1. Startseite
  2. Lokales
  3. Witzenhausen

Interview: Musiker Johannes Oerding erzählt, was ihn antreibt

Erstellt:

Von: Ulrike Käbberich

Kommentare

Kommt im Sommer wieder nach Bad Sooden-Allendorf: „An guten Tagen“-Sänger Johannes Oerding – hier bei seinem Auftritt in 2021 beim SoundGarten Open Air. archiv
Kommt im Sommer wieder nach Bad Sooden-Allendorf: „An guten Tagen“-Sänger Johannes Oerding – hier bei seinem Auftritt in 2021 beim SoundGarten Open Air. archiv © archivFoto: Johannes Oerding

Im Sommer kommt Johannes Oerding erneut nach Bad Sooden-Allendorf. Mit dabei hat er sein brandneues Album „Plan A“, das sich direkt nach dem Erscheinen den ersten Platz der deutschen Albumcharts sicherte.

Bad Sooden-Allendorf - Im Interview erzählt Johannes Oerding, warum er im Grunde das schwarze Schaf der Familie ist, was für ihn das größte Kompliment ist und wie er mit Gefühlen umgeht. Das neue Album enthält viele emotionale, sehr persönliche Lieder. Besonders das Lied „Eins-zu-Eins-Gespräch“. Ein Lied über das Verhältnis zu deinem Vater.

Wie schaffst du es, einen solch emotionalen Text auf der Bühne rüberzubringen?

Johannes Oerding: Den Song zu schreiben war gar nicht so schwer. Das habe ich eigentlich als Brief aufgeschrieben und mich dann gefragt, wie kann man das vertonen? Ja und so was dann auf der Bühne zu präsentieren – ich weiß noch nicht, wie oft ich das kann und mache. Es gibt Songs, die spielt man einmal und dann merkt man, dass sie nicht für die Bühne gedacht sind. Aber dieser Song zeigt mir, dass er sehr vielen Menschen aus der Seele spricht und sehr berührt, und deswegen glaube ich, dass ich den auch auf der Bühne spielen werde. Weil das im Grunde die einzige Form ist, wie ich meine Problemchen und Gedanken rauslasse. Ich bin jetzt kein Typ, der täglich mit Leuten eins zu eins über seine Gefühle spricht. Ich habe für mich die Musik gewählt, um Dinge zu verarbeiten, zu bearbeiten und eben auch abzuarbeiten.

Ich bin neugierig. Du singst darin, dass dein Vater wahrscheinlich auch zu diesem Song nichts sagen wird. Hat er etwas gesagt?

Ja, er hat etwas gesagt und im Grunde so wie ich mir das auch vorgestellt habe. Meine Mutter hat ihm den Song vorgespielt, weil ich gefragt habe, ob ich den überhaupt veröffentlichen darf, ich wollte mir quasi eine Freigabe holen. Er war sehr ergriffen und hat mir gesagt, dass ich den Song sehr gerne veröffentlichen darf, und schrieb mir noch dazu eine E-Mail mit ein paar netten Zeilen. Und wer meinen Vater kennt, der weiß, dass das schon das Höchste der Gefühle ist (lacht). Ich kann guten Gewissens dieses Lied, wenn ich es denn hier und da mal spiele, auf der Bühne präsentieren.

Wie reagiert das Publikum auf „Eins-zu-eins-Gespräch“ und auf die weiteren emotionalen Texte der neuen Lieder wie „Porzellan“ oder „Kaleidoskop“?

Also, Eins-zu-eins-Gespräch ist schon ein absolutes Highlight. Ich habe den zwar erst nur einmal gespielt, aber ich muss sagen, da kann man eine Stecknadel fallen hören. Weil der Song einfach anders ist als alle anderen Songs. Er ist „besonderer“ und die Leute hören der Geschichte zu und können, glaube ich, dazu einen Bezug herstellen. Ich glaube, jeder Mensch kann diesen Song in irgendeiner Form nachvollziehen.

Liest du Kommentare, die unter deinen Musikvideos stehen?

Ja, schon. Vielleicht nicht mehr so viel wie früher – als junger Künstler, da bin ich noch extrem hinterher gewesen und habe mir viel sehr zu Herzen genommen. Ich lese das heute auch immer noch gerne und nehme es mir auch immer noch zu Herzen, aber es ist in der Masse viel mehr geworden, sodass man nicht mehr alles überall mitbekommen kann. Aber gerade, wenn etwas Neues rauskommt, ein neues Video oder ein besonderer Song, wo ich wissen will, was macht der mit den Menschen da draußen, dann lese ich mir das sehr, sehr gerne durch und bin dann auch selber berührt, wenn ich die vielen lieben Einträge sehe. Klar rege ich mich auch auf, wenn dann mal irgendwelche Hasskommentare dabei sind, aber die halten sich eigentlich in Grenzen.

Oft stehen da sehr emotionale Kommentare, in denen Menschen berichten, dass deine Musik ihnen durch Trauer oder Depression geholfen hat. Die positiven Botschaften in deinen Liedern gebe ihnen Hoffnung. Siehst du denn immer das Licht am Horizont?

(Lacht) Ich habe natürlich auch im Privatleben nicht nur Happy Ends und positive Erlebnisse, aber irgendwie schreibe ich die meisten Songs auch für mich selber und motiviere mich selber mit den Geschichten und dem Lichtblick, den ich einfach brauche. Aber ich merke selbst, dass ich eher ein positiver Mensch als ein negativer bin und denke immer, am Ende wird schon alles gut. Ich bin immer auf der Suche nach einer Lösung, auch wenn es noch so ausweglos erscheint. Und ja, es ist wohl ein klassischer Oerding-Song, wenn in den Strophen ein Problem stattfindet und ich im Refrain des Songs versuche, eine Lösung oder zumindest einen kleinen Ausblick zu geben. Das Feedback, dass viele Menschen nämlich genau in ihren schwierigsten Situationen meine Songs hören, das ist natürlich für mich das größte Kompliment. Darin sehe ich den Sinn für meine Arbeit.

Im Juli spielst du bei uns auf dem SoundGarten Open Air. Deine Tour startet allerdings bereits im März in Münster. Ist das wie ein Heimspiel für dich?

Ehrlich gesagt, ist Münster nur meine Geburtsstadt. Meine Eltern machen daraus einen Running Gag, dass alle fünf Kinder in dem Krankenhaus geboren worden sind, in dem sie sich auch kennengelernt haben. Aufgewachsen bin ich zirka eine Stunde davon entfernt am Niederrhein, in einem kleinen Dorf an der niederländischen Grenze. Nun lebe ich mittlerweile seit 22 Jahren in Hamburg. Aber vom Gefühl her verbinde ich noch viel mit der Stadt. Ich habe da noch viel Familie und meine vier Geschwister haben alle in Münster studiert. Deswegen gibt es die Aufwärmshow in Münster, weil es sich doch wie nach Hause kommen anfühlt. Ich bin tatsächlich, der Einzige, der unser Dorf verlassen hat. Alle meine Geschwister leben mittlerweile wieder dort. Ich bin das schwarze Schaf, das aus der Reihe tanzt.

Du bist bereits in der Elbphilharmonie aufgetreten und gibst auch Wohnzimmerkonzerte. Was macht dir mehr Freunde?

Ich sage immer, so richtig vergleichen kann man die unterschiedlichen Konzertwelten nicht. Eine Arenashow ist etwas anderes als ein Open-Air-Konzert, ein Open-Air ist etwas anderes als ein kleines Club-Konzert. Was sie alle gemeinsam haben, ist, dass es egal ist, wie viele Menschen davor stehen, beziehungsweise nicht davorstehen. Man ist gleichermaßen aufgeregt und fokussiert. Jetzt freue ich mich sehr darüber, dass wir wieder unter normalen Bedingungen spielen können. Denn das letzte Mal als ich in Bad Sooden-Allendorf war, saßen die Leute noch mit Abstand auf Stühlen. Alles war noch etwas „desinfiziert“. Ich bin froh, dass diese Distanz mittlerweile weg ist.

Wenn du in dein Publikum guckst, wen siehst du dann da?

Also, das ist so schön bunt gemischt. Das ist auch eigentlich das, was mich so glücklich und zufrieden macht. Und mich auch sicher sein lässt. Ich gucke da mittlerweile in drei Generationen. Da stehen wirklich Kids vorne mit ihren Eltern und weiter hinten stehen die Großeltern. Die geben sich den Staffelstab weiter, weil ich schon so lange dabei bin. Und es ist total schön, zu sehen aus was für unterschiedlichen Gründen die herkommen. Die einen fanden mich bei „Sing meinen Song“ oder „The Voice“ toll, andere sind seit 17 Jahren dabei und mit meiner Musik mitgewachsen. Dann gibt es wiederum Leute, die kommen nur wegen einem Song, weil sie vielleicht bei dem Song geheiratet haben oder emotional etwas damit verbinden. Und diese bunte Mischung macht das für mich total spannend. Vor allem weil sie so breit und divers ist, gibt das mir ein gutes Gefühl, dass ich eben keine Nischenmusik mache und ich wahrscheinlich mein Leben lang Musik machen kann und immer jemand vorbeikommt.

Gibt es ein festes Team, dass dich auf deiner Tour begleitet?

Ja, ich bin seit 17 Jahren mit meiner Band unterwegs. Loyalität wird bei uns ganz großgeschrieben. Das gilt auch für die ganze Crew, für das ganze Team. Wir sind alle miteinander gemeinsam gewachsen. Von den kleinen Clubs und Kneipen bis jetzt in die großen Open-Airs und Hallen. Das ist das Schönste an der Sache, dass wir als Familie, als Tour-Familie, uns gegenseitig dafür feiern können, was wir alles erreicht haben. Wenn man das gemeinsam teilen kann, ist das einfach tausendmal geiler, als alleine „Juchhu“ zu schreien.

Habt ihr feste Rituale?

Ja (lacht). Ein Ritual, das es von Anfang an gibt, ist dass meine Band und ich vor jedem Auftritt einen Ramazotti trinken. Egal, wo wir spielen, egal ob groß oder klein, ob es regnet oder die Sonne scheint, es gibt für jeden einen Ramazotti und dann gibt es eine kleine Predigt von mir, in der ich uns daran erinnere, wo wir sind und warum wir hier sind und warum es die Leute verdient haben, dass wir einhundert Prozent geben. Das wird sich auch nicht ändern. Das wird wahrscheinlich ein Leben lang so weitergehen.

Die letzte Frage möchte unsere Schülerpraktikantin Katharina (17 Jahre) stellen.

Gerne! Hallo!

Mich würde interessieren, wie es dazu gekommen ist, dass du auf Deutsch singst und nicht auf Englisch. Denn viele deutsche Musiker entscheiden sich, auf Englisch zu singen, um auch ein größeres Publikum zu erreichen.

Gute Frage! Es ist so, dass ich selber die Texte schreiben wollte und ich wollte mich möglichst richtig und präzise ausdrücken und das konnte ich nur in meiner Muttersprache. Ich habe zwar auch ein gutes Schulenglisch, aber um wirklich Wortspiele, Metaphern, Analogien zu benutzen, Sätze zu verschachteln oder umzubauen oder gewisse Gleichnisse zu erstellen, dazu benötige ich meine Muttersprache und deswegen bin ich im Deutschen geblieben. Es ist auch tatsächlich so, dass mir Deutschland, Österreich und die Schweiz reichen, damit ist man das ganze Jahr über beschäftigt – auch wenn ich manchmal von einer Weltkarriere geträumt habe, aber das muss man auch erst mal schaffen. Ich gönne es jedem.

Tickets: Johannes Oerding, SoundGarten Open Air in Bad Sooden-Allendorf, 15. Juli 2023 über sound-garten.de oder Tourist-Info Eschwege Bad Sooden-Allendorf sowie Heiligenstadt. (Von Ulrike Käbberich)

ZUR PERSON

Johannes Oerding, geboren am 26. Dezember 1981 in Münster, gehört zu den beliebtesten und erfolgreichsten Sängern Deutschlands. Mit „An guten Tagen“ (2019), „Für immer ab jetzt“ (2013) oder „Alles brennt“ (2015) ist er aus dem Radio nicht mehr wegzudenken und auch im TV hat er durch Formate wie „The Voice“ oder „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ an Bekanntheit gewonnen. Privat ist er mit Moderatorin und Sängerin Ina Müller liiert.

Auch interessant

Kommentare