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„Sie waren Nachbarn“ - Sonderausstellung zur jüdischen Geschichte im Museum

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Von: Jürgen Dumnitz

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Eröffnung der Sonderausstellung im Museum: Gerald Wucherpfennig (von links), Klaus Glaesner, Dr. Wolfgang Schäfer, Susanne Levi Schlesier, Dr. Achim Doerfer und Torsten Bauer vor einer Porträt-Bilderwand.
Eröffnung der Sonderausstellung im Museum: Gerald Wucherpfennig (von links), Klaus Glaesner, Dr. Wolfgang Schäfer, Susanne Levi Schlesier, Dr. Achim Doerfer und Torsten Bauer vor einer Porträt-Bilderwand. © Jürgen Dumnitz

Bodenfelde – Nathan Katz verkaufte Jacken und Mäntel, Berthold Schaumberg fiel im Ersten Weltkrieg, Jacob Driesen arbeitete als Lehrer, Jacob Freudenthal wurde Philosoph und Grete Siemon floh nach Großbritannien: „Sie alle lebten einmal in Bodenfelde. Gestern waren sie Nachbarn. Heute sind sie vergessen“, sagte Dr. Wolfgang Schäfer in seiner Rede zur Eröffnung der Sonderausstellung über das jüdische Leben im Weser-Ort am Sonntag vor 60 Besuchern im Heimatmuseum an der Blumenstraße.

Die Ausstellung mit Exponaten und Bildern beschäftigt sich mit der Geschichte der jüdischen Kultur im Wesertal und Solling. Und auch die politische Geschichte der Region und der Gemeinden wird thematisiert. Im Wesentlichen sei das Gezeigte in den 1990er-Jahren unter Mithilfe des Kurators Detlev Herbst (Volpriehausen) fürs Uslarer Museum erarbeitet worden, sagte Schäfer, der früher Uslars Museumsleiter war.

Herbst, der aus gesundheitlichen Gründen nicht im Museum war, habe Bücher und Aufsätze zur Geschichte der Juden im Weserbergland geschrieben und kümmerte sich lange Zeit mit Schülern um die Pflege des jüdischen Friedhofs am Kahlberg. Die Ergebnisse seiner Forschungstätigkeit seien in der Ausstellung präsent.

Bereits seit dem Mittelalter siedelten Juden im Weserbergland. 1825 sei die Synagoge am Mühlenbach in Bodenfelde eingeweiht worden, und bekannt sei, dass 1870 genau 67 Menschen jüdischen Glaubens im Ort lebten. 1912 habe die Lauenförder Unternehmerfamilie Löwenherz die Amelither Glashütte übernommen und nach deren Ende 1926 eine Glasschleiferei aufgebaut.

Aus einer jüdischen Randgruppe seien in 150 Jahren geachtete und gut integrierte Bürger mit einer etwas anderen Religion geworden, sagte Schäfer im Museum. Doch sie waren besonders während der Naziherrschaft nicht sicher. Auch in Bodenfelde sei man ab April 1933 dem stattlichen Aufruf zum Judenboykott mit Taten gefolgt, und im Juli 1942 verkündeten Bodenfelder Nazis, dass der Ort judenfrei sei.

Erst seit 2003 wurde eine Gedenktafel für die ermordeten Juden in Bodenfelde aufgestellt. Schäfer regte an, doch eine Straße oder einen Platz nach einem ehemaligen jüdischen Nachbarn zu benennen. Das würde dem Ort gut zu Gesicht stehen.

2006 Stück für Stück abgebaut: Die ehemalige Bodenfelder Synagoge wurde nach Göttingen transportiert, neu errichtet und dort 2008 eingeweiht.  ARCHIV
2006 Stück für Stück abgebaut: Die ehemalige Bodenfelder Synagoge wurde nach Göttingen transportiert, neu errichtet und dort 2008 eingeweiht.  ARCHIV © Jürgen Dumnitz

Bodenfeldes Bürgermeister Gerald Wucherpfennig und sein Uslarer Amtskollege Torsten Bauer lobten die Initiative und Kooperation für die Ausstellung. Klaus Glaesner vom Heimatvereinsvorstand begleitete die Eröffnung zusammen mit IGS--Musiklehrer Eugen Beidinger mit teils jüdischen Liedern.

Der stellvertretende Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Göttingen, Dr. Achim Doerfer, und Geschäftsführerin Susanne Levi Schlesier zeigten sich begeistert und dankbar für die Ausstellung und luden zum Besuch der umgesiedelten und denkmalgeschützten Synagoge ein. Grußworte sprachen zudem IGS-Schulleiter Andreas Heinrich, Pastor Mark Trebing und Nora Stein von der Freikirche, die sagte, dass die Ausstellung das Erbe wach halte.  jde

Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 2. Juli bei freiem Eintritt sonntags zwischen 14.30 und 17.30 Uhr.

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