren Bahnhofstraße das erste Mal Bratwurst verkauft.
1976 stieg Wiegands Vater ins Geschäft ein, 1977 auch Karl Heinz Wiegand (65). Bis 2002 stand das Vater-Sohn-Gespann im Imbiss, ab 2002 übernahm der Wasenberger mit seiner Frau Irene die Regie. Ab dem 22. April wird eine Institution in der Bahnhofstraße fehlen – Wiegands hören aus Altersgründen auf. Nur ihren Partyservice werden sie weiterhin betreiben.
Seitdem die Neuigkeit in der Schwalm die Runde macht, geht der Abschied auch Karl Heinz Wiegand zunehmend näher. „Ich weiß noch gar nicht, wie ich das schaffen soll ohne die Würstchenbude“, sagt er. Bis auf zwei Wochen Urlaub im Jahr war die Bude schon so etwas wie ein zweites Zuhause, berichtet er. An sechs Tagen stand er meist von 9 bis 18 Uhr hinterm Tresen.
In den letzten Wochen mehren sich „Beileidsbekundungen“. Erst kürzlich sei eine Frau aus Ecuador da gewesen, die 1967 als Schwalmschülerin regelmäßig ihre Bratwurst bei Wiegands aß. „Sie hat mit mir viele ihrer Erinnerungen geteilt und uns eine ecuadorianische Mütze und Schokolade geschenkt“, erzählt der 65-jährige gelernte Metzger.
Fast jeden ihrer Kunden kennen Wiegands persönlich – „Generationen haben hier gegessen“. Freud und Leid, das habe man manches Mal an der Bude geteilt, sagt Karl Heinz Wiegand. Er und seine Frau seien sehr dankbar für die Stammkundschaft. Bewusst seien sie sich deshalb aber immer auch gewesen, „dass man da immer das Beste geben muss“.
Vor allem die Schwalmschüler waren es in den 1960er- und 1970er-Jahren, die Wiegands Imbiss zu ihrem Treffpunkt machten. Jetzt habe sich zum Abschied sogar eine Whatsapp-Gruppe gegründet, wo man sich zu einem „letzten Essen“ verabrede, weiß der Inhaber. Schüler, die nicht viel Geld hatten, hätten oft nur Soße mit Brötchen bestellt – „für 30 Pfennig“.
Kaum eine Kunde teilt in diesen Tagen keine Erinnerungen mit Wiegands. Besonders für Karl Heinz Wiegand ist es eine emotionale Zeit: „Ich kann das gar nicht in Worte fassen“, sagt er und berichtet aus der Zeit, als die Amerikaner mit Panzern in der Bahnhofstraße vorfuhren, um sich Essen zu holen.
Auch viele Wirte kehrten regelmäßig am Imbiss ein, sagt er. „In unseren Pommes steckt Liebe“, ist der 65-Jährige überzeugt, der auf ein niederländisches Produkt aus Kartoffelbrei setzt, „das Fett muss gut sein und die Temperatur muss stimmen“.
Beliebtestes Produkt ist die klassische Currywurst, die macht dreiviertel der verkauften Würste aus. An guten Tagen gehen etwa 150 Portionen Wurst, in etwa dieselbe Menge Pommes, über die Theke. Denn es sind die Klassiker, die die Kunden hier zu Recht erwarten. „Neuerungen haben sich nicht durchgesetzt“, erzählt der Wasenberger.
Karl Heinz Wiegand ist sich selbst ein guter Kunde. „Mittlerweile habe ich etwas reduziert, aber früher habe ich täglich, jeden Morgen um 10.15 Uhr, eine Currywurst gegessen“. Aus dieser Tatsache habe er sogar seine Passwörter fürs Internet generiert, berichtet er lachend.
Viel Freizeit blieb dem Vater von zwei Kindern nicht. Bei seinen Kindern habe er deshalb zeitweise nur „der von Treysa“ geheißen. Jetzt freut sich Wiegand aufs Reisen, die Erste mit einem guten Freund sei schon für Mai geplant. Mit seiner Frau hat Wiegand in den vergangenen drei Jahren ohne weitere Mitarbeiter den Imbiss geschmissen.
„Ein eingespieltes Team, wir verstehen uns ohne Worte“, sagt er. Aber auch: „Meine Frau ist die Seele, sie kennt alle Kunden, weiß, wie sie sie ansprechen muss.“
Für den finalen Tag gibt es noch keine großen Pläne. „Die Familie wird sicher kommen“, sagt der 65-Jährige. Die Option, dass seine Kinder die Bude übernehmen, gab es nicht, beide hätten andere Berufe.
„Es war auch wirklich oft hart, besonders im Winter“, erklärt Wiegand. Zudem sei die Fläche kein Eigentum, sondern immer gemietet gewesen. Interessenten für den Platz soll es wohl aber geben. (Sandra Rose)