Bad Sooden-Allendorf. Am helllichten Tag hatte sich ein ausgewachsener Dachs in die Allendorfer Altstadt verirrt.
„Ich war mit den Nerven völlig runter“, gesteht Karen Tadema nach einem dreistündigen Drama. Der Dachs war durch die offene Tür in den Flur eines Mehrfamilienhauses gelaufen und hatte sich unter einem Stuhl verkrochen, exakt vor dem Geschäft, in dem die 55-Jährige neben Outdoor-Mode auch Zubehör für Kanuten vertreibt. Für das Raubtier auf Abwegen nahm die Geschichte ein tödliches Ende. Es starb durch die Kugel aus einer Polizei-Pistole.
Rückblende: Es war der letzte Samstag im August, als Karen Tadema um 18 Uhr ihren Laden abschließen wollte, um mit ihrer 14-jährigen Tochter Meera Zoe zu einer Geburtstagsfeier nach Göttingen aufzubrechen. Im selben Augenblick suchte der vierbeinige „Kunde“ Zuflucht, nachdem zuvor eine Passantin das offensichtlich aggressive Tier mit ihren Nordic-Walking-Stöcken abgewehrt hatte.
Da hockte er nun, der etwa ein Meter große Dachs. Aber wie ihn wieder loswerden? „Ich muss etwas tun, wer weiß, was das Tier hat – vielleicht Tollwut“, schoss es der 55-Jährigen durch den Kopf. Gefühlt „ein Dutzend Mal oder mehr“ griff sie zum Telefon, rief bei der Polizei in Eschwege an, versuchte ihr Glück bei Förster, Jäger, Jagdpächter, Naturschutzbund und BUND – ohne Erfolg. Entweder befanden sich die gewünschten Gesprächspartner als für nicht zuständig, waren nicht erreichbar oder es lief der Anrufbeantworter.
Der Gedanke, selbst zur Tat zu schreiten und den gestressten und am ganzen Körper zuckenden Dachs mit einem griffbereiten Paddel zu erschlagen, wurde schnell wieder verworfen. Inzwischen hatte das Tier den Flur vollgekotet, „und es hat fürchterlich gestunken“.
Schließlich erbarmte sich doch die Polizei, schickte zwei Beamte, die den Dachs mit einer Schlinge einfingen, nach draußen und über die Straße zerrten und im gegenüber liegenden Stadtgraben hinter Birkenbüschen erschossen.
Ein Gnadenschuss, wie sich später herausstellte. Das Tier, diagnostizierte der Leiter des Veterinäramtes in Eschwege, Dr. Eckhard Schinkel, litt „eindeutig an Staupe“, einer auf Menschen nicht übertragbaren, aber etwa für Hunde und Katzen ansteckenden Virusinfektion, die auch das Nervensystem befällt und für Wildtiere in aller Regel tödlich ausgeht.