Bewusste Ernährung statt Nullfasten: Dirk Werner vom Eschweger Klinikum berät

Wir haben mit Dirk Werner, Chefarzt der gastroenterologischen Abteilung am Klinikum Werra-Meißner, über das Fasten und einen gesunden Lebensstil gesprochen.
Werra-Meißner – Vor einer Woche begann der muslimische Fastenmonat Ramadan. Gleichzeitig endet in knapp zwei Wochen die christliche Fastenzeit. Während in diesen Fällen religiöse Gründe der Anlass dafür sind, dass Menschen für einen gewissen Zeitraum auf bestimmte Nahrungsmittel oder auf die Nahrungsaufnahme während der Sonnenstunden verzichten, entschließen sich andere mit Blick auf gesundheitliche Vorteile dazu. Wir haben mit Dirk Werner über das Thema gesprochen. Er ist der neue Chefarzt der gastroenterologischen Abteilung am Klinikum Werra-Meißner.
Heilfasten
Bei dieser Form des Fastens verzichten Menschen auf feste Nahrung. Werner erklärt, dass dieser dauerhafte Verzicht gefährlich werden kann; wenn, dann nur mit ärztlicher Begleitung sinnvoll sei. Der Grund: Der Körper versucht die fehlenden Zufuhr an Nährstoffen auszugleichen. Angezapft werden daher Fettreserven, aber nach zu langem Verzicht auf feste Nahrung baue der Körper auch Muskulatur ab. Gerade für ältere Menschen und onkologische Patienten bestehe hier die Gefahr, dass sie durch Muskelschwund gebrechlicher werden und wichtige Energiereserven verbraucht werden.
Umstritten sei der Effekt des Heilfastens auf den Magen-Darm-Trakt. Beispielsweise verändert zu viel rotes Fleisch das Schleimhautmillieu im Darm (vor allem im Dickdarm). Es gibt Ansätze, nach denen die bakterielle Kultur dort durch Heilfasten oder Darmreinigungen regeneriert werde. Gleichzeitig können bestimmte Medikamente wie Antibiotika diese bakterielle Zusammensetzung hin zu einer schlechteren verschieben. Generell sorgt die Regeneration der Darmschleimhaut für ein verbessertes Immunsystem.
Ärztliche Beratung
Wer chronisch krank ist oder bestimmte Medikamente einnimmt, sollte sich beim Thema Fasten von einem Arzt beraten lassen. Werner erklärt, dass manche Medikamente eine bestimmte Ernährung erfordern. Einige wirken beispielsweise bei verringerter Fettaufnahme schlechter.
Bei bestimmten Erkrankungen könne Fasten einen positiven Effekt erzielen. Generell ist es laut Werner aufgrund der Risiken etwas für den gesunden jungen bis mittelalten Menschen.
Religiöses Fasten
Dementsprechend sei der Ausschluss von Kindern, Schwangeren, älteren oder kranken Menschen beim Fasten im Islam medizinisch gut begründet. Da dem Körper hierbei abends wieder Energie zugeführt wird und es sich somit lediglich um eine Veränderung der Essgewohnheiten während des Fastenmonats handele, bestehe für gesunde Menschen keine Gefährdung.
Der Verzicht auf zusätzliche Nahrungsmittel wie Süßigkeiten oder Genussmittel wie Alkohol, den viele Menschen während der christlichen Fastenzeit praktizieren, könne auch gesundheitlich sinnvoll sein.

Immunsystem
Bestimmte Ernährungsgewohnheiten sorgen dafür, dass Menschen anfälliger für Krankheiten werden. Als Gesellschaft konsumieren wir laut dem Chefarzt der gastroenterologischen Abteilung zu viel Zucker und zu wenig Eiweiß. Eine Ernährung mit zu vielen Kohlenhydraten erhöhe die Infektanfälligkeit.
Daher sei es zur Verbesserung der eigenen Fitness gut, die Menge an aufgenommen Kohlenhydraten zu reduzieren. Besonders kohlenhydratlastig sind beispielsweise süße Softdrinks. Auch zwischendurch nehmen viele Menschen laut Werner häufig kohlenhydratlastige Nahrungsmittel zu sich. Beispiele dafür sind Kuchen, Schokolade oder Speiseeis.
Gewichtsabnahme
Das Nullfasten, das einige Menschen zum Abnehmen nutzen, empfiehlt sich laut Werner nicht. Gerade für vorerkrankte Menschen birgt es Risiken. Beim Thema Abnehmen solle man sich die Frage stellen: Wie viel Energie brauche ich? Wie der Chefarzt erklärt, benötigt der durchschnittliche Mensch in Deutschland etwa 2.000 bis 2.500 Kilokalorien am Tag.
Abhängig ist dieser Wert von mehreren Faktoren, zu denen die körperliche Tätigkeit zählt. Wer beispielsweise an einem Hochofen oder auf Baustellen arbeitet, könne auch bis zu 8.000 Kilokalorien verbrauchen. Doch bei Menschen mit Tätigkeiten, bei denen man größtenteils sitzt, ist dieser Wert deutlich niedriger. Ziel beim Abnehmen sollte es sein, die Energiemenge unter diesem Verbrauch zu reduzieren und sich im Rahmen der Alltagsbewegung mehr zu betätigen.
Alltagsbewegung
Ähnlich wie beim Thema Ernährung rät Werner auch bei Bewegung nicht zum Extremen, sondern zu einem bewussten Umgang. Anstatt den Körper nach einem Tag mit sitzender Tätigkeit bei beispielsweise einer zehn Kilometer langen Joggingrunde stark zu belasten, solle man Bewegung in den Alltag einbauen. Das bedeutet, dass man kürzere Wege zu Fuß anstatt mit dem Auto zurücklegt oder die Treppe anstelle des Fahrstuhls nutzt. Mit vielen dieser kleineren Bewegungseinheiten erziele man in der Summe einen positiven Effekt. (Eden Sophie Rimbach)