Schwindel: Was uns aus dem Gleichgewicht bringt

Schwindel ist eine häufige Erkrankung im Alter – sein Ursachen sind vielfältig, ebenso wie die Möglichkeiten der Behandlung.
Eschwege – Bei Menschen ab zirka 75 Jahren ist Schwindel ein häufiges Symptom und damit ein wesentlicher Faktor für die Beeinträchtigung der Lebensqualität. „Schwindel reduziert die Teilhabe an altersentsprechenden Aktivitäten bei älteren Menschen massiv“ , weiß Dr. Jörg Brauneis, HNO-Arzt in Eschwege. Die Wahrscheinlichkeit, dass innerhalb eines Jahres Schwindel auftritt, der die Alltagsaktivität beeinträchtigt, liege, so Brauneis, bei über 60-Jährigen schon bei 20 Prozent, ab dem 70. Lebensjahr sind es bereits 30 Prozent und ab dem 80. Lebensjahr sogar 50 Prozent.
Der verwendete Ausdruck Schwindel sei allerdings sehr ungenau und bezeichne ein weites Spektrum von verschieden Wahrnehmungen und Beschwerden – von einem Drehschwindel über das Gefühl eines Schwankens bis hin zu Gangunsicherheit und Benommenheit. „Bei älteren Menschen ist Schwindel fast immer mit einer als belastend empfundenen Gangunsicherheit und der Angst, zu stürzen verbunden“, sagt Brauneis. Schon die Furcht davor, schränke die Mobilität weiter ein. Schwindelbeschwerden verstärkten sich typischerweise im Dunkeln und beim Gehen auf unebenem Untergrund.
Die Diagnose
Bei der ärztlichen Untersuchung steht die Klärung der Ursachen für den Schwindel ganz im Mittelpunkt. Zu Beginn wird daher im Arzt-Patient-Gespräch und nach dem Charakter des Schwindels gefragt:
- Ist es ein Dreh- oder Schwankschwindel oder eine allgemeine Benommenheit (z.B. „wie auf Watte gehen“, „Liftgefühl“, „dumpfer Kopf“, Schwarzwerden vor den Augen)?
- Ist es schon zu Stürzen gekommen?
- Handelt es sich um einen attackenartigen, also nur für kurze Zeit auftretenden Schwindel oder ist es ein Dauerschwindel?
- Welche Situationen, Bewegungen oder ähnliches lösen den Schwindel aus oder verstärken ihn?
- Gibt es Begleitsymptome wie Ohrgeräusche, Schwerhörigkeit, aber auch Bewusstseinstrübungen, Kopfschmerzen, Lichtempfindlichkeit, Sehstörungen oder ähnliches?
- Welche Medikamente werden eingenommen (zum Beispiel Blutdrucksenker, Schlafmittel, Mittel gegen Depressionen)? Wird Alkohol konsumiert?
- Welche Begleiterkrankungen gibt es (Zuckerkrankheit, Herzkrankheiten, vorangegangene Ohroperationen)?
Die Untersuchungen zur weiteren Ursachenklärung sind dann je nach ärztlicher Fachrichtung recht unterschiedlich. Und genau das sei, so der HNO-Arzt, das Problem. „Schwindel- und Gleichgewichtsstörungen haben gerade bei älteren Menschen fast immer mehrere, verschiedene Ursachen, sie sind multifaktoriell.“ Das mache zumeist mehrere fachärztliche Untersuchungen, eventuell auch mit Verfahren wie CT oder MRT erforderlich.
Die Ursachen
Folgende Organe können bei Schwindel erkrankt sein:
- Das Gleichgewichtsorgan im Innenohr (Vestibularorgan). Es ist die Schaltstelle für die Orientierung im Raum.
- Erkrankungen des Gehirns und der Nervenbahnen, aber auch Beeinträchtigungen der Tiefensensibilität, über die wir Reize aus dem Körperinneren wahrnehmen.
- Blutdruckschwankungen und Herzrhythmusstörungen können Schwindel und Bewusstlosigkeit auslösen.
- Ebenso können Erkrankungen der Halswirbelsäule und Sehstörungen Ursache von Schwindelgefühlen sein.
Arten und Behandlung
Manchmal sind es aber doch ganz typische Krankheitsbilder – vor allem im Alter - die den Schwindel auslösen. Hier einige Beispiele:
- Lagerungsschwindel: Der gutartige, anfallsweise auftretende Lagerungsschwindel. Diese besonders bei älteren Menschen häufige Schwindelform ist durch kurze, aber sehr heftige Drehschwindelattacken gekennzeichnet, die oft nur zwischen fünf und 60 Sekunden dauern. Typisch ist, dass dieser Schwindel immer durch eine Lageänderung ausgelöst wird. Klassische Auslöser sind: Hinlegen ins oder Aufstehen aus dem Bett; Umdrehen oder Aufrichten im Bett; Bücken und wieder aufrichten; Blick nach oben mit Kopf-in-den-Nacken-Legen.
Ursache ist die krankhafte Ablösung von Kalkkristallen im Innenohr, die dort normalerweise als Gewichte fungieren.
Therapie: Dieser Schwindel verursacht so typische Symptome, insbesondere unwillkürliche Augenbewegungen, die bei der ärztlichen Untersuchung in der Lagerungsprüfung unter einer Lupenbrille leicht zu erkennen sind, dass die Diagnose meist zuverlässig gestellt werden kann. Die Behandlung erfolgt durch besondere Lagerungsübungen, sogenannte Befreiungsmanöver), die der Patient nach ärztlicher Anleitung zu Hause selbst durchführen kann. Unter dieser Behandlung kommt es meist innerhalb weniger Tage zur Beschwerdefreiheit.
- Gleichgewichtsorgane. Das beiderseitige, das alterstypische Maß überschreitende Nachlassen der Funktionsfähigkeit der Gleichgewichtsorgane im Innenohr. Dies führt zu Schwindel und Gangunsicherheit, besonders im Dunkeln und auf unebenem Grund, manchmal begleitet von Sehstörungen mit der Wahrnehmung von Wackelbildern.
Die Therapie erfolgt durch Gleichgewichtstraining.
- Zentraler Schwindel. Hier liegt die Ursache im Gehirn. Dies kann ein vorangegangener Schlaganfall, eine chronische Durchblutungsstörung oder eine andere neurologische Erkrankung sein, wie z.B. die Parkinsonkrankheit.
Therapie: Hier steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund. Unterstützend kann auch ein Gleichgewichtstraining eingesetzt werden, eventuell verbunden mit schwindeldämpfenden Medikamenten.
- Nebenwirkung: Schwindel kann auch Nebenwirkung vieler auf Herz, Kreislauf oder die Psyche wirkender Medikamente sein. Hier gilt es, mit dem Hausarzt die Medikamentenliste kritisch durchzusehen.
- Menière-Krankheit. Ausgelöst wird dieser heftige, Minuten bis Stunden anhaltende, von Ohrgeräuschen und akuter Schwerhörigkeit begleitete und oft mit quälendem Erbrechen verbundene Schwindel durch eine Störung des Fließgleichgewichts der Innenohrflüssigkeiten.
Die Therapie ist im akuten Anfall medikamentös. Andere Medikamente sollen das erneute Auftreten der häufig wiederkehrenden Schwindelanfälle unterdrücken. In seltenen Fällen sind Operationen am Innenohr erforderlich.
Tipp vom Arzt
Dies sind nur einige Beispiele für Schwindelformen, die besonders ältere Menschen betreffen. Wichtig ist, auch beim Schwindel gilt, „Wer rastet, der rostet!“ „Passivität und Bewegungsmangel fördern Gleichgewichtsstörungen! Daher sollten Menschen, die unter Schwindel leiden im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv bleiben und die ärztlich empfohlenen Schwindelübungen regelmäßig durchführen“, rät Dr. Brauneis. In bestimmten Fällen könne auch Physiotherapie helfen. (Stefanie Salzmann)