Erinnerung an die Geschichte des Gestüts Waldfried lebt in Altefeld

Ein Blick in die Historie: Manfred und Doris Graf haben herausgearbeitet, wie die Geschichte Waldfrieds mit der des heutigen Hauptgestüts Altefeld in Verbindung steht.
Altefeld – Der 9. Oktober 1981 markiert das Ende einer Ära. An diesem Freitag wurde der gesamte Pferdebestand des Gestüts Waldfried auf einer Privatauktion in Köln versteigert. Fast ein Jahrhundert lang war das Gestüt für die deutsche Vollblutzucht mitprägend gewesen. Das Gestüt Waldfried erzielte 17 Züchter-Championate. Waldfrieder Cracks gewannen 47 klassische Rennen, darunter achtmal das Deutsche Derby.
Wie eng die sagenhafte Geschichte Waldfrieds mit dem heutigen Hauptgestüt Altefeld (Herleshausen) verwoben ist, haben die Besitzer Manfred und Doris Graf detailreich herausgearbeitet. So wurde im Altefelder Gestütsmuseum schon 2006 eine umfangreiche Ausstellung eröffnet, die großen Anklang bei den Besuchern fand. In den vergangenen Tagen nun eilte dem Ehepaar Graf der Zufall zu Hilfe – und die Waldfried-Erinnerungen sind in Altefeld wieder präsent wie einst. Denn: „Mit viel Glück konnte ich eine Sammlung von Pferdegemälden des Malers W. Barth erwerben“, sagt Manfred Graf freudig. „Es handelt sich dabei um Rennpferde des Vollblutgestütes Waldfried, das damals den Rennsport dominierte.“ Grund genug für einen Blick in die Historie.
Waldfried
Die Geschichte von Waldfried ist eng verknüpft mit Frankfurt. Nahe der Rennbahn Niederrad war der erste Sitz des Gestüts, welches von Dr. Arthur von Weinberg und Carl von Weinberg gegründet wurde. 1896 wurde Dilligenz geboren, das erste Fohlen der Waldfrieder Zucht.
Den züchterischen Ruhm der Waldfrieder Vollblutzucht begründete die 1901 in Newmarket (Grafschaft Suffolk, England) erworbene St. Simon-Tochter Festa. Mit ihren direkten Nachkommen Festino, Fels, Fabula, Faust und Fervor, welche die großen deutschen Zuchtrennen jener Zeit beinahe in Serie gewannen, avancierte Festa zu einer der namhaftesten Stammmütter der deutschen Vollblutzucht.

Die Weinbergs zeichneten sich diesbezüglich durch eine eigene Philosophie aus. Fast alle Stuten wurden importiert, in der Regel aus England. Als Partner suchten sie demgegenüber gern heimische Hengste aus. Pferdezucht war für die Weinbergs eine Wissenschaft, ein Experiment.
Arthur von Weinberg
Arthur Weinberg entstammte einer in Frankfurt ansässigen jüdischen Industriellen-Familie. Sein Erfolg als Unternehmer vor allem als Mitgründer der IG Farben A.G., eines Chemie-Imperiums von globaler Bedeutung, sowie etliche Patente machten Arthur Weinberg zu einem der reichsten Männer Frankfurts. 1908 wurde er mit seinem Bruder Carl von Kaiser Wilhelm II. in den erblichen Adelsstand erhoben. 1909 richtete er die Arthur-von- Weinberg-Stiftung ein und gehörte 1914 zu den Stiftern der Universität Frankfurt. Sein besonderes Engagement galt „seiner“ Rennbahn in Frankfurt-Niederrad und dem Frankfurter Renn-Klub, die er mit privatem Kapital großzügig förderte. Als Mäzen der Stadt wurde er mit zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen bedacht. All seine Verdienste schützten den Geheimen Regierungsrat und Ehrenbürger der Stadt Frankfurt Dr. Arthur von Weinberg jedoch nicht vor den Verfolgungen des Nazi-Regimes. Im Jahr 1938 wurde er de facto enteignet, im Juni 1942 auf Veranlassung des NS-Gauleiters verhaftet und ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo er im März 1943 nach einer schweren Operation im Alter von 82 Jahren verstarb.
Im Jahr 1937 hatte Arthur von Weinberg das Gestüt seiner Adoptivtochter Mary Gräfin von Spreti überlassen. Unter der Leitung ihres Ehemannes Rudolf Graf von Spreti übersiedelte die nahe der Frankfurter Rennbahn gelegene Zuchtstätte nach Kriegsende zunächst auf das Gestüt Römerhof. Schließlich fand Waldfried in der von der Enkelin Arthur von Weinbergs, Alexandra Gräfin Spreti, 1964 gekauften Anlage des einstigen Hauptgestüts Altefeld eine neue Heimat. 1981 aber wurde Waldfried aus privaten Gründen mit der Versteigerung aller Pferde aufgegeben – Turfdeutschland hatte einen jahrzehntelangen Eckpfeiler der Vollblutzucht verloren.
Zucht
1962 wurde Altefeld durch die Ansiedlung des Traditionsgestüts Waldfried zu einem neuen Mittelpunkt der Vollblutzucht. Bis zu seiner Auflösung 1981 züchtete Alexandra Scherping mit großem Erfolg Rennpferde auf Altefeld, unter anderem den Derbysieger Elviro und den späteren Celler Landbeschäler Agami. 1981 schließlich erwarb Manfred Graf das Hauptgestüt – auf der verwaisten Anlage nahe dem damals noch existierenden „Eisernen Vorhang“ gab es nur noch ein Pferd, den alten und kranken Derbysieger von 1968, Elviro. „Es war ein ungewöhnliches Experiment, die Pferdezucht genau nach den historischen Vorgaben der preußischen Gestütsverwaltung fortzuführen“, sagt Manfred Graf. Ohne Stress, artgerecht und naturverbunden sollen die Pferde hier aufwachsen – und so ist Altefeld nach wie vor ein angesehener Ort deutscher Pferdezucht. (Emily Hartmann)