1. Startseite
  2. Lokales
  3. Willingen (Upland)

Uneinig bei Investitionen: Willinger Parlament stimmt dem Haushalt 2023 zu

Erstellt:

Von: Wilhelm Figge

Kommentare

46 Euro pro Monat weniger als zu erwarten war, haben Vollzeitkräfte in Waldeck-Frankenberg 2020 brutto verdient.
Uneinigkeit ums Geld gab es in der Willinger Haushaltsdiskussion. © Symbolfoto: Jens Wolf/dpa

Nach vielen Jahren einstimmiger Haushaltsbeschlüsse gab es über den Etat 2023 Uneinigkeit im Willinger Parlament. Stein des Anstoßes sind Bauprojekte.

Willingen (Upland) – Mit 23 zu fünf Stimmen angenommen hat die Upländer Gemeindevertretung den mit einem knappen Überschuss von 65 000 Euro geplanten Etat 2023 sowie das 3,58 Millionen Euro umfassende Investitionsprogramm und den Wirtschaftsplan des Kurbetriebs. Die Ablehnung kam dabei aus Reihen der Freien Wähler, die Kritik am Investitionsprogramm übten.

Vor der Entscheidung nahmen die Fraktionschefs Stellung. Karl Leyhe (CDU) fasste die Situation zusammen: Auf das pandemiebedingte Defizit der Vorjahre folge der Krieg in der Ukraine. Der führe zu unermesslichem Leid, und auch zu wirtschaftlicher Unsicherheit. Willingen sei touristisch aber weiter gefragt: „Vorsichtiger Optimismus ist als durchaus angebracht.“ Sowohl finanziell als auch ökologisch würden die nächsten Jahre der Gemeinde einiges abverlangen, stellte Dieter Schütz für die FDP fest.

Die Lage sei besser als prognostiziert, erklärte Thorsten Kesper für die SPD – der Haushaltsausgleich benötige freilich den Griff in die Rücklage. Ingolf Schinze befand für die Freien Wähler, der Überschuss könne wie Schnee dahinschmelzen: „Der Haushalt ist extrem auf Kante genäht und lässt keine unvorhersehbaren Ereignisse zu.“ Die kämen aber mit Sicherheit.

Keine Steuererhöhung in Willingen, aber Überlegungen zu Parkgebühren

„Hatten wir gegen Ende des Sommers noch über eine angedachte Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer gesprochen, so hat sich die Wirtschaft so positiv entwickelt, dass sich diese Frage nicht gestellt hat“, blickte Leyhe zurück. Ohnehin: Die Wirtschaft müsse prosperieren, damit der Haushalt wieder solide werde. Dieter Schütz stimmte für die FDP zu: Steuererhöhungen dürften „immer nur die letzte Lösung sein, wenn wirklich alles andere auf dem Tisch gelegen habe und alle Möglichkeiten geprüft wurden“.

Die Koalition machte sich andere Gedanken auf der Einnahmenseite: etwa durch eine „komplette Neuorganisation der gemeindlichen Parkplätze, die wir ganz einfach nicht mehr kostenlos – aber auch nicht überteuert – zur Verfügung stellen dürfen“, hielt Leyhe fest. Die CDU sehe 500 000 Euro Potenzial. Schütz schloss sich an und brachte ein professionell betriebenes Parkhaus ins Spiel.

Die Eckdaten zum Willinger Haushalt 2023.
Die Eckdaten zum Willinger Haushalt 2023. © WLZ

Auch soll die Verwaltung prüfen, ob sich der „sprachlich antiquierte“ Kurbeitrag durch eine Bettensteuer ersetzen ließe und sich so auch in Ferienwohnungen Mehreinnahmen generieren ließen. Gerade nicht gezahlten Kurabgaben und Gebühren soll die Gemeinde stärker nachgehen, erklärte Schütz.

Fachkräftemangel im Willinger Tourismus zu spüren

Kesper warf für die SPD einen Blick auf strukturelle Probleme. Im Dezember fand mancher keinen Platz in Restaurants: Der Fachkräftemangel bedrohe die touristische Qualität. Das „mehr als ausbaufähige“ Angebot an Mietwohnungen hänge damit zusammen. Auch die vorerst ausgesetzte „Kita Plus“-Wochenendbetreuung müsse reaktivierbar sein, um attraktiv zu bleiben.

Dieter Schütz betonte die Bedeutung des Tourismus: „Wie können wir unsere Einnahmesituation verbessern und weiterhin als führende Tourismusregion Akzente setzen?“ Karl Leyhe erinnerte an die Warnung der CDU, dass die Bettenzahl sinkt. Hotels seien aber geplant: Der „Unternehmermut“ sei trotz schwieriger Zeiten ungebremst.

Thorsten Kesper hob für die SPD hervor, dass das neue Tourismuskonzept „lobenswerterweise den Partytourismus mit keiner Silbe“ nenne und mit Lagunenbad, Sykwalk und den Hotels an Sonnenweg und Hagen gute Projekte unterwegs seien. „Bei aller Euphorie und Optimismus müssen wir jedoch darauf achten, dass wir die positive Entwicklung durch Nachlässigkeiten an anderer Stelle nicht zerstören.“ Sperrstunden und Alkoholkonsum auf offener Straße seien diskussionswürdig.

Fußgängerbrücke und weitere Projekte: Debatte um Willinger Investitionen

Die Fußgängerbrücke zwischen „Zur Hoppecke“ und Briloner Straße hatte Diskussionen ausgelöst. Die CDU zähle sie zu den Investitionen, die Einwohnern und Gästen zugutekommen, erklärte Karl Leyhe: „Die Fußgängerbrücke wird nun endlich gebaut und wird sich zu einem wertvollen Puzzle-Teil in die örtliche Infrastruktur einfügen.“ Die CDU fordere sie seit 14 Jahren. Die Frage laute: „Können wir es uns leisten, es uns nicht zu leisten?“ Den Haushalt zu konsolidieren, sei ein edler Ansatz. Dafür ein sinnvolles Projekt abzulehnen, sei aber bemerkenswert. Leyhe fragte Schinze, ob die Freien Wähler der Brücke zustimmen würden, wenn sie eingehaust wäre – für diese teurere Variante hätten sie plädiert, als die hohen Kosten des Lagunenbads schon bekannt waren.

„Wir als FDP-Fraktion stehen ohne Wenn und Aber zu dieser wichtigen Infrastrukturmaßnahme“, stimmte Dieter Schütz ein. Die Brücke verbessere den Service für mit der Bahn anreisende Gäste und ermögliche vielen lange unter dem lauten Wochenendtourismus leidenden Anwohner mehr Ruhe, Erholung und Lebensqualität.

Eine Abkürzung zwischen Willinger Hauptstraße und Ettelsberg soll die Fußgängerbrücke bieten.
Eine Abkürzung zwischen Willinger Hauptstraße und Ettelsberg soll die Fußgängerbrücke bieten. © pr

„Die Kritiker behaupten zu Recht, dass die Gesamtkosten bei 2,7 Millionen Euro kalkuliert sind, aber noch nicht valide mit Angeboten untermauert wurden“, hielt Thorsten Kesper fest. Für die SPD sei das aber kein Grund, den ganzen Haushalt abzulehnen.

Die Investitionen seien der Knackpunkt, erklärte Ingolf Schinze die Haltung der Freien Wähler: „Sind eigentlich alle anderen Bereiche des Haushalts kaum beeinflussbar, so liegt hier der Holzscheit, bei dem die Axt anzusetzen ist.“ Zumal Kostenschätzungen einem „Blick in die Glaskugel“ glichen.

Es gehe nicht nur um die Brücke, im Investitionsprogramm 2022-26 fände sich mehr, was angesichts der Lage nicht umsetzbar erscheine: Er nannte für 2023 neben den 300.000 Euro für die Brücke 150.000 Euro für den Platz an der Waldecker Straße und 80.000 für den Parkplatz am Ettelsberg; sowie darüber hinaus 305.000 Euro für die Straßenumlegung ums Lagunenbad, 1,5 Millionen für den An- und Umbau des Usselner Bahnhofs und 760.000 für Digitalisierung der Wanderkarten. „Wir wissen zwar um die verführerische Fee namens Fördergelder, aber wir wissen auch, dass immer der überwiegende Teil der Kosten von uns selbst zu stemmen bleibt“, sagte er.

Die unsichere Lage zeige sich schon daran, dass der Investor des Funparks die Planung zurückgestellt hat. Und dass es bei 38 Millionen Euro für Lagunenbad bleibe, glaube er nicht, er rechne mit 42. „Ist es da nicht angebracht, genau jetzt den Rotstift anzusetzen und diese „nice-to-have“ Investitionen zu streichen oder zumindest zurückzustellen?“ Dieses Jahr sei die Gemeinde noch um Steuererhöhungen herumgekommen. „Aber wenn wir diesem Investitionsplan zustimmen, dann beschließen wir auch gleichzeitig die Steuererhöhungen für alle Bürgerinnen und Bürger 2024“, sagte Schinze voraus.

Aktivere Klimapolitik in Willingen gefordert

Auch die Klimapolitik fand ihren Weg in die Haushaltsreden: „Die beste Energie ist die, die erst gar nicht verbraucht wird“, hielt Dieter Schütz fest. Gerade der Kurbetrieb habe viele Möglichkeiten zum Sparen, ob bei Lagunenbad, Eishalle, Besucherzentrum oder Freibad. „Und daher sollte für alle Gebäude und Einrichtungen unserer Gemeinde ein entsprechendes energetisches Konzept erarbeitet werden, das dem wichtigen Thema Nachhaltigkeit auch tatsächlich den notwendigen Nachdruck verleiht.“ Er kündigteeinen entsprechenden Antrag an, den die FDP mit der CDU stellen werde.

Thorsten Kesper erinnerte an einen bereits 2021 von der CDU gestalten Antrag für einen Sachstandsbericht zum Thema Nachhaltigkeit. Der lasse auf sich warten; die Verwaltung mache mangelnde Personalressourcen geltend. Die Gemeinde bemühe sich zwar um eine zusätzliche Stelle, aber: „Gerade wir, die eigentlich zu schätzen wissen, welches Glück wir mit unserer Natur vor unserer Haustür haben, machen viel zu wenig und wenn, dann auch leider viel zu langsam“. Andere Gemeinden berichteten über ihren Stand – und über kreative Lösungen. (wf)

Auch interessant

Kommentare