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Party-Tourismus belastet Willingen: „Denken, sie verlassen die normale Welt“

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Von: Wilhelm Figge

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Zum Feiern kommen tausende nach Willingen: Da die Begleiterscheinungen wachsende Kritik auslösen, stehen auch das Image stärkende Veranstaltungen wie „Viva Willingen“ in der Diskussion.
Zum Feiern kommen Tausende nach Willingen: Da die Begleiterscheinungen wachsende Kritik auslösen, stehen auch das Image stärkende Veranstaltungen wie „Viva Willingen“ in der Diskussion. © Tourist-Information Willingen/pr

Der Party-Tourismus ist nach Willingen zurückgekehrt – und mit ihm Exzesse. Die Gemeinde hat mit Menschenmassen und Imageproblemen zu kämpfen.

Willingen – „Die Leute kommen am Ortsschild vorbei und haben das Gefühl, sie verlassen jetzt die normale Welt“, schildert Bürgermeister Thomas Trachte die Folgen, die das Party-Image Willingens (Kreis Waldeck-Frankenberg) nach sich zieht. Der Wochenendtourismus sei inzwischen mit negativen Begleiterscheinungen verbunden, die weder der Bevölkerung noch den Familien- und Erholungsgästen zuzumuten seien: „Dabei sind das Leute, die im täglichen Leben gar nicht asozial sind.“

Dass das schon länger vorhandene Problem sich schlimmer anfühle, führt Trachte auf Veränderungen im gesellschaftlichen Wertesystem zurück: „Das Verhalten vieler Menschen ist insbesondere beim Feiern extensiver; es wird weniger Rücksicht genommen, es gibt mehr Vandalismus und wichtige Benimmregeln in der Öffentlichkeit werden nicht mehr beachtet.“

Party-Tourismus: Ordnungskräfte in Willingen stark herausgefordert

Für die örtlichen Ordnungskräfte sei das extrem fordernd. Sie würden beleidigt und bedroht. Dazu gehören die sieben Hilfspolizisten: Diese Angestellten der Gemeinde gehen dem als Nebentätigkeit nach, sind dafür ausgebildet und haben polizeiliche Befugnisse, mit denen sie gegen Störer vorgehen können. Zwei bis vier von ihnen sind pro Tag im Einsatz, die reguläre Polizei unterstützt. Dazu kommen 15 bis 20 Security-Mitarbeiter. Die haben keine polizeilichen Befugnisse, können aber zum Personenschutz eingreifen und die Hilfspolizisten unterstützen.

„Dieser Personalbestand reicht nicht ansatzweise“, hält Trachte fest – die teils heftige Kritik an den Ordnungskräften sei deshalb nicht fair. Die Hilfspolizisten müssten den öffentlichen Raum überwachen, Streifen fahren, Störungen beseitigen und auf Anrufe von Privatleuten wie Betrieben reagieren. Tourismus-Manager Norbert Lopatta überschlägt, dass ihnen zehntausende Tagesgäste gegenüberständen: „Da setzen Städte Hundertschaften ein.“

Aktuell sind für Hilfspolizei und Security 160 000 Euro im Etat, erläutert Thomas Trachte. Mit 700 000 Euro würden sich 15 hauptamtliche Hilfspolizisten bezahlen lassen: „Das reicht immer noch nicht, würde uns aber in die Lage versetzen, erheblich mehr einzugreifen.“ Im Haushalt seien diese Gelder nicht vorhanden: „Da sind wir in der Pflicht, Mittel zu finden.“ Auch dann sei Personal allerdings schwierig zu finden. Ein weiterer Punkt: „Selbst wenn wir erfolgreich gegen Störer vorgehen, so hat dies keine dauerhafte Wirkung, weil an dem nächsten Wochenende wieder neue Gäste kommen und alles von vorn beginnt. Das ist auf Dauer sehr anstrengend und demoralisierend.“

Willingen bekämpft Image als Party-Ort

Familien, Wandern, Biken: Mit diesen Themen wirbt Willingen für Urlaub im Upland, erklärt Norbert Lopatta. Und das nicht umsonst: „Was wir in Willingen haben, soll mir mal anderswo einer zeigen.“ Die Gemeinde könne einen Rahmen und Schwerpunkte setzen. Doch das Image als Party-Ort habe sich festgesetzt, jeder dies feiernde Post in sozialen Medien stärke es: „Das kann man gar nicht kompensieren. Egal mit welchem Aufwand.“

Der Wochenendtourismus habe einen erheblichen Anteil an der Willinger Wertschöpfung, erklärt Thomas Trachte: „Wir brauchen neben anderen Gästegruppen auch den gepflegten Wochenendgast und möchten gleichzeitig die störenden Gästegruppen vermeiden. Diese Trennung ist aber in der Praxis gar nicht einfach.“

Das Marketingkonzept der Gemeinde soll etwa Familien, Aktiv-, Erholungs- und Gesundheitsurlauber ansprechen, 2021/22 wurde es in Zusammenarbeit einer Fachagentur und Vertretern der heimischen Wirtschaft vertiefend überarbeitet. Schaffung und Betrieb von Infrastruktur diene diesen Zielen, es solle entsprechend kommuniziert werden. „Die Gemeinde will diese grölenden, randalierenden und insgesamt störenden Partygäste nicht“, hält Trachte fest.

Wichtig sei die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, von der die Umsetzung abhänge, so Trachte: „Ich denke, wir können unsere Probleme nur gemeinsam und miteinander lösen. Wenn alle in die gleiche Richtung denken und eine Veränderung wollen, wird es garantiert auch entsprechende Ergebnisse geben.“ Eine geschlossene Linie zu entwickeln, sei schwierig: „Aber das soll uns nicht davon abhalten, es zu versuchen“. (wf)

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