Grundschüler und Neue Medien: Erziehungs- und Suchtberater schildert in Usseln Risiken

Hinweise für Medienerziehung haben Eltern bei einem Vortrag in Usseln bekommen – gerade bei Grundschülern riet der Experte zu Zurückhaltung.
Willingen-Usseln – „Medienerziehung ist immer konflikthaft“, erklärte Eberhard Freitag von der Fachstelle Mediensucht „return“ in Usseln versammelten Eltern. Auf den Umgang mit Kindern und neuen Medien stellte er sie in einem Vortrag ein, zu dem die Diemeltalschule geladen hat. Der Kontakt war bei einem Fachtag in Korbach entstanden, in Usseln ging es speziell um Grundschüler.
Wer sich mit dem Medienkonsum seiner Kinder nicht auseinandersetze, erlebe ein paar Jahre später sein „blaues Wunder“, erklärte Freitag: Schnell komme es zu Suchtproblemen, Verletzungen durch gewaltsame Inhalte, Pornografie und Mobbing sowie Problemen bei der Persönlichkeitsentwicklung.
„Ein Achtjähriger kann ein Smartphone nicht selbst verantworten. Vom Reifegrad her ist das nicht möglich“, hielt er fest. Das Problem: Das Belohnungszentrum des Gehirns werde beim Zocken und bei Social Media viel öfter angesprochen als in der analogen Welt. Kinder wollten immer mehr Zeit damit – die müsse begrenzt werden. Für das Grundschulalter empfahl er höchstens eine Stunde Bildschirmzeit am Tag – und höchstens Leihgeräte für begrenzte Zeiten.
Schon Whatsapp sei kritisch: In Gruppen ströme stets irgendein „Schwachsinn“ als Dauerbelustigung. In Chats sinke die Hemmschwelle, Dinge zu sagen, die Kinder normalerweise nie äußern würden. In allen sozialen Medien gebe es ein Haschen nach Aufmerksamkeit. Im „Verteilungskampf um diese knappe Ressource“ werde immer mehr Beschäftigung mit der App nötig und immer freizügigere Posts. Auch entstehe eine ständige Bewertungssituation. „Ein Kind im Grundschulalter sollten Sie in diesen Kampf um Aufmerksamkeit noch nicht hineinstellen“, so Freitag.
Auch im Netz müssten Eltern bestimmen, wo ihr Kind sich aufhält: „Auf Youtube kommen Kinder mit zwei, drei Klicks an Orte, an die Sie sie hinlassen würden.“ Brutalste Kriegsfilme und Pornografie seien leicht zu finden. Auch völlig harmlose Suchen im Browser führten zu Pornografie – der durchschnittliche Erstkontakt erfolge mit neun Jahren, meist unabsichtlich.
Im ersten Schritt sollten Eltern im Browser „Safe Search“ aktivieren. Zudem brauche es Filtersoftware. Besser als eine, die nur bestimmte Inhalte sperrt und auf eine „Blacklist“ setzt, sei eine, die überhaupt nur den Besuch festgelegter Seiten erlaubt. Diese „Whitelist“ könnten Eltern je nach Reife des Kindes erweitern.
In der Erziehung sollten Eltern sich nicht leiten lassen von der Frage „Was machen die anderen?“ sondern von „Was braucht mein Kind, um sich gesund zu entwickeln?“ . In Konflikten seien Vorwürfe nicht angebracht – es brauche Fragen, die ehrliches Interesse aufzeigen und dem Kind klarmachen, wie sich sein Medienkonsum auswirkt. Eltern müssen eine gemeinsame Linie finden, auch im Trennungsfall – und ihrer Vorbildfunktion gerecht werden: Im Gespräch mit dem Kind sollte nicht zum Smartphone gegriffen werden. Allgemein sollte es Zeiten geben, in denen niemand ein Gerät benutzt. Kinder müssten auch in den Haushalt eingebunden werden: „,Full Service‘ durch die Eltern befördert, dass Kinder nicht vom Rechner aufstehen“, sagte Freitag
Vor allem: Die analoge Welt werde in dem Augenblick interessanter, in dem die Beziehung untereinander gepflegt wird. 14-Jährige seien schwierig zu locken – aber Grundschüler könnten Eltern noch mit Brettspielen gewinnen. Auch Vorlesen sei Medienkonsum – aber mit Beziehungsfaktor. Letztlich gehe es nicht darum, Kinder zum „Funktionieren“ zu bringen – sondern Zeit mit ihnen zu verbringen, auch im ganz normalen Alltag. (wf)